Mehr Effizienz für optische Quantengatter
Forschende haben die Funktion eines zentralen Bauteils verbessert
Quantencomputer sollen künftig nicht nur besonders knifflige Rechenaufgaben lösen, sondern sich auch zu einem Netzwerk für den sicheren Austausch von Daten verbinden lassen. Dazu lassen sich so genannte Quantengatter nutzen. Doch die ließen sich bislang nicht mit ausreichend großer Effizienz realisieren. Durch die ausgeklügelte Kombination mehrerer Techniken haben Physikerinnen und Physiker am Max-Planck-Institut für Quantenoptik nun einen großen Schritt gemacht, um diese Hürde zu überwinden.
Computer werden seit Jahrzehnten mit jeder neuen Generation schneller und leistungsfähiger. Diese Entwicklung ermöglicht es, stetig neue Anwendungen zu erschließen, etwa in Systemen mit künstlicher Intelligenz. Doch weitere Fortschritte sind mit der etablierten Rechnertechnologie immer schwieriger zu erreichen. Daher haben die Forschenden inzwischen alternative, vollkommen neuartige Konzepte im Visier, die künftig bei einigen besonders schwierigen Rechenaufgaben zum Einsatz kommen könnten. Zu diesen Konzepten gehören unter anderem sogenannte Quantencomputer.
Deren Funktion basiert nicht wie bei einem herkömmlichen, mikroelektronischen Computer, auf der Verknüpfung von digitalen Nullen und Einsen – den klassischen Bits. Als grundlegende Einheiten, um Information zu codieren und zu verarbeiten, nutzt ein Quantenrechner stattdessen Quantenbits, kurz Qubits. Sie sind die Pendants der Bits in der Quantenwelt – unterscheiden sich von diesen aber in einem entscheidenden Merkmal: Qubits können nicht nur zwei feste Werte oder Zustände wie Null oder Eins annehmen, sondern auch beliebige Werte dazwischen. Das bietet die Chance im Prinzip viele Rechenprozesse gleichzeitig zu erledigen, anstatt eine logische Operation nach der anderen abzuarbeiten.
Abhörsicher kommunizieren mit optischen Qubits
„Um das Konzept der Qubits physikalisch umzusetzen, gibt es verschiedene Möglichkeiten“, sagt Thomas Stolz, der am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching an den Grundlagen von Quantencomputern forscht. „Eine davon sind optische Photonen.“ Auf solche Lichtteilchen aus dem sichtbaren Spektralbereich setzen auch Stolz und seine Kolleginnen und Kollegen im Team, das von Stephan Dürr und Gerhard Rempe geleitet wird. „Ein Vorteil der Photonen als Informationsträger in einem Quantencomputer ist ihre geringe Wechselwirkung untereinander und mit der Umgebung“, erklärt Stolz. „Das verhindert, dass die für den Bestand von Qubits nötige sogenannte Kohärenz durch äußere Störungen rasch zunichtegemacht wird.“ Zudem lassen sich Photonen, etwa in einer Glasfaser, über weite Distanzen transportieren. „Das macht sie zu einem besonders aussichtsreichen Kandidaten für den Aufbau von Quantennetzwerken“, sagt Stolz: Verbindungen mehrerer Quantenrechner, über die sich verschlüsselte Daten bedingungslos sicher – und zuverlässig gegen Abhörversuche geschützt – übertragen lassen.
Die grundlegenden Bauelemente eines Quantencomputers – und damit auch eines Quantennetzwerks – sind Quantengatter. Sie entsprechen in ihrer Funktionsweise den Logikgattern in konventionellen Rechenmaschinen, sind aber auf die besonderen Eigenschaften von Qubits zugeschnitten. „Quantengatter auf der Grundlage von Qubits aus eingefangenen Ionen oder supraleitenden Materialien sind technisch derzeit am weitesten ausgereift“, stellt Stephan Dürr fest. „Ein solches Element mit Photonen zu realisieren, ist jedoch deutlich anspruchsvoller.“ Denn dabei verwandelt sich der Vorteil der schwachen Wechselwirkungen in einen handfesten Nachteil. Um nämlich Informationen verarbeiten zu können, müssen die Lichtteilchen in der Lage sein, sich gegenseitig zu beeinflussen. Wie sich das effektiv erreichen lässt, haben die Forscherinnen und Forscher am Max-Planck-Institut für Quantenoptik in einer Arbeit gezeigt, deren Ergebnisse nun im Open-Access-Fachjournal PRX veröffentlicht wurde.
