Steuern, die sich in Luft auflösen
Internationale Konzerne wie Apple, Starbucks oder Amazon vermeiden seit Jahren erfolgreich, Steuern auf ihre Unternehmensgewinne zu zahlen. Im Steuerwettbewerb der Staaten verschieben sie die Gelder in Länder, die niedrige Steuersätze haben und garantieren, nur inländisch erwirtschaftete Gewinne zu versteuern. Unser Autor erklärt, warum es für die Staatengemeinschaft gar nicht so einfach ist, diese Tricks auszuhebeln.
Text: Wolfgang Schön
Es war eine der größten Schlagzeilen der internationalen Presse im Sommer 2016, als die Europäische Kommission verkündete, das Weltunternehmen Apple zu einer Steuernachzahlung in Höhe von mehr als 13 Milliarden Euro verpflichten zu wollen. Empfänger sollte die Finanzverwaltung der Republik Irland sein, wo Apple seit den 1990er-Jahren ungewöhnlich hohe Gewinne in Tochterfirmen „gebunkert“ hat.
Schnell war von einem tax war gegen US-Konzerne und den US-Fiskus die Rede
Dass Apple diese Steuerforderung zurückwies, wird niemanden erstaunen. Dass aber auch der irische Fiskus sich weigert, diese Steuern einzutreiben, erscheint schon eher ungewöhnlich. Beide – Finanzbehörden und Unternehmen – behaupten, dass alles mit rechten Dingen zugegangen sei (sprich: Apple alle anfallenden Steuern entrichtet habe). Kann aber das europäische Recht einen Staat zwingen, Steuern zu erheben, auf die er keinen Wert legt?
Die globale Dimension des Problems wird deutlich, wenn man erkennt, dass der Fall auch jenseits des Atlantiks hohe Wellen schlug. Schnell war davon die Rede, dass Europa zu einem tax war gegen die US-Industrie und gegen den US-Fiskus aufgerufen habe. Seit Jahren sind auch Amazon, Google und Starbucks mit ähnlichen Verfahren konfrontiert. Und mit besonderem Grimm erfüllte die US-Politik der Umstand, dass Apple möglicherweise verlangen kann, seine in Europa gezahlten Mehrsteuern auf seine Steuerschulden in den Vereinigten Staaten anzurechnen.
Faktisch würden die oben erwähnten 13 Milliarden Euro aus dem US-Budget verschwinden und im irischen Budget wieder auftauchen. Finanzminister Jack Lew und wichtige Vertreter des US-Kongresses protestierten in ungewöhnlicher Schärfe. Und manche Beobachter werteten die kurz darauf lancierte Meldung, dass der Deutschen Bank von der amerikanischen Börsenaufsicht ein Bußgeld in Höhe von etwa 15 Milliarden Dollar wegen Fehlverhaltens an den Kapitalmärkten drohe, als weiteren Schachzug in dieser Auseinandersetzung.
Um diesen Konflikt zu verstehen, muss man sich in einem ersten Schritt vergegenwärtigen, warum Irland sich weigert, diese Zahlung durchzusetzen – nicht etwa, weil das Land im Geld schwimmen würde. Der Grund liegt darin, dass Irland seit vielen Jahren darauf setzt, weltweit agierenden Unternehmen ein verlässliches und investitionsfreundliches Steuersystem zu bieten. Zu diesem rechtsstaatlichen Selbstverständnis gehört auch eine Selbstbindung an langfristige Zusagen.
Und eine solche Zusage hat Apple schon vor Jahrzehnten für die Besteuerung seiner irischen Tochterfirmen erhalten. Inhalt dieser Absprache ist, dass die Tochterfirmen nur mit dem Gewinnanteil besteuert werden sollen, der auf ihre (kleine) inländische Produktion in Irland entfällt. Nicht enthalten sind diejenigen (deutlich höheren) Gewinne der Tochterfirmen, die aus der Nutzung der Marke und der Technologie des Apple-Konzerns in den europäischen, afrikanischen und asiatischen Märkten zustande kommen. Diese Gewinne – so stellte sich heraus – wurden nirgendwo besteuert: nicht in den USA (denn dafür fehlte noch die Ausschüttung an das kalifornische Mutterunternehmen) und nicht in Irland (denn dafür fehlte der Bezug zur inländischen Produktion).
