Abgeschwächter Golfstrom reduzierte den Monsunregen
Stalagmiten offenbaren, wie grönländisches Schmelzwasser das tropische Klima vor mehr als 100.000 Jahren veränderte
Der abtauende Eisschild Grönlands könnte auch für die Wasserversorgung der Tropen gravierende Auswirkungen haben. Denn dadurch fließen immer größere Mengen Süßwasser in den Nordatlantik, wodurch sich der Golfstrom verlangsamen könnte. Das dürfte in der Folge die Monsunregenfälle verringern, auf die unter anderem die tropischen Regionen Asiens angewiesen sind. Diesen Schluss legt die paläoklimatologische Untersuchung eines internationalen Teams um Jasper Wassenburg vom Max-Planck-Institut für Chemie nahe. Die Forschenden haben rekonstruiert, wie sich der Golfstrom und der indische Sommermonsun am Ende der vorletzten Kaltzeit auf den vermehrten Zufluss von Schmelzwasser in den Nordatlantik abschwächten.
Aus dem Wechsel von einer Kalt- zu einer Warmzeit kann die Klimaforschung einiges über die aktuelle Erderwärmung lernen - etwa darüber, wie sich der Golfstrom verändern könnte und welche Folgen das global hätte. Dass der Golfstrom durch den menschengemachten Klimawandel abreißt, gilt dem jüngsten Sachstandbericht des Intergovernmental Panel for Climate Change zufolge zwar als unwahrscheinlich, er könnte sich aber abschwächen. Bereits vor mehr als 100.000 Jahren beeinflusste grönländisches Schmelzwasser den Golfstrom massiv. Damals erlebte die Erde den vorletzten Wechsel von einer Kalt- zu einer Warmzeit. „Zwei aufeinanderfolgende Episoden riesiger Süßwasserabflüsse in den Nordatlantik haben den Golfstrom zunächst geschwächt und später sogar zum vollständigen Versiegen gebracht. Das wiederum hat den Indischen Mosun gemindert“, erläutert der Mainzer Geowissenschaftler Jasper Wassenburg. Die Zeit von 147.000 bis 125.000 Jahren vor unserer Zeit eignet sich demnach ideal, um die wechselhaften klimatischen Verhältnisse von damals mit den heutigen zu vergleichen.
Die Tropfsteinhöhle Jiangjun speichert uralte Klimadaten
Als Zeugen der Vergangenheit nutzte die Forschungsgruppe die Stalagmiten in der Tropfsteinhöhle Jiangjun im Südwesten Chinas, einer Region, die sensibel auf den Indischen Sommermonsun reagiert. „Im kontinentalen Klima gibt es als Klimaarchiv nichts Besseres als Stalagmiten, denn sie bieten eine unvergleichlich hohe Datierungspräzision über viele Jahrtausende hinweg“, betont Hubert Vonhof, der maßgeblich an der Studie beteiligt war und am Max-Planck-Institut für Chemie die Forschungsgruppe Anorganische Gasisotopen-Chemie leitet. Die Tropfsteinproben erhielten sie von ihren chinesischen Kollegen der Universität Xi’an Jiaotong University, Chinese Academy of Sciences, CAGS.
Für die Analyse und Interpretation der Aufzeichnungen verwendeten die Forschenden eine Kombination neuartiger Proxydaten, also indirekten Anzeigern für Klimaereignisse, die am Max-Planck-Institut für Chemie entwickelt wurden. So konnten die Wissenschaftler erstmals rekonstruieren, wie sich die Temperatur sowie die Niederschlagsmenge und -dauer des indischen Sommermonsuns in Folge der Schmelzwasserzuflüsse in den Atlantik änderten. Die Messungen mit dem speziell für diesen Zweck entwickelten Paläothermometes zeigten dabei ein deutliches Bild: Die kleineren Schmelzwasserereignisse vor 139.000 Jahren, die den Golfstrom verlangsamten, sorgten lediglich für eine Verkürzung der Monsunzeit.
Versiegender Golfstrom verringerte den Monsunregen drastisch
Dramatischere Folgen hatte die großen Mengen an Schmelzwasser, die vor 133.000 Jahren in den Atlantik strömten und die Ozeanzirkulation quasi zum Erliegen brachten: Sie verringerten die Intensität der Regenfälle des Indischen Sommermonsuns in Südwestchina drastisch. „Die Studie entschlüsselt in noch nie dagewesener Detailtreue, wie das Monsunklima damals auf die Schmelzwasserimpulse reagierte. Wir haben damit einen großen Schritt vorwärts gemacht, um die globalen Folgen des heutigen vom Menschen verursachten Klimawandels besser zu verstehen“, fasst Hubert Vonhof die Ergebnisse zusammen.