Molekularrezept der Milchmayonnaise

Das Mundgefühl hängt von den mikroskopischen Eigenschaften der Sauce ab

13. Dezember 2019
Ob im Kartoffelsalat oder zu Pommes Frites: Die Mayonnaise dafür muss nicht unbedingt aus Öl und Ei bestehen, sie lässt sich auch mit Öl und Milch anrühren. Wie ein Team um Thomas A. Vilgis am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz nun festgestellt hat, wird eine solche Milchmayonnaise am cremigsten, wenn sie 73 Prozent Öl enthält. Und durch Erhitzen erhält sie eine eher puddingartige Konsistenz. Diese Rezepturen haben die Forscherinnen und Forscher in einer Studie ermittelt, in der sie den Zusammenhang zwischen dem Mischungsverhältnis, der Mikrostruktur und dem Mundgefühl der Sauce untersucht haben.

Milchmayonnaise kann jeder leicht herstellen: einfach mit einem Rührgerät Öl und Milch cremig schlagen – fertig ist die Sauce. Auf molekularer Ebene spielen hierbei die beiden Emulgatoren Kasein und Molke eine entscheidende Rolle. Sie sorgen dafür, dass sich Öl gut in der größtenteils aus Wasser bestehenden Milch lösen kann. Molke beispielsweise ist ein Molekül, das in roher Milch in einem zusammengefalteten beziehungsweise verknäulten Zustand vorliegt. Verrührt eine Köchin oder ein Koch Milch mit Öl, entfaltet sich das Molekül und legt sich um die winzigen Öltröpfchen, die beim Schlagen in der wässrigen Milch entstehen. So bleibt das Öl fein verteilt in der Milch – das Resultat ist eine Mayonnaise.

„Für eine feste Mayonnaise wird ein Ölanteil von mindestens 68 Prozent benötigt, am cremigsten wird sie mit 73 Prozent Öl“, sagt Thomas Vilgis, Gruppenleiter der „Food-Science“ Gruppe im Arbeitskreis von Kurt Kremer. Entscheidend für die Textur der Mayonnaise, also dafür, wie cremig sie im Mund wirkt, ist die Größe der Öltröpfchen. „Die Größe der Tröpfchen hängt direkt mit dem Mischungsverhältnis zwischen Öl und Milch zusammen“, so Vilgis. „Größe und Anzahl beeinflussen direkt, wie frei sich ein einzelnes Öltröpfchen bewegen kann beziehungsweise wie stark es zwischen anderen Tröpfchen eingesperrt ist“.

Die Zunge befreit die Öltröpfchen aus ihrem Käfig

Kleinere Tröpfchen können sich viel enger zusammenlagern. Jedes Tröpfchen wird also von anderen, direkt benachbarten Tröpfchen wie in einer Art Käfig eingesperrt. Das erschwert es dem Öltröpfchen, sich zu bewegen. So wird die Mayonnaise fest. Erst wenn eine ausreichend große Kraft auf die einzelnen Tropfen wirkt, zum Beispiel wenn beim Essen die Zunge gegen sie drückt, befreien sie sich aus ihrem Käfig und fließen gegeneinander: Die ursprünglich feste Mayonnaise wird cremig. Solche Vorgänge, bei denen die Sauce etwa Scherkräften ausgesetzt ist, beobachten die Forscherinnen und Forscher im Labor mit einem Rheo-Mikroskop.

„Will man die Mayonnaise noch weiter stabilisieren, kann man sie auf 65 bis 70 Grad erwärmen“. Beim Erwärmen bilden sich an den Molkeproteinen, welche die Öltröpfchen umhüllen, freien Bindestellen, die sich mit benachbarten Molkeproteinen verbinden – ähnlich wie sich Puzzleteile mit anderen Puzzleteilen zu einem Bild zusammenfügen. Dabei werden die Öltröpfchen in einem Proteinnetz festgezurrt. Die auf diese Art hergestellte Masse hat dann, so Vilgis, eher die Textur eines weichen, cremigen und doch gelierten Puddings als von Mayonnaise, besteht aber noch aus den gleichen Inhaltsstoffen.

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