Nur wenn der Fiskus sich nicht an seine eigenen Regeln hält, ist das verbotene Beihilfe
Stateless income – staatenloses Einkommen – nennt man in der internationalen Diskussion diese Konzerngewinne, die im Niemandsland zwischen Produktion und Verbrauch „geparkt“ werden. Schätzungen gehen dahin, dass allein US-amerikanische Unternehmen mithilfe dieser Technik mehr als zwei Billionen Dollar an cash holdings in Auslandsgesellschaften (vorwiegend in Steueroasen) halten.
In den vergangenen Jahren sind – getrieben vor allem aus der Politik, aber auch aus dem Kreis der non-governmental organizations – vielfältige Initiativen auf nationaler und internationaler Ebene ergriffen worden, um diesen Praktiken entgegenzuwirken. So verständlich die Aufregung zu sein scheint, so schwer tut man sich aber, wenn es darum geht, das eigentliche „Übel“ zu identifizieren.
Natürlich denkt man in erster Linie an fiskalische Ausfälle. Wenn Milliardengewinne nirgendwo versteuert werden, fehlt das entsprechende Steueraufkommen in irgendeinem staatlichen Budget. Aber in welchem? In Irland? In den Vereinigten Staaten? Oder sollte man die Gewinne vielleicht dort versteuern, wo die Kunden von Apple sitzen – etwa in anderen europäischen Ländern? Diesen Marktstaaten fehlt aber nach den geltenden Steuerabkommen das Besteuerungsrecht für grenzüberschreitende Liefergewinne. Daher hat etwa Frankreich gefordert, Steuern von Google und anderen Unternehmen in Zukunftkraft „digitaler Präsenz“ erheben zu können. Durchgesetzt hat sich dieser Vorschlag bisher nicht.
Geht es nicht eher um Steuergerechtigkeit? Erleben wir hier wie so oft den Fall, dass die Reichen nichts und die Armen alles zahlen? Gerade dieser Gesichtspunkt wird in Kreisen der Zivilgesellschaft immer wieder betont. Das Problem ist nur: Unternehmen bringen einem Staat und einer Volkswirtschaft nicht nur Steuerzahlungen, sondern auch Investitionen und Arbeitsplätze. Vielfach verzichten Staaten daher freiwillig auf eine hohe Steuerbelastung, um Unternehmen ins Land zu locken.
Gewinner kann dann auch der „kleine Mann“ sein. Und wer will den Unternehmen einen Vorwurf machen, die auf solche fiskalischen Angebote reagieren? Dieser Steuerwettbewerb wird durch die hohe Mobilität von Unternehmensfunktionen zunehmend verschärft: Mobilität von Finanzkapital, Mobilität von immateriellen Gütern und Leistungen, Mobilität von Führungspersonal. Die immobilen Faktoren – namentlich die Arbeitnehmerschaft – können in diesem Wettbewerb nicht mithalten.
Dies führt zum dritten Gesichtspunkt, der ein Störgefühl hervorruft: dem Wettbewerb zwischen Unternehmen. Die Möglichkeit multinationaler Konzerne, vom Steuerwettbewerb zwischen den Staaten zu profitieren, stärkt ihre Position im Wettbewerb mit lokalen Konkurrenten, die eine solche Vorzugsbehandlung nicht genießen können. Das klassische Beispiel ist der örtliche Buchhändler, der seine Kunden an Amazon verliert.
Amazon war lange Zeit in der Lage, über eine Luxemburger Tochtergesellschaft den deutschen Markt mit Büchern zu beliefern, ohne hier der Körperschaftsteuerpflicht unterworfen zu werden; die in München ansässige Firma Hugendubel kann sich dem jedoch nicht entziehen. Spätestens hier wird der Bezug zwischen dem internationalen Steuersystem und den europäischen Wettbewerbsregeln deutlich.
