Rhythmen im Gehirn definieren Netzwerke
Im Gehirn existieren mindestens vier komplexe Nervenzellnetzwerke existieren nebeneinander
Das Gehirn ist viel mehr als die Summe seiner Teile. Denn diese Teile sind durch komplexe Netzwerke miteinander verbunden. Dass davon mindestens vier nebeneinander existieren, konnten Forschende des Ernst Strüngmann Instituts nun zeigen.
Wenn zwei sich richtig gut verstehen, ist umgangssprachlich davon die Rede, dass sie auf der gleichen Wellenlänge surfen. Auch im Gehirn ist die gleiche Wellenlänge wichtig: Synchrone Schwingungen sorgen dort dafür, dass der Austausch von Informationen besonders gut gelingt. Gleichzeitig tragen unterschiedliche Schwingungen, auch Hirnrhythmen genannt, erheblich dazu bei, unterschiedliche Interaktionsnetzwerke auszumachen.
Dass davon mindestens vier nebeneinander existieren, konnten nun Forschende des Ernst Strüngmann Institute (ESI) for Neuroscience in Frankfurt nachweisen. Im Detail beschrieben sie dieses Phänomen in ihrem Artikel. „Unser Ziel war es, die Interaktionsnetzwerke in der Großhirnrinde umfassender darzustellen. Und zu beschreiben, wie sie in Verbindung stehen mit den neuronalen Vernetzungen, die ihnen zugrunde liegen“, sagt Julien Vezoli, Associate Researcher am ESI und Erstautor der Studie. „Das Grundgerüst für diese Interaktionsnetzwerke wird seit langem mit Hilfe der Anatomie bei nicht-menschlichen Primaten untersucht. Wir wollten dies nun mit empirischen Daten ergänzen.”
Zwei Makaken, viele Zahlen
Dafür haben die Forschenden die Hirnaktivität von zwei Makaken aufgezeichnet. Dabei sind eine Menge Zahlen zusammen gekommen: gemessen wurde an mehr als 200 Stellen, verteilt auf 15 Hirnareale. So konnten die Wissenschaftler die tatsächlichen neuronalen Interaktionen zwischen über 40.000 Stellenpaaren und mehr als 100 Hirnarealpaaren untersuchen. „Wir haben festgestellt, dass Interaktionen hauptsächlich in vier verschiedenen Frequenzbändern stattfinden. Oder auf vier verschiedenen Wellenlängen, um auf das oben genannte Beispiel zurückzukommen“, fasst Julien Vezoli die Ergebnisse zusammen. „Und dass jedes Band ein eigenes Interaktionsnetzwerk mit einer charakteristischen räumlichen Netzwerkstruktur definiert.”
Neue Perspektiven
Anschließend haben sie diese Interaktionsnetzwerke mit anatomischen Daten aus dem Labor von Henry Kennedy in Lyon in Beziehung gesetzt. Dabei zeigte sich, dass einige Interaktionsnetze stärker mit der Anatomie verbunden sind als andere. Diese Ergebnisse tragen zu unserem Verständnis der Struktur-Funktions-Beziehungen in groß angelegten Netzwerken bei, die verschiedene modalitätsspezifische Hirnregionen abdecken, und liefern starke Einschränkungen für mechanistische Modelle der Hirnfunktion. Da dieser Ansatz an nicht-invasive Techniken angepasst werden kann, verspricht er, neue Perspektiven zu eröffnen auf die funktionelle Organisation des menschlichen Gehirns.