Teilchen auf Touren

Schwarze Löcher, Pulsare, Explosionswolken ehemaliger Sterne – diese Himmelskörper beschleunigen Partikel auf enorme Energien und senden hochenergetische Gammastrahlung aus. Mit den beiden Observatorien H.E.S.S. und MAGIC, die unter der Leitung der Max Planck-Institute für Kernphysik in Heidelberg und für Physik in München entstanden sind, wird dieser extreme Spektralbereich zugänglich.

Text: Thomas Bührke

Fragt man Werner Hofmann nach den jüngsten Entdeckungen des H.E.S.S.-Observatoriums, kommt er recht schnell auf eine kürzlich abgeschlossene Himmelsdurchmusterung zu sprechen. „Nach insgesamt 3000 Stunden Beobachtungszeit, verteilt über zehn Jahre, haben wir 77 neue Himmelskörper gefunden, die wir in diesem Energiebereich bisher nicht kannten“, sagt der Direktor am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg. Unter seiner Leitung ist das Observatorium entstanden, wofür er vielfach ausgezeichnet wurde, zuletzt mit der renommierten Stern-Gerlach-Medaille der Deutschen Physikalischen Gesellschaft.

Dieser eine Satz umreißt die Schwierigkeiten, mit denen die Astrophysik mit Hochenergie-Gammastrahlen zu kämpfen hat: Man benötigt sehr viel Zeit, um die schwache Strahlung beobachten zu können – und die größten Teleskope der Welt. Außerdem ist dafür noch ein Trick notwendig, mit dem auch H.E.S.S. arbeitet, das High Energy Stereoscopic System.

Die Gammastrahlen können die Erdatmosphäre nicht passieren, dennoch machen sie sich am Boden bemerkbar. Dringen sie in die Luft ein, kommt es nämlich zu einem fulminanten physikalischen Schlagabtausch mit den elektrischen Feldern von Atomen. Hierbei entstehen neue Teilchen, die lawinenartig in Richtung Erdboden weiterfliegen. Einzelne geladene Teilchen rasen dabei schneller als das Licht.

Das klingt erstaunlich, aber die Lichtgeschwindigkeit in der Luft ist ein klein wenig geringer als im Vakuum. So wird auch nicht Einsteins Gesetz verletzt, wonach sich kein Körper schneller als mit der Vakuum Lichtgeschwindigkeit bewegen kann. Diese Teilchen erzeugen in der Luft aber einen nur wenige milliardstel Sekunden lang dauernden Blitz, gewissermaßen einen „Überlichtknall“.

Diese sehr schwache Tscherenkow-Strahlung lässt sich mit großen Teleskopen am Boden beobachten. Die Hochenergie-Gammaastronomie verwendet also die Atmosphäre wie einen riesigen Leuchtschirm. Der Tscherenkow-Lichtfleck besitzt am Boden einen Durchmesser von 250 bis 500 Metern. Befindet sich darin ein Teleskop, so lassen sich aus der Orientierung und der Intensität des Blitzes die Herkunftsrichtung und die Energie der Gammastrahlung bestimmen.

Das im Hochland Namibias gelegene H.E.S.S.-Observatorium besteht aus vier Teleskopen mit jeweils zwölf Meter großen Sammelspiegeln sowie einem 28 Meter durchmessenden Reflektor. Das Pendant MAGIC – Major Atmospheric Gamma-Ray Imaging Cherenkov Telescopes – steht auf dem 2400 Meter hohen Berg Roque de los Muchachos auf der Kanareninsel La Palma. Es verfügt über zwei Teleskope mit jeweils 17 Meter großen Sammelspiegeln.

