„Entscheidend ist das Endprodukt“

Detlef Weigel, Direktor am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie, über Genom-Editierung als Möglichkeit, gezielt bessere Nutzpflanzen zu züchten

Widerstandsfähiger gegen Schädlinge, unempfindlicher gegen Trockenheit, höhere Erträge – das ist nur eine kleine Auswahl der Anforderungen, die Nutzpflanzen in Zukunft erfüllen müssen. Die Menschheit braucht neue Kulturpflanzen, die den Veränderungen durch den Klimawandel widerstehen und den steigenden Bedarf an Nahrungsmitteln befriedigen können. Mit einer neuen Methode, der sogenannten Genom-Editierung, wollen Wissenschaftler künftig effizienter als bisher neue Sorten entwickeln. Wenn keine artfremden Gene eingefügt wurden, sind diese Pflanzen nicht von Pflanzen zu unterscheiden, die auf herkömmliche Weise gezüchtet wurden. Detlef Weigel vom Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen fordert deshalb zusammen mit Kollegen aus den USA und China, solche Genom-editierten Sorten nicht als gentechnisch verändert einzustufen.

Herr Weigel, wie werden heute neue Sorten von Nutzpflanzen gezüchtet?

Detlef Weigel: Es ist wichtig zu wissen, dass es auch bei der herkömmlichen Zucht das Ziel ist, das Erbgut der Pflanzen zu verändern. Wenn man etwa eine neue Pflanze haben möchte, die sowohl Trockenheit aushält als auch hohe Erträge bringt, kann man vorhandene Sorten miteinander kreuzen, die widerstandsfähig gegen Trockenheit oder besonders ertragreich sind. Im Erbgut der Nachkommen werden die Gene dafür neu gemischt. Einige wenige Pflanzen erhalten die Gene für beide Eigenschaften. Man kann auch chemische Substanzen oder Strahlung einsetzen, die irgendwo Mutationen im Erbgut erzeugen. Auf diese Weise können ebenfalls Pflanzen mit neuen Eigenschaften entstehen. Es ist allerdings sehr langwierig und aufwendig, aus Tausenden von Mutanten die Pflanzen mit den gewünschten Eigenschaften herauszusuchen.

Was ist der Unterschied zwischen Genom-editierten und gentechnisch veränderten Pflanzen?

Bei der klassischen Gentechnik werden oft Gene ins Erbgut einer Pflanze eingebracht, die natürlicherweise nicht in dieser Art vorkommen, etwa Resistenzgene gegen ein Herbizid. Dafür gibt es unterschiedliche Verfahren. Die Gene können mit einer Art Genpistole in die Pflanzenzellen „geschossen“ werden. Bei der Genom-Editierung schneiden wir das Erbgut mit einem Protein an einer vorbestimmten Stelle. Die landläufigste Methode ist inzwischen diejenige, die als CRISPR/Cas9 bekannt ist. An der Schnittstelle können wir nun das Erbgut verändern oder neue Abschnitte einfügen. Die Genom-Editierung sollte deshalb als eine Variante der Mutationszüchtung betrachtet werden, mit dem Unterschied, dass Mutationen gezielt erzeugt werden.

Der große Vorteil ist, dass dieselbe Art von Veränderungen möglich ist, wie sie bei herkömmlichen Zucht- und Kreuzungsexperimenten vorgenommen werden. So lassen sich etwa einzelne Buchstaben des genetischen Codes austauschen. Dies entspricht einer Veränderung, die auch durch natürliche Mutationen entsteht. Es lassen sich auch kurze DNA-Abschnitte einfügen und so Gene einer Art durch Gene anderer Sorten oder nah verwandter Arten ersetzen – etwas, das bei traditionellen Kreuzungen ebenfalls gemacht wird.

Die Kritik an gentechnisch veränderten Pflanzen entzündet sich ja besonders an den angesprochenen Fremdgenen. Enthalten Genom-editierte Pflanzen ebenfalls solche Fremd-DNA?

In der Regel wird die Erbinformation für das Schneideprotein ins Erbgut der Pflanze eingebaut, damit es in den Pflanzenzellen gebildet werden kann. Dieses Gen kommt natürlicherweise nicht in Pflanzen vor, das ist also Fremd-DNA. Nach erfolgter Veränderung des Genoms kann diese jedoch wieder vollständig entfernt werden. Es lässt sich mit den heutigen Analysemethoden sicherstellen, dass eine Genom-editierte Pflanze keinerlei Fremd-DNA mehr enthält. Man kann mit der Genom-Editierung auch gezielt völlig artfremde Gene in das Genom einfügen, ähnlich wie mit der klassischen Gentechnik. Dieser Typus von Genom-Editierung sollte jedoch anders reguliert werden als die kleinen Veränderungen.

Lassen sich dann Genom-editierte und klassisch gezüchtete Pflanzen überhaupt unterscheiden?

Wenn keine fremden Gene eingefügt wurden, nicht! Eine mittels Genom-Editierung veränderte Pflanze unterscheidet sich dann durch nichts von Pflanzen, deren Erbgut durch Züchtung verändert wurde. Am Ende erinnert nichts mehr daran, wie die neue Sorte entstanden ist.

Man müsste Genom-editierte Pflanzen also nicht wie gentechnisch veränderte Pflanzen behandeln, wenn sie keine Fremd-DNA enthalten?

Genau! Deshalb fordern wir auch, sie wie herkömmlich gezüchtete Pflanzen einzustufen. Unserer Ansicht nach spielt es keine Rolle, wie eine Pflanzensorte entstanden ist, nur das Endprodukt als solches zählt. Ich finde, es widerspricht dem gesunden Menschenverstand, Pflanzen, von denen man im Nachhinein gar nicht mehr sagen kann, wie sie entstanden sind, unterschiedlich zu kennzeichnen.

Ist das rechtlich möglich, oder ist dazu eine Gesetzesänderung notwendig?

Das deutsche Gentechnik-Gesetz besagt, dass Nachkommen einer gentechnisch veränderten Pflanze automatisch ebenfalls als gentechnisch verändert gelten. Die Tatsache, dass Genom-editierte Pflanzen vorübergehend das Gen des Schneideproteins enthalten haben, würde sie und ihre Nachkommen für alle Zeiten zu gentechnisch veränderten Pflanzen machen – und das, obwohl das Fremdgen wieder restlos entfernt worden ist. Das war sicherlich nicht im Sinne des Gesetzgebers, denn bei der Verabschiedung des Gentechnik-Gesetzes gab es die Genom-Editierung noch nicht. Unser Vorschlag lautet deshalb, das Gentechnik-Gesetz auf Genom-editierte Pflanzen nicht anzuwenden.

Interview: Harald Rösch

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