Schwebfliegen auf Reisen

Viele Milliarden Schwebfliegen pendeln jedes Jahr zwischen Großbritannien und dem europäischen Festland

Das Leben auf der Erde ist ständig in Bewegung: Viele Tierarten ziehen im Rhythmus der Jahreszeiten von den Winter- in die Sommerlebensräume. Darunter sind auch viele Insekten – neusten Erkenntnissen zufolge auch Schwebfliegen. Wissenschaftler der Universität Exeter haben die Bewegungsmuster der Insekten in Großbritannien untersucht und herausgefunden, dass jedes Jahr bis zu vier Milliarden Individuen nach und von Großbritannien fliegen. Die Schwebfliegen warten im Frühjahr auf günstige Winde, bevor sie in einer Höhe von bis zu 1000 Metern vom europäischen Festland auf die britische Insel fliegen. Im Herbst kehren sie dann wieder über den Ärmelkanal aufs Festland zurück.

Schwebfliegen gehören im Unterschied zu Wespen und Bienen, mit denen sie häufig verwechselt werden, zu den Fliegen. Sie sind nach den Bienen die zweitwichtigsten Bestäuber. Da sich die Larven zudem von verschiedenen Blattlausarten ernähren, haben die Insekten für den Menschen enorme Bedeutung.

Forscher der Universitäten in Exeter, Greenwich und Nanjing haben die Flugbewegungen von zwei Schwebfliegenarten untersucht: der Hainschwebfliege (Episyrphus balteatus) und der Gemeinen Feldschwebfliege (Eupeodes corollae). Sie nutzten dafür spezielle, für die Beobachtung von Insekten ausgelegte Radargeräte. „Unsere Analyse zeigt, dass jedes Jahr bis zu vier Milliarden Schwebfliegen nach Großbritannien fliegen und die Insel wieder verlassen“, sagt Myles Menz, der inzwischen am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Konstanz forscht. "Das sind deutlich mehr als wir erwartet hatten", fügt Karl Wotton hinzu, der derzeit an der Universität Exeter forscht.

Tonnenweise Nährstoffe

Angesichts der enormen Zahl gehen die Forscher davon aus, dass Schwebfliegen in Großbritannien viele Milliarden Blüten bestäuben, und ihre Larven bis zu zehn Billionen Blattläuse fressen. Außerdem transportieren die Insekten auf ihrem Flug Milliarden von Pollenkörnern und verteilen viele Tonnen Nährstoffe zwischen Großbritannien und Europa. Schwebfliegen könnten folglich ein Schlüssel zum Erhalt der Bestäubungsleistung durch Insekten und damit dem Erhalt der Biodiversität auf der Erde sein.

Während ihres etwa einen Monat währenden Lebens kann ein Schwebfliegen-Weibchen bis zu 400 Eier legen. Nach ihrer Ankunft in Großbritannien vermehren sich die Insekten offenbar erfolgreich. Trotz hoher Verluste durch Fressfeinde und Parasiten fliegen im Herbst rund eine Milliarde mehr Schwebfliegen zurück aufs Festland als im Frühjahr angekommen sind. Das entspricht etwa 28 Tonnen Biomasse. „Großbritannien ist also ein Netto-Exporteur von Schwebfliegen", Jason Chapman von der Universität Exeter.

Stabile Bestände

Die Beobachtungen ergaben zudem, dass die Zahl migrierender Schwebfliegen von Jahr zu Jahr erheblich schwanken kann. Einen eindeutigen Trend haben die Forscher jedoch nicht festgestellt. Offenbar ist die Zahl der Schwebfliegen also in den letzten zehn Jahren relativ stabil geblieben. Viele andere Insekten haben dagegen in den letzten Jahrzehnten stark abgenommen: Mehr als 40 Prozent der Arten weltweit sind heute vom Aussterben bedroht. „Wir wissen aus Studien, dass migrierende Insekten in der Regel nicht so stark zurückgehen wie an einem Ort lebende Arten. Wahrscheinlich können sie dank ihrer Mobilität die für sie besten Lebensräume ausfindig machen“, erklärt Chapman.

Zugvögel gehören zu den bekanntesten Beispielen wandernder Tierarten. Zudem legen viele Fische und Säugetiere im Laufe eines Jahres weite Strecken zurück. Aber auch Insekten gehören zu den Langstreckenziehern. Das bekannteste Beispiel ist der Monarchfalter, der auf dem Weg zwischen seinen Brut- und Überwinterungsgebieten in Nordamerika und Mexiko viele tausend Kilometer zurücklegt. Falter wie der Distelfalter oder der Admiral fliegen im Frühjahr aus Afrika und Südeuropa bis nach Mittel- und Nordeuropa.

HR

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