Zwei Observatorien entdecken 139 Quellen

„MAGIC und H.E.S.S. haben zusammen die gesamte nördliche und südliche Hemisphäre im Blick“, sagt Masahiro Teshima, Direktor am Münchner Max-Planck-Institut für Physik. Aber auch in ihren Fähigkeiten ergänzen sich die beiden Observatorien ein wenig: „Die MAGIC-Teleskope können wegen des stereoskopischen Sehens und der großen Spiegel noch Strahlung mit geringerer Energie empfangen als H.E.S.S. Dafür ist H.E.S.S. bei sehr hohen Energien empfindlicher und verfügt über größere Detailschärfe“, sagt Teshimas Kollege David Paneque, der für die Koordination der wissenschaftlichen Arbeiten von MAGIC verantwortlich zeichnet.

Von allen bisher bekannten 178 Himmelskörpern, die hochenergetische Gammastrahlung aussenden, wurden allein 105 mit H.E.S.S. und 34 mit MAGIC entdeckt – ein Erfolg, für den H.E.S.S. 2009 unter die Top-10-Observatorien weltweit eingestuft wurde, zusammen mit dem Weltraumteleskop Hubble.

Die Gammaquellen zeugen von den heftigsten Ereignissen im Kosmos, etwa von Sternexplosionen und deren Folgen. Hat ein Stern am Ende seines Lebens seinen Brennstoff verbraucht, so setzt die Energieproduktion aus. Der Zentralbereich bricht in Sekundenbruchteilen unter der Wirkung der Schwerkraft in sich zusammen. Die äußeren Bereiche explodieren hingegen, schießen ins All hinaus und leuchten hell auf. Eine Supernova erstrahlt.

Besitzt der zusammenbrechende Kern nicht mehr als drei Sonnenmassen, so bildet sich ein Neutronenstern – eine extrem kompakte, schnell rotierende Kugel mit 20 Kilometer Durchmesser. In einem solchen Objekt ist die Materie so stark komprimiert, dass ein Teelöffel davon auf der Erde so viel wöge wie eine Million Fernverkehrszüge.

Bei diesem Kollaps wird auch das Magnetfeld des ehemaligen Sterns zusammengepresst. Dieses Dipolfeld ähnelt in der Form dem unserer Erde mit Nord- und Südpol, ist aber milliardenfach stärker und rotiert millionenfach schneller. Nach den heutigen Vorstellungen reißen sich dabei elektrisch geladene Teilchen vom Stern los und werden entlang der Magnetfeldachse bis nahe an die Lichtgeschwindigkeit in den Raum hinein beschleunigt.

Dieser Prozess produziert auf komplexe Weise Strahlung, vornehmlich in Bewegungsrichtung – wie ein Autoscheinwerfer. Dadurch erzeugt der Teilchenschwarm zwei Lichtkegel, die jeweils vom Nord- und vom Südpol des Neutronensterns in den Weltraum ragen.

In vielen Fällen ist die Magnetfeldachse gegenüber der Rotationsachse geneigt. Dadurch streichen die beiden Lichtkegel wie die Scheinwerfer eines Leuchtturms durchs All. Treffen sie auf die Erde, registrieren die Teleskope Strahlungspulse mit der Rotationsfrequenz des Körpers. In diesem Fall sprechen Astrophysiker von einem Pulsar. Diese Objekte gelten als kosmische Labore, in denen sich physikalische Vorgänge und Theorien unter Extrembedingungen testen lassen.

Im Jahr 1989 entdeckten Astrophysiker erstmals einen Himmelskörper im hochenergetischen Gammabereich. Es war der Krebsnebel – die Explosionswolke einer Supernova, deren Aufleuchten ein flandrischer Mönch im April 1054 als Erster entdeckte. Im Zentrum des auch Krabbennebel genannten Gebildes sitzt ein Pulsar, der 30-mal pro Sekunde um die eigene Achse rotiert. Der Krebsnebel lässt sich heute in allen Spektralbereichen von den Radiowellen über sichtbares Licht bis hin zu energiereichen Gammastrahlen beobachten. Er gilt als der am besten untersuchte Supernova-Überrest. Dennoch gibt er immer wieder neue Rätsel auf.

