Communitas-Preis für Viola Priesemann

Die Max-Planck-Gesellschaft ehrt die Physikerin für ihre Wissenschaftskommunikation während der Corona-Pandemie

18. Februar 2021

Ihre Kompetenz ist gefragt. Sie berät Politikerinnen und Politiker, gibt Interviews, schreibt Stellungnahmen und publiziert ihre wissenschaftlichen Arbeiten in angesehenen Fachmagazinen. Woher Viola Priesemann ihre Energie nimmt, ist vielen ein Rätsel. Seit Anfang der Pandemie berechnet sie Szenarien, wie sich die Ausbreitung des Coronavirus Sars-CoV2 unter verschiedenen Bedingungen beschleunigt oder abschwächt. Aufgegriffen hat sie das Thema nicht zuletzt deshalb, weil sie bei den Projekten auf ähnliche mathematische Theorien setzen kann wie bei ihrer Forschung zur Informationsausbreitung im Gehirn, ihrem eigentlichen wissenschaftlichen Thema.

Der Analyse neuronaler Prozesse mit physikalisch-mathematischen Methoden widmete Viola Priesemann  sich bereits in ihrer Diplomarbeit am Max-Planck-Institut für Hirnforschung, wo sie nach ihrem Studium an der TU Darmstadt auch promovierte. Zum Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation wechselte sie nach ihrer Promotion 2013. Schon 2014 wurde sie Bernstein-Fellow und kurz darauf Max-Planck-Gruppenleiterin für Theorie Neuronaler Netze.

Von der Informationsausbreitung im Gehirn zu Corona-Modellierungen

Im April gelang es Viola Priesemann, die Wirkung des ersten Lockdows zu quantifizieren und publizierte dies im Juli im Fachmagazin „Science“. Danach widmete sie sich der Wirkung von Eindämmungsstrategien und fand heraus, dass es im Infektionsgeschehen neben einem R-Wert über 1 zu einem weiteren Kipppunkt kommen kann, wenn die Infektionszahlen so stark steigen, dass die Gesundheitsämter die Kontaktpersonen von Infizierten nicht mehr gründlich ermitteln, testen und gegebenenfalls isolieren können. Daraus leitet sie eine Eindämmungsstrategie ab, die Eingang in mehrere Stellungnahmen gefunden hat. Da das Virus an Grenzen nicht Halt macht, initiierte sie jüngst zwei interdisziplinäre Stellungnahmen um ein gemeinsames europäisches Handeln bei der Eindämmung zu erreichen – unterstützt von über tausend Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.

Tatsächlich war der Rat von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern selten so gefragt wie während der Corona-Pandemie. Die Wissenschaftskommunikation findet auch in der Tagespresse mehr Raum als sonst – und dennoch: Die Wissenschaft steckt in einem echten Dilemma. „Wir sind es gewohnt, uns bei der Suche nach Erklärungen Zeit zu lassen, und doch sind wir gezwungen, unter extremem Zeitdruck Ratschläge und Empfehlungen zu geben, unser Wissen auf Kernaussagen reduzieren, in Interviews, Talkshows oder Nachrichtensendungen“, so Max-Planck-Präsident Martin Stratmann während der Preisverleihung.

Bewundernswerte Zuversicht, Ausdauer und Geradlinigkeit

Da Menschen nach Antworten fragen, könnten sich Forschende nicht im Elfenbeinturm verstecken, sondern müssten sich den Bedürfnissen und Ängsten der Bürger stellen. „Viola Priesemann hat sich dieser Herausforderung mit bewundernswerter Zuversicht, Ausdauer und Geradlinigkeit gestellt“, so Martin Stratmann. „Sie ist drangeblieben und hat es dennoch geschafft, auf dem schmalen Grat zwischen Sachlichkeit und persönlicher Meinungsäußerung die Balance zu halten. Das halte ich für bewundernswert.“ Trotz der Komplexität der Materie habe sie ihre Arbeit fortgesetzt, ihre Modelle verfeinert und die Öffentlichkeit auf dem Laufenden gehalten.

„Wir am Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation sind alle sehr stolz auf die Rolle, die Viola Priesemann als öffentliche Stimme der Vernunft in einer Zeit gespielt hat, in der so viel Unsicherheit herrschte“, sagt Ramin Golestanian, der Geschäftsführender Direktor des Instituts.

Mit dem Max-Planck-Communitas-Preis ehrt Martin Stratmann seit 2014 außergewöhnliches Engagement für die Belange der Max-Planck-Gesellschaft. Ausgezeichnet werden Wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Mitglieder. Vor Viola Priesemann erhielten bereits folgende Wissenschaftler diese Auszeichnung: Ulrich Sieber und Rüdiger Wolfrum (2018), Reinhard Jahn (2016), Wolf Singer (2015) sowie Jürgen Renn, Robert Schlögl und Bernard Schutz (2014). Unter den nichtwissenschaftlichen Mitgliedern wurden Georg Heyne und Heinz Junkes (2019), Verena Mauch und Christane Walch-Solimena (2017) sowie Georg Botz (2014) geehrt.

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