Eine Orgelpfeife als Teleskop

Galileo Galilei ist der erste Wissenschaftler, der den Wert des Teleskops für die Astronomie erkennt. Er selbst baut mehrere solcher Instrumente – und die Bauteile, die er dafür braucht, notiert er als Einkaufsliste auf der Rückseite eines Briefs. Manche davon wie Kanonenkugeln oder Tonerde aus Tripolis.

Text: Matteo Valleriani

Im Jahr 1592 wird Galileo Galilei als Mathematikprofessor nach Padua berufen. Dort bleibt er 18 Jahre lang, während sich sein Haus in eine militärische Ausbildungsstätte verwandelt. Gegen Bezahlung bildet er Offiziere auf dem Gebiet der Kriegskunst aus, hält Einführungsvorlesungen in Geometrie, technischem Zeichnen und Festungsbau. Studenten verschiedener Nationalität quartieren sich mitsamt Dienerschaft bei ihm ein. Außerdem eröffnet er eine Werkstatt für die Herstellung mathematischer Werkzeuge für militärische Zwecke.

Als sich die Kunde von dem in Holland erfundenen Teleskop in Europa verbreitet, ist Galileo Galilei bereits als vorzüglicher Praktiker bekannt. Nun profitiert er von seinen Verbindungen zu Handwerkern und von Erfahrungen, die er selbst in den Werkstätten von Brillenmachern erworben hat. In kürzester Zeit gelingt es ihm – ausgehend von einem Teleskop mit zwei- bis dreifacher Vergrößerung –, eines mit neunfacher Vergrößerung zu bauen. Als er den Regierenden in Venedig am 24. August 1609 sein erstes Fernrohr überreicht, denkt er aber noch nicht daran, es zum Himmel zu richten, sondern hat vor allem militärische Anwendungen im Sinn.

In dem Augenblick, in dem er beginnt, den Nachthimmel damit zu beobachten, wird Galilei zum Pionier der teleskopischen Astronomie. Schon der erste Blick zum Firmament lässt ihn das enorme Potenzial des neuen Instruments erahnen. Die vielen zuvor unsichtbaren Sterne und die Konturen der Mondoberfläche geben Anlass genug, ein neues, noch besseres Fernrohr zu bauen.

Wie er dabei vorgeht, verrät eine Einkaufsliste auf der Rückseite eines Briefs, den ihm Ottavio Branzini aus Venedig geschickt hat. Guten Malvasia-Wein möchte er aus Venedig mitbringen und Kleidung für seine Lebensgefährtin. Es folgt eine höchst merkwürdige Aufzählung von Gegenständen: Kanonenkugeln etwa, zwei Orgelpfeifen aus Zinn, Tonerde aus Tripolis, Schüsseln aus Eisen, griechisches Pech oder Filz.

Galilei hat hier die Utensilien zusammengestellt, die er für die Teleskopherstellung für erforderlich hält. Kanonenkugeln zum Beispiel sind nahezu perfekt gerundet. Brillenmacher verwenden sie, um gläserne Linsen darauf zu schleifen. Für die Schleifprozedur hat Galilei griechisches Pech und Tonerde aus Tripolis vorgesehen. Den Filz benötigt er für die anschließende Politur, die Orgelpfeifen könnten als Rohre brauchbar sein.

Ausgehend von verschiedenen Materialien wie deutschen Brillengläsern, Spiegelglas bis hin zu Bergkristall sowie mit unterschiedlichen technischen Verfahren – schon Ende 1609 verfügt er über eine eigene Schleifmaschine für Linsen – entwirft Galilei ein ausgezeichnetes Teleskop. Im Januar 1610 sichtet er damit die ersten drei von später vier Jupitermonden. Er zeichnet den Mond, wie ihn nie zuvor ein Mensch gesehen hat: mit Gebirgsketten und Tälern.

Die brisanten Ergebnisse veröffentlicht er in rasantem Tempo. Schon am 12. März 1610 gehen 550 gedruckte Exemplare seines Werks Sidereus Nuncius („Sternenboten“) in die Welt hinaus. Die Schrift wird ihn in ganz Europa berühmt machen.

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