Das Magnetfeld spielt die zentrale Rolle

So empfingen die Forscher von dem Objekt mit MAGIC kürzlich gepulste Gammastrahlen mit einer Rekordenergie von 1,5 Billionen Elektronenvolt oder 1,5 Teraelektronenvolt (TeV). Das ist die energiereichste gepulste Strahlung, die je an einem Stern gemessen wurde. Zum Vergleich: Sichtbares Licht besitzt eine Energie von zwei bis drei Elektronenvolt.

Für die Anfang 2016 veröffentlichten Ergebnisse musste das MAGIC-Team 320 Beobachtungsstunden aus der Zeit von Oktober 2007 bis April 2014 auswerten. „Klar ist nur, dass das sehr starke Magnetfeld des Krebspulsars die zentrale Rolle spielt“, sagt Razmik Mirzoyan, Sprecher der MAGIC-Kollaboration und Projektleiter am Münchner Max-Planck Institut für Physik.

Um die Funktionsweise dieses kosmischen Beschleunigers aufzudecken, ist die Zusammenarbeit von Astro- und Teilchenphysikern gefragt. Sie kommen zu dem Schluss, dass in dem Magnetfeld Elektronen und ihre Antiteilchen – Positronen genannt – nahezu auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden und schließlich zerstrahlen. Doch dieser Prozess kann wohl nur Gammastrahlen mit Energien bis zu einigen Milliarden Elektronenvolt (GeV) erklären. Für die jüngst beobachteten Gammapulse muss ein anderer Mechanismus ursächlich sein.

Die Forscher vermuten derzeit, dass etwa 1500 Kilometer über der Oberfläche des Pulsars energiereiche geladene Teilchen mit Photonen der UV- und Röntgenstrahlen ein „reaktives Gemisch“ bilden, in dem die Partikel ihre Energie auf die Photonen übertragen und zu energiereichen Gammaquanten hochtransformieren. Inverser Comptoneffekt heißt dieser Prozess.

Die mit H.E.S.S. und MAGIC empfangene Gammastrahlung ist also ein Sekundäreffekt. Die eigentliche Ursache sind Teilchen, die unter extremen kosmischen Bedingungen beschleunigt werden. Da kein Umwandlungsprozess perfekt ist, gehen die Wissenschaftler davon aus, dass die primären Teilchen mehr Energie besitzen als die von ihnen erzeugte Gammastrahlung.

In der umgebenden Explosionswolke, die sich mit 1500 Kilometern pro Sekunde ausdehnt, geht es turbulent zu. Auch sie ist ein effizienter Beschleuniger. Diese heiße Gaswolke ist von Magnetfeldern durchzogen, die sich mit ihr vom Stern fortbewegen. Dabei kommt es zu einem nuklearen Tischtennisspiel: Elektrisch geladene Teilchen, vor allem Wasserstoffkerne (Protonen), werden zwischen Magnetfeldfronten hin und her geworfen und gewinnen dabei ständig an Energie – bis sie so schnell sind, dass sie diesem Pingpong entfliehen können. Dieser Vorgang funktioniert nur dann, wenn sich die Magnetfelder bewegen.

Gefangenschaft dauert einige Jahrhunderte

„Bis vor Kurzem hatten wir erwartet, dass die Teilchen über Jahrtausende hinweg in dem Nebel gefangen bleiben, bevor sie entweichen können“, erklärt Jim Hinton, der am Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik die Abteilung „Nichtthermische Astrophysik“ leitet. „Nach unseren Messungen entkommen sie aber schon nach Jahrhunderten.“

Diese Ergebnisse sind wahrscheinlich auch für die Entwicklung der Milchstraße relevant, wie aktuelle Modelle nahelegen. Die ultraschnellen Teilchen reißen irgendwann ihren Beschleunigern aus und bilden ein in der gesamten Galaxis verteiltes Gas. „Computersimulationen deuten darauf hin, dass die ultraschnellen Protonen einen Druck ausüben und interstellare Wolken auflösen können“, erklärt Hinton. Das würde bedeuten, dass die kosmischen Teilchen die Sternentstehung in einer Galaxis unterdrücken. Diese Studien stehen noch ganz am Anfang, zeigen aber, dass der Einfluss der Partikel auf die Evolution des Universums noch längst nicht verstanden ist.

