Die Außeruniversitären haushalten ordentlich
Der Bundesrechnungshof irrt mit seiner Kritik an den Außeruniversitären. Das Übertragen von Fördermitteln in kommende Jahre ist sinnvoll, um große Vorhaben anschieben zu können, schreibt Martin Stratmann in einem Gastbeitrag für den "Tagesspiegel".
Der Bundesrechnungshof hat in seinem jüngsten Bericht an den Haushaltausschuss des Bundestages schwere Vorwürfe gegenüber den vier außeruniversitären Forschungseinrichtungen, der Helmholtz- und Leibniz-Gemeinschaft sowie der Fraunhofer- und Max-Planck-Gesellschaft, erhoben. Von einem „drastischen Anstieg“ von „Rückstellungen“ auf einen „Rekordwert von über eine Milliarde Euro“ aus „nicht primär wissenschaftsspezifischen Gründen“ beziehungsweise „für noch nicht ausreichend umsetzungsreife Projekte“ ist die Rede. Das könnte den Eindruck erwecken, hier werde über den Bedarf hinaus gefördert. „Außeruniversitäre horten Bundesmittel“, lautete der Titel des "Tagesspiegel"-Artikels vom 26. Juni 2017.
Die vier Forschungseinrichtungen beziehen den überwiegenden Teil ihrer Budgets von Bund und Ländern und damit vom Steuerzahler. Bei der Max-Planck-Gesellschaft sind das 1,63 Milliarden Euro, die 2017 zur Finanzierung der 84 Max-Planck-Einrichtungen zur Verfügung stehen. Dank des Wissenschaftsfreiheitsgesetzes verfügen wir bei der Verwendung dieser Mittel über ein hohes Maß an Flexibilität. Dazu gehört, dass Haushaltsmittel nicht bis zum Ende des Jahres ausgegeben werden müssen (kein „Dezemberfieber“ mehr), sondern mit Blick auf mittel- und langfristige Aktivitäten auch übertragen werden dürfen.
Solche überjährigen Dispositionsmöglichkeiten – Bund und Länder sprechen von Selbstbewirtschaftungsmitteln – braucht jeder private wie öffentliche Haushalt, um in größere Projekte investieren zu können. Auf die Summe von einer Milliarde Euro kommt man jedoch nur, wenn man zur Berechnung dieser Selbstbewirtschaftungsmittel den Kontostand einer Organisation zum Ende des Jahres heranzieht. Doch die eine oder andere Rechnung aus dem Vorjahr wird noch im Januar des Folgejahres wirksam. Und so wies der Kontostand der Max-Planck-Gesellschaft beim Bund am 31. Dezember 2016 zwar 158,5 Millionen Euro auf. Die Summe der überjährigen Mittel war jedoch viel geringer: Sie liegt bei 101 Millionen Euro. Alle unsere Mittel sind zudem in der mittelfristigen Finanzplanung hinterlegt; das Budget des vergangenen Jahres wurde zu 99 Prozent ausgegeben.
Herausragende Wissenschaftler sind nicht immer leicht zu gewinnen
Warum sind solche überjährig verfügbaren Mittel für die Planungen so wichtig? Zum einen lassen sich Berufungen nicht immer in dem geplanten Zeitrahmen realisieren. Herausragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind nicht leicht zu gewinnen. Es ist nicht nur viel Geld für die Forschung in die Hand zu nehmen. Es muss auch das Umfeld stimmen, einschließlich der Fragen, wo der Partner arbeitet und wie Kinder betreut werden. Zum anderen ändert sich mit jeder neuen Berufung die inhaltliche Ausrichtung gegebenenfalls eines ganzen Instituts, was neue Mitarbeiter, neue Infrastrukturen bis hin zu neuen Gebäuden erfordert. Um ein Beispiel zu nennen: Die Umwidmung des ehemaligen MPI für Metallforschung in Stuttgart in ein MPI für Intelligente Systeme ist ein seit fünf Jahren andauernder Prozess. Diese Woche wird das zweite Forschungsgebäude auf dem Campus in Tübingen eingeweiht. Drei Direktorinnen und Direktoren aus den USA wurden im Zuge der Neuausrichtung bisher berufen.
Kurzum, es geht nicht um eine unnötige und intransparente Anhäufung von Mitteln, sondern um die Realisierung von großen Vorhaben, die sich, das zeigen auch andere Baustellen in dieser Republik, nicht so rasch schließen lassen.
Eine Detailsteuerung ist unnötig
Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat nun beschlossen, mehr Transparenz bei der Verwendung der Selbstbewirtschaftungsmittel einzufordern. Von Projekten ab 15 Millionen Euro aufwärts sollen konkrete Pläne vorgelegt werden. Das ist legitim, darf jedoch nicht am Ende in eine Detailsteuerung führen, wie sie der Bundesrechnungshof in seinem Bericht skizziert. So sollen Wissenschaftsorganisationen bereits in haushalterischen Kategorien wie „verbindlichen Stellenplänen“ denken, bevor eine Idee erfolgreich aufgesetzt ist. Das würde uns in ein immer engeres Handlungskorsett zwingen und am Ende die Kosten der Administration zulasten einer qualitätsvollen Forschung, die wirklich Neues wagt, erhöhen.
Je strategiefähiger Wissenschaftsorganisationen arbeiten und je erfolgreicher sie international mithalten wollen, umso mehr benötigen sie einen langfristigen finanziellen Planungsrahmen. Sorgfalt und Exzellenz gehen hier vor Schnelligkeit und verhindern damit gerade eine unzulässige Verschwendung von Steuergeld.
Erschienen als Gastbeitrag im „Tagesspiegel“, 11. Juli 2017. Online hier zu finden.