Die deutsche Bundesregierung hat vor Jahren klargestellt, dass ihre Mitwirkung in der internationalen Steuerpolitik gerade auch dem Ziel dient, ein level playing field für große und kleine Marktteilnehmer herzustellen. Und auch die Brüsseler Kommission hat in ihrer Entscheidung zu Apple vor allem beanstandet, dass Apple in Irland eine steuerliche Behandlung genieße, die nicht in Übereinstimmung mit der Besteuerung unabhängiger Unternehmen außerhalb internationaler Konzernstrukturen stehe.
Der Wettbewerb zwischen den Staaten beeinflusst eben auch den Wettbewerb zwischen den Unternehmen. Doch sind der Nutzung des europäischen Wettbewerbsrechts hier Grenzen gesetzt: Nur wenn der nationale Fiskus sich nicht an sein eigenes steuerliches Regelwerk hält, liegt eine kraft Europarechts verbotene Beihilfe vor. Zu einer weiter gehenden Standardisierung der internationalen Steuerpolitik nach eigenem Gusto ist – und darauf weist das US-Finanzministerium zu Recht hin – die Europäische Kommission nicht befugt.
Weder das Phänomen des Steuerwettbewerbs noch seine politische Brisanz sind indes neu. Vor allem in den 1990er-Jahren wurde tax competition zu einem zentralen Schlagwort der ökonomischen und auch der juristischen Fachdiskussion. Noch vor der Jahrtausendwende erreichten die Steuerpraktiken von Steueroasen und anderen preferential tax regimes die Ebene der internationalen Politik. In der Europäischen Union vereinbarten die Mitgliedstaaten im Jahre 1998 einen code of conduct, mit dessen Hilfe eine Vielzahl von steuerlichen Vorzugsbehandlungen für ausländische Investoren oder Unternehmen eingeschränkt oder abgeschafft werden konnte.
Ebenfalls im Jahre 1998 publizierte die OECD einen einflussreichen Bericht über harmful tax competition, der bis heute die politische Agenda leitet. Dieser Bericht akzeptiert den gesunden Steuerwettbewerb, in dem die Staaten in gleichheitsgerechter Weise (vor allem durch Senkung der allgemeinen Steuersätze) um reale Investitionen und unternehmerische Aktivitäten konkurrieren. Und er verurteilt den schädlichen Steuerwettbewerb, der sich unter anderem durch individuelle Vorzugsbehandlungen, Intransparenz und Abweichung von anerkannten Gewinnermittlungsregeln auszeichnet.
In den folgenden Jahren trat die Diskussion um die internationale Unternehmensbesteuerung dennoch in den Hintergrund. Den Vordergrund nahm nach der Jahrtausendwende die internationale Steuerhinterziehung ein. Nicht tax competition, sondern tax evasion ist hierfür das globale Stichwort. Ob es um den Ankauf von CDs über die Konten deutscher Sparer in der Schweiz, Luxemburg und Österreich geht, ob durch ein Datenleck die Hintermänner von Panama-Gesellschaften aufgedeckt werden oder ob die Vereinigten Staaten mit harten Sanktionen die Banken in aller Welt zur Offenlegung der US-Konteninhaber zwingen: In allen diesen Fällen geht es immer um eindeutig rechtswidriges Verhalten von Steuerpflichtigen, dessen Bewertung ebenso wenig ein Problem ist wie eine Aussage dazu, welchem Staat die hinterzogenen Steuern zustehen.
Die Unternehmen nutzen Freiräume, die ihnen von den Staaten angeboten werden
Auf diesem Gebiet haben in den vergangenen Jahren weltweit neue Standards Einzug gehalten: Der internationale Informationsaustausch hat eine enorme Qualität und Quantität angenommen, und schon im nächsten Jahr soll ein common reporting standard mehr als 100 Staaten den automatischen elektronischen Austausch von Steuerdaten ermöglichen. Mit Wettbewerb zwischen Unternehmen hat das nichts zu tun – auch wenn dies leider im politischen Raum immer wieder vermengt wird.