Die Protonen und Elektronen schwirren überall in der Milchstraße umher und treffen dabei unter Umständen auch auf die Erde. Diese kosmische Strahlung entdeckte vor mehr als 100 Jahren der österreichische Physiker Victor Franz Hess (1883 bis 1964) auf Ballonfahrten. An ihn erinnert auch der Name der Teleskopanlage in Namibia. Die bisher bekannten Himmelskörper erzeugen zwar kosmische Strahlung mit Energien bis zu 100 Billionen Elektronenvolt (100 TeV). Es werden aber Partikel mit sehr viel höheren Energien gemessen. Woher kommen sie?

Eine Teilantwort lieferte H.E.S.S. Anfang 2016. Eine Analyse von Messdaten aus den Jahren 2004 bis 2013 bewies, dass aus dem Zentrum unserer Milchstraße Gammastrahlung mit so hoher Energie kommt, dass dort ein Beschleuniger Protonen auf bis zu 1000 Billionen Elektronenvolt (1 Petaelektronenvolt) bringt. Die Forscher sprechen deshalb von einem Pevatron (MaxPlanckForschung 1/2016, Seite 42).

Nach derzeitiger Erkenntnis ist ein gigantisches schwarzes Loch Ursache dieser Strahlung. Denn viele astronomische Beobachtungen haben in den vergangenen 20 Jahren mit wachsender Genauigkeit gezeigt, dass sich unsere Milchstraße um ein schwarzes Loch dreht, das eine Masse von rund 4,5 Millionen Sonnen in sich birgt. Dieses Sagittarius A* genannte Objekt ist von einer heißen Gasscheibe umgeben, aus der es Materie ansaugt und verschluckt.

Die H.E.S.S.-Forscher schließen aus den Daten, dass der kosmische Beschleuniger im galaktischen Zentrum über einige 10.000 Jahre hinweg kontinuierlich gearbeitet hat. Wie und wo die Teilchen genau auf Touren gebracht werden, ist indes unklar. Dies geschieht entweder in der unmittelbaren Nähe des schwarzen Lochs oder in der umgebenden Scheibe, wo ein Teil der Materie, die in Richtung des Massemonsters fällt, wieder herausgeschleudert und in Magnetfeldern beschleunigt wird. Das Rätsel der energiereichsten Teilchen der kosmischen Strahlung ist damit jedoch immer noch nicht gelöst. Mit dem internationalen Pierre-Auger-Observatorium in Argentinien wurden Exemplare mit bis zu 100.000 PeV nachgewiesen. Ihre Herkunft ist völlig unklar. Als Hauptkandidaten gelten Zentren von Galaxien, in denen ebenfalls schwarze Löcher sitzen, die aber erheblich massereicher und wesentlich aktiver sind als jenes in der Milchstraße.

Gravitationsfallen sammeln Unmengen an Gas und Staub

Astronomen kennen Galaxientypen, die hierfür infrage kommen: Quasare, Radiogalaxien und Blazare. Die in ihren Zentren befindlichen supermassereichen schwarzen Löcher sind bis zu mehrere Milliarden Sonnenmassen schwer und sammeln aus ihrer Umgebung große Mengen an Gas und Staub, mithin sogar ganze Sterne auf. Dabei wird erheblich mehr Strahlung frei, als alle Sterne in der umgebenden Galaxie aussenden – auch hochenergetische Gammastrahlung.

Sie zu empfangen ist jedoch wegen der großen Entfernungen sehr schwierig. Von den derzeit bekannten 13 entferntesten Objekten wurden acht von MAGIC, zwei von H.E.S.S., eines gemeinsam von beiden und zwei weitere mit VERITAS entdeckt, dem im US-Bundesstaat Arizona stationierten Very Energetic Radiation Imaging Telescope Array System mit vier 12-Meter-Teleskopen. Die Objekte sandten die empfangene Strahlung aus, als das Universum höchstens zwei Drittel seiner heutigen Größe besaß.

