Ein chemisches Kriterium für die Filmfreigabe

Die Isopren-Konzentration in der Luft gibt objektive Hinweise, für welches Alter eine Produktion zugelassen werden sollte

Für die Altersfreigabe von Filmen gibt es jetzt ein messbares Kriterium. Wie eine Gruppe von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz festgestellt hat, lässt sich aus der Isopren-Konzentration in der Luft des Kinosaals ablesen, wie die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft einen Film klassifiziert hat. Menschen geben offenbar desto mehr Isopren ab, je nervöser und angespannter sie sind. Daraus lässt sich ableiten, wie belastend ein Film für Kinder und Jugendliche sein kann.

Ab welchem Alter Kinder einen Kinofilm gucken dürfen, beruht bislang auf subjektiven Urteilen. In Deutschland entscheidet darüber ein Gremium der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK), nachdem es die Inhalte eines Films sorgfältig geprüft hat. Einige Filme wie „Der König der Löwen“ sind für jedes Alter freigegeben, andere wie „Harry Potter“, „Star Wars“ oder „Dracula“ eignen sich erst für Zuschauer ab 6, 12, 16 oder 18 Jahren. Die Klassifizierung ist aber letztlich recht subjektiv.

Forscher des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz haben nun eine Methode entwickelt, mit der sich auch objektiv bewerten lässt, ab welchem Alter Kinder und Jugendliche einen Film schadlos gucken können. Dafür haben die Wissenschaftler bei 135 Filmvorführungen elf verschiedener Filme die Luftzusammensetzung im Kinosaal und dabei auch die Konzentration flüchtiger organischer Verbindungen, kurz VOC für Volatile Organic Compounds, gemessen. Beteiligt waren dabei insgesamt über 13.000 Zuschauer. Das Ergebnis: Die Isopren-Werte spiegelten für eine Vielzahl von Filmgenres und Altersgruppen zuverlässig wieder, für welches Alter ein Film freigegeben ist. „Isopren scheint ein gutes Maß für die Anspannung einer Gruppe sein", sagt Jonathan Williams, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Chemie. „Unser Ansatz kann also objektive Hinweise geben, wie Filme klassifiziert werden sollten.“

Isopren wird frei, wenn wir uns bewegen

Isopren entsteht beim Stoffwechsel und wird im Muskelgewebe gespeichert. Wenn wir uns bewegen, wird es über den Blutkreislauf und die Atmung, aber auch über die Haut freigesetzt. „Offenbar rutschen wir im Kinosessel unwillkürlich hin und her oder spannen Muskeln an, wenn wir nervös und aufgeregt sind“, erklärt Jonathan Williams. Wie buchstäblich angespannt das Publikum einen Film verfolgt, liefert wiederum ein gutes Indiz dafür, wie belastend der Streifen auf Kinder und Jugendliche wirkt.

Wenn die neue Methode bei einem repräsentativ zusammengesetzten Publikum angewendet würde, könnte sie in umstrittenen Fällen helfen zu entscheiden, ab welchem Alter ein Film freigegeben wird. Zudem können die Messungen auch Aufschluss darüber geben, wie sich die Reaktionen der Zuschauer und die Maßstäbe für die Altersfreigabe im Laufe der Zeit verändern.

Hinterlassen unsere Gefühle einen chemischen Fingerabdruck in der Luft?

Um die chemischen Hinweise für die Altersfreigabe aufzuspüren, haben die Wissenschaftler ein Massenspektrometer an die Belüftungsanlage des Kinosaals angeschlossen. Mit dem Messgerät, mit dem sich Substanzen identifizieren lassen, maßen sie während einer Filmvorführung alle 30 Sekunden, wie sich die Zusammensetzung der Kinoluft änderte. Die Konzentration von 60 Verbindungen analysierte das Team auf diese Weise. Auf Basis der Messungen hat das Team anschließend ein Modell erstellt, das die Daten, wie häufig und in welchen Mengen die Zuschauer die Substanzen abgeben, mit der Altersklassifikation in Relation setzt.

Der eindeutige Zusammenhang, den sie dabei für Isopren fanden, hat Jonathan Williams nun auf eine neue Forschungsidee gebracht: Er möchte untersuchen, ob wir mit den flüchtigen organischen Verbindungen, die wir abgeben, nicht nur einen chemischen Fingerabdruck unserer Anspannung, sondern auch anderer Gefühlslagen in der Luft hinterlassen. Während der Kinofilme konnte sein Team das noch nicht eindeutig klären, weil dabei Szenen, die sehr unterschiedliche Emotionen hervorrufen, sehr schnell aufeinanderfolgen und ihre möglichen chemischen Spuren in der Luft so verwischen. Mit Messungen unter kontrollierten Laborbedingungen will Jonathan Williams der Frage nach der Gefühlsspur in der Luft aber nun gründlich nachgehen.

NM

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