Unordnung in der Leber

Bei einer Fettleber ändert sich die Verteilung und Aktivität von Proteinen

22. Oktober 2018
Eine dauerhaft erhöhte Kalorienzufuhr führt zur Einlagerung von Fetttröpfchen in der Leber. Diese sogenannte Fettleber kann das Organ nachhaltig schädigen. Forscher am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried bei München haben jetzt die Auswirkungen der Krankheit auf die Leberproteine untersucht. Sie haben nachgewiesen, dass die Lokalisierung und Aktivität zahlreicher Proteine in der Zelle bei der Fettleber verändert sind. Die Studie zeigt den Effekt der Fetteinlagerung auf grundlegende zellbiologische Prozesse der Leber.

Die kalorien- und fettreiche Ernährung in vielen Weltregionen, inklusive Europa und Nordamerika, kann zu vielfältigen gesundheitlichen Problemen führen. Durch das häufig entstehende Übergewicht wird das Herz-Kreislauf-System stark belastet, aber auch die Leber kann durch diese Ernährung geschädigt werden. Es wird geschätzt, dass ungefähr 30 Prozent der Bevölkerung von einer sogenannten Fettleber betroffen sind. Dies bezeichnet eine zunächst reversible Einlagerung von Fetttröpfchen in die Leberzellen. Langfristig kann die Fetteinlagerung zu einer Entzündung und irreversiblen Schäden der Leber führen.

Forscher um Matthias Mann, Direktor am Max-Planck-Institut für Biochemie haben die Auswirkungen der Fetttröpfchen auf die Biologie der Leberzellen jetzt näher untersucht. Die Studie entstand in Zusammenarbeit mit der Gruppe von Ralf Jungmann am Max-Planck-Institut in Martinsried sowie mit Wissenschaftlern vom Helmholtz-Zentrum München und der Universität Harvard, USA.

Unordnung in der Proteinverteilung

Die Leber ist eines der vielseitigsten Organe des Menschen. Neben der Entgiftung des Bluts nimmt sie eine zentrale Rolle im Stoffwechsel von Zuckern, Eiweißen und Fetten ein. Die Nahrungsbestandteile können vorübergehend in Leberzellen gespeichert werden. Leberzellen, wie auch die meisten anderen Zellen von hoch entwickelten Lebewesen, besitzen verschiedene Organellen. Dies sind funktionell und strukturell abgegrenzte Bereiche innerhalb der Zellen. Die Forscher nutzen moderne Methoden der Massenspektrometrie, um die Gesamtheit der Proteine, das Proteom, der Zellorganellen zu bestimmen. Die Massenspektrometrie ist eine Art molekulare Waage, mit der Proteine identifiziert werden.

Die Forscher haben die Proteinzusammensetzung der Organellen aus Leberproben von normal und kalorienreich ernährten Mäusen analysiert. Ähnlich wie bei Menschen führt eine erhöhte Kalorienzufuhr bei Mäusen zu einer Verfettung der Leber. „Bei 20 Prozent der Proteine konnten wir zeigen, dass sie durch die Fettleber in anderen Organellen vorkamen als bei gesunden Organen. Die Fetttröpfchen in den Zellen binden an ihrer Oberfläche hunderte verschiedene Proteine. Diese werden dadurch von anderen Prozessen und Organellen abgezogen“, erklärt Natalie Krahmer, Postdoktorandin am Max-Planck-Institut für Biochemie und Erstautorin der Studie. Sie ergänzt: „Die entstehende Unordnung zeigt, dass es nicht nur wichtig ist, ob und in welcher Menge Proteine in Zellen vorkommen, sondern auch wo.“ An den Fetttröpfchen fanden die Forscher zudem Proteine, deren Funktion noch gänzlich unbekannt ist.

Anstoß für einen Teufelskreis

Besonders stark betroffen von den Ortsänderungen waren die Proteine des Golgi-Apparats. Der Golgi-Apparat ist ein Zellorganell, das für die Bildung von Transportbläschen in der Zelle verantwortlich ist. „Wir konnten einen Teufelskreis beobachten: Durch die hohe Zahl der Fetttröpfchen ist die Struktur des Golgi-Apparats verändert und die Aktivität in den Leberzellen reduziert. Da der Golgi-Apparat aber für das Ausscheiden von Fett aus der Zelle notwendig ist, was der Zellverfettung entgegenwirkt, schreitet der Prozess daher umso schneller fort. Daher könnte die Wiederherstellung der Golgi-Struktur ein Therapieziel sein, um die Leberverfettung auszubremsen“, so Krahmer.

Zusätzlich haben die Forscher mithilfe der am Max-Planck-Institut entwickelten Methode EasyPhos das Auftreten von molekularen Proteinschaltern untersucht, sogenannten Phosphorylierungen. Durch Phosphorylierungen kann die Aktivität von Proteinen geändert werden. Viele der Proteine, deren Lokalisierung in der Fettleber verändert war, hatten auch Veränderungen der Phosphorylierung. „Aus den Ergebnissen können wir jedoch nicht schließen, ob dies Folge oder Ursache der veränderten Lokalisierung ist“, erläutert Krahmer.

Max-Planck-Direktor Matthias Mann fasst die aktuellen Forschungsergebnisse zusammen: „Momentan gibt es – abgesehen von Ernährungsveränderungen – keine Therapieoptionen für die Fettleber. Die zellbiologischen Auswirkungen waren aber auch noch weitgehend unverstanden. Durch unsere Ergebnisse können hoffentlich Therapieziele identifiziert werden, mit denen sich das Fortschreiten der Leberverfettung aufhalten lässt.“ Anknüpfungspunkte für weitere Forschung gäbe es mit der Beeinflussung des Golgi-Apparats, den unbekannten Proteinen an den Fetteinlagerungen und der veränderten Phosphorylierung jedenfalls genug.

CW

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