MAGIC hält mit dem Nachweis der beiden aktiven Galaxien PKS 1441+25 und B0218+357 den derzeitigen Entfernungsrekord. „Wir konnten diese Objekte nur deswegen aufspüren, weil wir die Empfindlichkeit von MAGIC seit der Inbetriebnahme durch unterschiedliche technische Maßnahmen um das Zehnfache für Gammastrahlung niedriger Energie gesteigert haben“, sagt Max-Planck-Forscher David Paneque. „Dadurch hat sich die Beobachtungszeit für weit entfernte Quellen auf ein Hundertstel verkürzt.“

Bei PKS 1441+25 handelt es sich um einen Vertreter der sogenannten Blazare, die häufig sehr starke Strahlungsausbrüche zeigen. Eine dieser Eruptionen spürte im April 2015 das Weltraumteleskop Fermi auf. Umgehend wurde ein weltweiter Alarm an ausgewählte Observatorien ausgelöst. Und als MAGIC das Objekt ins Visier nahm, war die Gammastrahlung bis zu 100-fach stärker als normal. Diesen Ausbruch verfolgten auch andere Teleskope, etwa im sichtbaren Licht und im Röntgenbereich (Max-PlanckForschung 4/2015, Seite 44).

Wie der Blick in einen hellen Scheinwerfer

Hier kommt das besondere Merkmal von Blazaren ins Spiel. Das zentrale supermassereiche schwarze Loch zieht aus der umgebenden Gasscheibe Materie ab, wobei ein Teil davon – wahrscheinlich unter dem Einfluss von Magnetfeldern – in zwei Strahlen oder Jets umgelenkt wird, die senkrecht zur Scheibe in entgegengesetzten Richtungen ins All schießen. Bei einem Blazar ist zufällig einer dieser beiden Jets genau auf die Erde gerichtet, sodass die Astronomen mit ihren Instrumenten wie in einen hellen Scheinwerfer hineinschauen.

„Wir glauben, dass der Ausbruch weit vom schwarzen Loch entfernt in einer kompakten Region im Innern dieses Jets stattfand“, erklärt David Paneque. Kompakt bedeutet hier: etwa so groß wie unser Planetensystem, aber nicht den gesamten Jetdurchmesser ausfüllend. „In dem Gemisch aus Teilchen und Magnetfeldern kommt es zu Turbulenzen und Schocks, in denen die Teilchen stark beschleunigt werden und in der Folge die Strahlung erzeugen“, sagt der Forscher.

Ein weiteres Highlight ist die Beobachtung der Radiogalaxie IC 310, die sich mit 260 Millionen Lichtjahren Entfernung eher in der galaktischen Nachbarschaft befindet. Am 13. November 2012 registrierte MAGIC Strahlungsausbrüche mit bisher unbekannter Intensität.

Überraschend an diesem Ausbruch war die Kürze von weniger als fünf Minuten. Das lässt auf die Größe der aufgeflammten Region schließen. Denn kein Objekt kann sich schneller erhellen, als das Licht braucht, um es zu durchqueren. Die Region, aus der die Gammastrahlung kam, muss daher noch wesentlich kleiner sein als das 300 Millionen Sonnenmassen schwere schwarze Loch, dessen Durchmesser etwa 23 Lichtminuten beträgt.

„Wir vermuten, dass das schwarze Loch rasch rotiert und von einem Magnetfeld umgeben ist“, sagt Paneque. Dabei treten an den Polbereichen starke elektrische Felder auf, die Elektronen und deren Antiteilchen (Positronen) bis nahe an die Lichtgeschwindigkeit beschleunigen. In Wechselwirkung mit der Umgebung erzeugen sie dann die Gammastrahlen.