Das Thema der Besteuerung internationaler Unternehmen kam erst seit dem Jahr 2012 wieder auf die Agenda der hohen Politik – dann aber mit unvorhergesehener Wucht und auf mehreren Ebenen. Auf nationaler Ebene sind vor allem die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich zu nennen, wo Sonderausschüsse des Senats und des Unterhauses die Steuerpraktiken von Großunternehmen unter großer Beteiligung der Zivilgesellschaft unter die Lupe nahmen und ans Licht der Öffentlichkeit brachten.
In Deutschland wurde dies weniger thematisiert – denn bis heute wird die relativ hohe effektive Steuerquote deutscher Großunternehmen als positives Faktum konstatiert. Auf internationaler Ebene übernahmen die G20-Mitgliedstaaten die Initiative und beauftragten die OECD in Paris, einen Bericht und einen Aktionsplan über base erosion and profit shifting (BEPS) zu erarbeiten, also über die durch multinationale Konzerne geplante Verminderung steuerlicher Bemessungsgrundlagen sowie über das grenzüberschreitende Verschieben von Gewinnen.
In einem intellektuellen und organisatorischen Kraftakt ohnegleichen wurde bis zum Jahresende 2015 unter dem Dach der OECD und unter Mitwirkung von Industriestaaten, Schwellenländern und Entwicklungsländern aus aller Welt ein eindrucksvolles Gesamttableau aus Regeln, Mindeststandards und Verträgen erarbeitet, das die internationale Steuerpolitik auf eine neue Grundlage stellen soll. Inzwischen sitzen mehr als 100 Staaten an der Implementierung dieser Beschlüsse.
Die Frage, wo Wertschöpfung stattfindet, lässt sich nicht so einfach beantworten
Parallel dazu hat die Europäische Kommission viele Vorschläge zur Bekämpfung aggressiver Steuerplanung vorgelegt, von denen einige inzwischen als bindende Richtlinien vom Ministerrat verabschiedet sind. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob es gelingt, die Spielregeln zu vereinheitlichen – dafür soll insbesondere ein multilaterales Instrument sorgen, mit dessen Hilfe Tausende von Doppelbesteuerungsbkommen gleichzeitig modifiziert werden sollen.
Schaut man die BEPS-Initiative näher an, so fällt zunächst auf, dass sich die Perspektive verschoben hat: Während Ende der 1990er-Jahre klar der Regulierungswettbewerb zwischen den Steuerstaaten im Vordergrund stand, wird in jüngerer Zeit das aggressive steuerliche Verhalten der großen Unternehmen beklagt. Das verleiht der ganzen Diskussion eine moralische Dimension, die einer sachlichen Analyse nicht selten im Weg steht. Denn es fehlt nicht nur bis heute an einer Antwort darauf, wo die Grenze zwischen akzeptabler und aggressiver Steuerplanung gezogen werden muss.
Es wird mit diesem Ansatz auch verkannt, dass die Unternehmen ohnehin keinen Freiraum nutzen können, der ihnen nicht in einem ersten Schritt von den Staaten angeboten wird. Ohne Steuerwettbewerb gibt es keine Steuerplanung – und wenn man die Steuerplanung bekämpfen will, muss man den Steuerwettbewerb in den Blick nehmen. Doch dieser lässt sich nicht einfach verbieten – vielmehr bedarf es eines Konsenses für gemeinsame Regeln, namentlich einer Abstimmung der Besteuerungshoheiten.
Das BEPS-Projekt bietet zwei Prinzipien für eine Neuorientierung: das Prinzip der Einmalbesteuerung und das Prinzip der Besteuerung nach ökonomischer Realität. Beide Ansätze lassen jedoch Unschärfen erkennen, die den Erfolg des Gesamtprojekts gefährden können. So ist das Ziel der Einmalbesteuerung von der Idee geprägt, dass Wettbewerbsverzerrungen zwischen multinationalen und lokalen Unternehmen verhindert werden, wenn gesichert ist, dass Unternehmensgewinne allesamt mindestens einmal mit einer substanziellen Steuer belegt werden. Sie sollen nicht steuerfrei in Steueroasen geparkt oder durch Ausnutzung von Regulierungsdifferenzen entlastet werden können.
