Rezeptor beeinflusst Blutdruck und Entstehung von Atherosklerose
Glatte Muskelzellen in Blutgefäßwänden spielen entscheidende Rolle
G-Protein-gekoppelte Rezeptoren spielen eine zentrale Rolle in der Kommunikation zwischen Zellen und sind wichtige Angriffspunkte für medikamentöse Therapien. Trotz intensiver Forschung gibt es nach wie vor einzelne Rezeptoren dieser Familie, deren Funktion nicht bekannt ist. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim konnten nun die Funktionsweise eines weiteren Familienmitgliedes entschlüsseln, des GPRC5B-Rezeptors. Dieser beeinflusst die Aktivität und das Verhalten glatter Gefäßmuskelzellen und ist auf diese Weise an der Regulation des Blutdrucks und an der Entstehung der Atherosklerose beteiligt. Die Forscher planen nun Hemmstoffe zu suchen, mit deren Hilfe die Funktion des Rezeptors beeinflusst werden kann.
Blutgefäße werden gerne mit Wasserleitungen verglichen. Ein entscheidender Unterschied ist jedoch, dass Gefäßwände sehr aktiv sind. So tauschen die Zellen in der Wand Informationen mit dem Blut und den benachbarten Zellen aus. Dies geschieht über eine Vielzahl von Signalmolekülen und Rezeptoren in der Zelle als Empfänger dieser Signale. Auf diese Weise wird beispielsweise die Aktivität der glatten Muskelzellen in den Gefäßwänden und in der Folge unter anderem der Blutdruck beeinflusst. Darüber hinaus ändern glatte Muskelzellen im Zuge der Entstehung einer Atherosklerose, einer Gefäßverkalkung, ihr Aussehen und ihre Funktionsweise: Die Fähigkeit zur Kontraktion wird durch einen Abbau der Muskelproteine in den Zellen reduziert. Dieser Prozess wird als Dedifferenzierung beschrieben und wird ebenfalls über die Kommunikation von Signalmolekülen mit den Zell-Rezeptoren vermittelt.
G-Protein-gekoppelte Rezeptoren stellen mit rund 800 Mitgliedern die größte Gruppe an Rezeptoren in Zellmembranen dar. Allerdings ist bei mehr als hundert individuellen Rezeptormolekülen deren Aufgabe bislang völlig unbekannt. Wissenschaftler aus der Arbeitsgruppe von Nina Wettschureck in der Abteilung Pharmakologie am Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim konnten nun zeigen, dass ein als GPRC5B bezeichneter G-Protein-gekoppelter Rezeptor eine wichtige Rolle bei der Aktivität glatter Gefäßmuskelzellen spielt. „Auf den Rezeptor aufmerksam geworden sind wir durch Daten aus einer Genexpressionsanalyse. Diese zeigten, dass GPRC5B in glatten Gefäßmuskelzellen blutdruckregulierender Arterien verstärkt vorkommt“, so Wettschureck. Zudem ist GPRC5B auch in dedifferenzierten glatten Muskelzellen erhöht.
Die Max-Planck-Forscher untersuchten daraufhin an Mäusen, bei denen GPRC5B durch einen gentechnischen Eingriff ausgeschaltet werden kann, die Folgen dieser Inaktivierung des Rezeptors. „Im ersten Schritt stellten wir fest, dass diese Mäuse vor arteriellem Hochdruck geschützt sind“, sagte Jorge Carvalho, Erstautor der Studie. „Im zweiten Schritt fanden wir, dass die Gefäße dieser Tiere verstärkt auf Prostazyklin reagieren, eine Substanz, die zu einer Entspannung der glatten Muskelzellen und damit zu einer Erweiterung der Blutgefäße führt“.
Durch weitere Versuche an Mäusen und kultivierten Zellen gingen die Bad Nauheimer Wissenschaftler dem Mechanismus dieser Reaktion weiter auf den Grund: „Wir stellten fest, dass GPRC5B den Transport des Prostazyklin-Rezeptors zur Zelloberfläche behindert. Die Konsequenz: Tiere ohne GPRC5B haben mehr Prostazyklinrezeptoren auf der Oberfläche ihrer Glattmuskelzellen. Dieses schützt sie vor der Entstehung von Bluthochdruck zumindest teilweise“, so Carvalho. Im Experiment ließ sich dieser Schutz durch eine Blockade des Prostazyklinrezeptors wieder aufheben.
Die Forscher entdeckten zudem, dass GPRC5B auch bei der Entstehung der Atherosklerose eine Rolle spielt: „Es war bereits bekannt, dass Prostazyklin bei der Dedifferenzierung glatter Muskelzellen als einem der ersten Schritte bei der Entstehung der Atheroskerose eine Rolle spielt. In den Mäusen, in denen GPRC5B abgeschaltet war, stellten wir tatsächlich eine geringere Atheroskleroseneigung fest. Die glatten Muskelzellen blieben in einem differenzierten Zustand“, so Carvalho.
Mit der neu entdeckten Funktion des GPRC5B steht nun ein neuer Anknüpfpunkt für die Behandlung von Bluthochdruck und Atherosklerose zur Verfügung. „Das Problem hierbei ist zurzeit allerdings, dass kein Hemmstoff für GPRC5B bekannt ist. Wir kennen auch noch keine Substanz, die die Verbindung zwischen GPRC5B und dem Prostazyklin-Rezeptor unterbinden würde. Diese Verbindung wäre ein zweiter Anknüpfpunkt für eine Therapie“, sagte Wettschureck. Deshalb planen die Bad Nauheimer Forscher nun zunächst, gezielt nach Substanzen zu suchen, die in die Aktivität des GPRC5B eingreifen.
MH/NW