Man kann sich das etwa so vorstellen wie Gewitterblitze, die sich alle paar Minuten entladen. Dabei setzt der Blitz im Kosmos Energie in einer Region wiederum von der Größe unseres Planetensystems frei. All dies geschieht sehr nahe am schwarzen Loch. „Mit diesen Beobachtungen versuchen wir, gleichsam direkt in die zentrale Maschinerie der Galaxie zu schauen“, sagt Razmik Mirzoyan.

Was sich in der unmittelbaren Umgebung der schwarzen Löcher und weiter draußen in den Jets genau abspielt, ist noch längst nicht abschließend geklärt. Weiterhin rätseln die Forscher auch über die Frage, ob aktive Galaxien jene mit dem Pierre-Auger-Observatorium nachgewiesenen kosmischen Strahlungsteilchen erzeugen, die mit höchsten Energien in die Erdatmosphäre hineinrasen.

Standorte auf La Palma und in den chilenischen Anden

Die Erfolge von H.E.S.S.und MAGIC haben dazu geführt, dass ein internationales Nachfolgeprojekt beschlossen wurde: das Cherenkov Telescope Array (CTA). Dieses Observatorium wird an zwei Standorten entstehen: in den chilenischen Anden und auf La Palma, dem derzeitigen Standort von MAGIC. Mit 19 Teleskopen auf La Palma und 99 in Chile haben die Forscher wieder den gesamten Himmel im Blick. „Wenn alles nach Plan verläuft, können wir schon 2017 mit dem Aufbau beginnen“, sagt Masahiro Teshima.

Und sein Kollege Werner Hofmann aus Heidelberg ergänzt: „Das CTA wird die erforderlichen Beobachtungszeiten im Vergleich zu H.E.S.S. oder MAGIC um das Hundertfache verkürzen.“ Gute Aussichten also für die Astroteilchen-Physik.

AUF DEN PUNKT GEBRACHT

- Bisher kennen die Astronomen 178 Himmelskörper, die hochenergetische Gammastrahlung aussenden. Diese lässt sich mit Teleskopen wie H.E.S.S. oder MAGIC indirekt vom Boden aus beobachten.
- Zu den am besten untersuchten Objekten zählt der Krebsnebel, ein Supernova-Überrest. Von dem Pulsar in seinem Zentrum empfingen die Forscher gepulste Gammastrahlen mit einer Rekordenergie von 1,5 Billionen Elektronenvolt.
- Im Herzen der Milchstraße sitzt ein kosmischer Beschleuniger, der Protonen sogar auf Energien von bis zu 1000 Billionen Elektronenvolt (1 Petaelektronvolt) bringt.
- Mit dem Pierre-Auger-Observatorium in Argentinien wurden aus dem Kosmos sogar Teilchen mit bis zu 100 000 PeV nachgewiesen. Ihre Herkunft ist völlig unklar. Als Hauptkandidaten gelten Zentren von Galaxien mit schwarzen Löchern, die erheblich massereicher und wesentlich aktiver sind als jenes in der Milchstraße.

GLOSSAR

Elektronenvolt:
Eine Energieeinheit, abgekürzt eV. Wird ein Elektron in einem elektrischen Feld beschleunigt, so ändert sich seine kinetische Energie um ein Elektronenvolt, wenn die Beschleunigungsspannung ein Volt beträgt. Im größten Beschleuniger der Erde, dem LHC, werden Protonen bis auf etwa 7 TeV (7 x 1012 eV) beschleunigt. Die energiereichsten Teilchen der kosmischen Strahlung besitzen Energien von mehr als 1020 eV. Auch die Energie von Strahlung lässt sich in der Einheit eV angeben.

Jets: Gebündelte Materiestrahlen, in denen Teilchen gerichtet nahezu mit Lichtgeschwindigkeit ins All fliegen. Sie entstehen etwa, wenn ein schwarzes Loch Gas aus einer rotierenden Scheibe ansammelt. Dabei stürzt nur ein Teil des Scheibengases in die Schwerkraftfalle, der andere Teil strömt senkrecht zur Rotationsebene weg – eben in Form von Jets.

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