Britische und Irische Gärten - ein Winterparadies für Mönchsgrasmücken
Vogelfütterung verändert die Biologie einer Vogelart, die im Winter in britischen und irischen Gärten zu Gast ist
Normalerweise fliegen Mönchsgrasmücken in den Frühlings- und Sommermonaten nach Großbritannien und Irland um dort zu brüten, bevor sie im Herbst in den Mittelmeerraum ziehen. Seit Ende der 1960er Jahre lässt sich jedoch beobachten, dass Mönchsgrasmücken ihr Überwinterungsgebiet kontinuierlich in nördlichere Regionen ausweiten und in den Wintermonaten immer häufiger in Großbritannien und Irland anzutreffen sind. Interessanterweise sind diese Vögel keinesfalls Standvögel, die einfach das ganze Jahr über dortbleiben. Die in Großbritannien und Irland überwinternden Mönchsgrasmücken kommen aus Brutgebieten, die sich über ganz Europa erstrecken. Die Vögel brechen von dort aus jeden Herbst zu einer ungewöhnlichen Nordwestwanderung an die britischen Küsten auf.
Ehrenamtliche Vogelbeobachter unterstützen Forscher
Die Studie beruht auf Beobachtungen von 600 Mönchsgrasmücken, die mit einer einzigartigen Kombination von Farbringen an ihren Beinen markiert wurden. Farbmarkierungen sind leicht zu erkennen und können von vielen freiwilligen Gartenbeobachter gemeldet werden. Sie ermöglichen so eine genaue Betrachtung der Bewegungsmuster und des Verhaltes der in Großbritannien und Irland überwinternden Mönchsgrasmücken. Zusätzlich zu Farbmarkierungen wurden 32 Vögel mit Hilfe von Hell-Dunkel Geolokatoren beobachtet. Das sind kleine Speicherelemente, die am Rücken des Vogels befestigt werden und mit Hilfe eines kleinen Lichtsensors die Tageslänge und die Zeit des Sonnenhöchststands messen. Sie liefern so ergänzend zu den Farbringsichtungen Informationen mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung über die Bewegungsmuster der Vögel. Die im Rahmen dieser Studie beringten Mönchsgrasmücken wurden im Winter von begeisterten Vogelenthusiasten beobachtet, die ehrenamtlich an Initiativen des British Trust for Ornithology wie „Garden BirdWatch“ teilnahmen.
Die Ergebnisse zeigten, inwieweit die Ökologie der Mönchsgrasmücken durch menschliche Aktivitäten geprägt ist. Die Bereitstellung von Vogelfutter in Gärten bei kaltem Wetter hat nicht nur zu einer evolutionären Veränderung und Entwicklung neuer Zugrouten der Mönchsgrasmücken beigetragen, sondern auch das Verhalten der Vögel in ihren Überwinterungsgebieten verändert. Im Mittelmeer überwinternde Mönchsgrasmücken fressen hauptsächlich Obst und ziehen auf der Suche nach weiteren Nahrungsquellen durch die Landschaft, sobald ihr vorhandenes Nahrungsangebot aufgebraucht ist. Im Gegensatz dazu sind Mönchsgrasmücken, die in britischen und irischen Gärten überwintern, kontinuierlich und verlässlich durch bereitgestellte Futterquellen versorgt. Infolgedessen bewegen sie sich weniger bleiben standorttreuer in ihren jeweiligen Überwinterungsgebieten.
Unterschiede in Körperbau und Lebensweise
Benjamin Van Doren von der Universität Oxford sagt: „Wir waren von den klaren Unterschieden in der Anatomie und Physiologie der Vögel überrascht, je nach dem wie häufig sie in Gärten beobachtet wurden. So besitzen Mönchsgrasmücken, die häufig in Gärten beobachtet werden insgesamt geringere Fettreserven, da sie wissen, woher ihre nächste Mahlzeit kommen wird. Dieses geringere Gewicht macht sie agiler und wahrscheinlich besser in der Lage, Fressfeinden zu entkommen.“ Die Mönchsgrasmücken, die den Winter in Großbritannien und Irland verbringen, können die nötigen Fettreserven schneller auffüllen und den Frühjahrszug in ihre Brutgebiete etwa zehn Tage vor ihren Artgenossen antreten, die im Süden überwintern.
Die Forscher fanden außerdem heraus, dass das Überwintern in Gärten auch den Körperbau beeinflussen kann: Mönchsgrasmücken, die sich primär in Gärten aufhalten, besitzen längere Schnäbel und rundere Flügelspitzen, was möglicherweise mit ihrer allgemeineren Ernährung und ihrem weniger mobilen Lebensstil zusammenhängt. „Diese Studie ist ein fantastisches Beispiel für erfolgreiche Zusammenarbeit, bei der ehrenamtliche Vogelenthusiasten die Beobachtungsdaten aus ihren Gärten liefern. Damit können internationale Forschungsteams dann neue Erkenntnisse zum Verständnis der Zugstrategien und den Einfluss menschlicher Aktivitäten darauf gewinnen“, erklärt Miriam Liedvogel vom Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie und dem Institut für Vogelforschung. In einer Zeit, in der viele Arten damit zu kämpfen haben, sich an vom Menschen vermittelte Umweltveränderungen anzupassen, sind die Populationszahlen der Mönchsgrasmücke sehr stabil und sogar ansteigend. Die Fähigkeit dieser Art, sich schnell und erfolgreich an Veränderungen anzupassen, könnte dies erklären.