Namentlich die deutsche Bundesregierung hat es zum Grundsatz ihrer internationalen Steuerpolitik erklärt, eine double non-taxation zu verhindern. Das Problem ist jedoch, dass bei dieser Zielsetzung offenbleibt, wer denn nun diese Einmalbesteuerung vornehmen soll. Nehmen wir die in europäischen Märkten erzielten Apple-Gewinne als Beispiel: Sollen diese in den Konsumentenstaaten besteuert werden (wo es nach allgemeinen Regeln an einer steuerlichen Präsenz fehlt)? Oder in Irland (wo die Tochtergesellschaften zwar registriert sind, aber nur ein geringes operatives Geschäft betreiben)? Oder in den Vereinigten Staaten (wo Marke und Technologie entwickelt worden, aber noch keine Gewinnauszahlungen angekommen sind)? Offensichtlich drängt sich keiner der beteiligten Staaten wirklich danach, diese Gewinne zu erfassen.
Nach den neueren Arbeiten der G20, der OECD und der Europäischen Kommission soll nach dem Motto „taxation follows value creation“ der Ort der Wertschöpfung maßgeblich für Zuordnung von Unternehmensgewinnen und Besteuerungsrechten werden. Auf diese Weise soll es namentlich gelingen, der rein steuergetriebenen Verlagerung von Gewinnen an funktionslose Gesellschaften in Steueroasen die Grundlage zu entziehen.
Das Programm liest sich überzeugend. Und doch stößt es an Grenzen. Denn die Frage, was ökonomische Realität bedeutet und wo Wertschöpfung stattfindet, lässt sich eben nicht so einfach beantworten. Wo liegt die Quelle der Milliardengewinne von Apple: In Kalifornien, wo Marken und Patente entwickelt werden? In China, wo die Hardware hergestellt wird? In Europa, wo die iPhones und iPads ihre Käufer finden? Oder eben doch in Irland, wo eine Tochtergesellschaft die Inhaberschaft an den maßgeblichen Patent- und Markenrechten hält?
Das ist keine Frage, die streng wissenschaftlich entschieden werden kann. Die Bundesrepublik Deutschland achtet als erfolgreiche Exportnation darauf, dass der Ort der Produktion den Vorrang genießen soll, während Indien als großer Importeur von Dienstleistungen seinen Zugriff auf die korrespondierenden Gewinne ausländischer Anbieter erweitern möchte. Bei globaler Betrachtung lässt sich in den vergangenen Jahren in der Tat eine stückweise Ausdehnung des Besteuerungszugriffs der Marktstaaten beobachten. Der Steuerwettbewerb unterstützt das, denn die Produktion kann auswandern, der Kundenstamm jedoch nicht.
An dieser Stelle zeigt sich, dass der Versuch, die internationale Besteuerung an der wirtschaftlichen Realität auszurichten, letztlich zu noch mehr Wettbewerb führen kann: Der Wettbewerb um die künstliche Verlagerung von Gewinnen wird überlagert und ersetzt durch einen noch härteren Wettbewerb um die reale Ansiedlung von Investitionen und Aktivitäten. Dass dieser Wettbewerb nicht sein Ende finden wird, lassen jüngste politische Entwicklungen erkennen.
Kurz nach der Verkündung der Apple-Entscheidung der Kommission hat die britische Regierung wissen lassen, dass das Vereinigte Königreich sich nach dem Brexit als steuerlich freundlicher Investitionsstandort profilieren wird – ohne die Schranken des europäischen Wettbewerbsrechts. Und ob die Vereinigten Staaten nach dem Wahlsieg Donald Trumps den in der OECD erzielten steuerpolitischen Konsens wahren werden, bleibt abzuwarten – viele wichtige Dokumente waren schon vor den Präsidentschaftswahlen in den USA umstritten.
Die Kraft steuerlicher Koordinierung hängt eben dauerhaft davon ab, ob und in welchem Umfang die Staaten in einem globalen Konsens einen Mehrwert gegenüber einer individuellen Politikstrategie erblicken können. Die kommenden Jahre werden darauf eine Antwort geben. Der Auftrag der Steuerwissenschaft besteht darin, die Prämissen und Optionen dieser Strategien klar zu identifizieren.