Bisherige Versuche, Quantengatter zu verwirklichen, die zwei Photonen miteinander verknüpfen, waren nur begrenzt erfolgreich. Sie krankten vor allem an einer geringen Effizienz von maximal elf Prozent. Das bedeutet: Ein großer Anteil der Lichtteilchen und damit auch der Daten geht beim Verarbeiten in dem Quantensystem verloren– ein Manko vor allem dann, wenn in einem Quantennetzwerk zahlreiche Quantengatter hintereinandergeschaltet werden sollen und sich Verluste dadurch addieren. „Uns hingegen ist es erstmals gelungen, ein optisches Zwei-Qubit-Gatter mit einer mittleren Effizienz von mehr als 40 Prozent zu realisieren“, berichtet Stephan Dürr – fast das Vierfache der bisherigen Rekordmarke.
Ultrakalte Atome in einem Resonator
„Die Basis für diesen Erfolg war die Nutzung nichtlinearer Bauteile“, erklärt Stolz. Sie sind enthalten in einer neuartigen experimentellen Plattform, die das Max-Planck-Team eigens für das Experiment entwickelt und im Labor installiert hat. Dabei konnten die Forschenden auf ihre Erfahrungen aus früheren Arbeiten aufbauen, die sie 2016 und 2019 publiziert hatten. Eine Erkenntnis daraus war, dass es für die Informationsverarbeitung mit Photonen nützlich ist, ein kaltes, atomares Gas zu verwenden, in dem wenige Atome energetisch hoch angeregt werden. „Die Atome vermitteln die erforderliche Wechselwirkung zwischen den Photonen“, erklärt Stolz. „Allerdings haben die früheren Arbeiten auch gezeigt, dass die Dichte der Atome nicht zu groß sein darf, da sonst die codierte Information durch Stöße der Atome untereinander rasch wieder gelöscht wird.“ Daher verwendeten die Physikerinnen und Physiker nun ein atomares Gas mit nur geringer Dichte, das sie auf eine Temperatur von 0,5 Mikrokelvin abkühlten – ein halbes Millionstel Grad über dem absoluten Nullpunkt bei minus 273,15 Grad Celsius. „Als zusätzlichen Verstärker für die Wechselwirkung der Photonen platzierten wir die ultrakalten Atome zwischen den Spiegeln eines optischen Resonators“, berichtet Stolz.
Das führte zum Erfolg des Experiments, bei dem das Quantengatter die optischen Qubits in zwei Schritten verarbeitete: Zunächst wurde ein sogenanntes Kontroll-Photon in den Resonator eingebracht und darin gespeichert. Danach gelangte ein zweites, das Ziel-Photon, in den Aufbau und wurde dort von den Resonator-Spiegeln reflektiert – „der Moment, in dem die Wechselwirkung stattfand“, betont Stolz. Letztlich verließen beide Photonen das Quantengatter – samt der ihnen aufgeprägten Information. Damit das so funktionieren konnte, wendeten die Physiker einen weiteren Kniff an. Dieser basiert auf sogenannten Rydberg-Zuständen – elektronischen Anregungen der Gas-Atome auf ein sehr energiereiches Niveau. „Dadurch dehnt sich das angeregte Atom – im klassischen Bild – mächtig aus“, erklärt Stolz. Es erreicht einen Radius von bis zu einem Mikrometer – mehrere Tausend Mal so groß wie das normale Ausmaß des Atoms. Die so aufgeblähten Atome im Resonator ermöglichen erst einen ausreichend starken Effekt der Photonen aufeinander. Allerdings entsteht dadurch zunächst nur eine Phasenverschiebung. Zusätzlich wird das Licht auf verschiedene Pfade aufgeteilt, die später überlagert werden. Erst die quantenmechanische Interferenz bei dieser Überlagerung macht aus der Phasenverschiebung ein Quantengatter.
Das Ziel: skalierbare Quantensysteme
Dem Experiment vorangegangen war eine aufwendige, theoretische Analyse. Das Team hatte eigens ein umfassendes, theoretisches Modell entwickelt, um damit den Designprozess der neuen Forschungsplattform zu optimieren. Weiterführende, theoretische Untersuchungen zeigen Wege auf, mit denen die Forscherinnen und Forscher hoffen, künftig zu einer noch besseren Effizienz ihres optischen Quantengatters zu gelangen. Zudem wollen sie herausfinden, wie sich das Quantengatter zu größeren Systemen hochskalieren lässt – durch die gleichzeitige Verarbeitung zahlreicher Qubits. „Dass das grundsätzlich möglich ist, haben unsere bisherigen Versuche bereits gezeigt“, sagt Gerhard Rempe, Leiter der Abteilung. Er ist überzeugt: „Unsere neuen Erkenntnisse werden bei der Entwicklung auf Licht basierender Quantencomputer und Quantennetzwerke von großem Nutzen sein.“