Nanodrähte ganz nach Wunsch

Max-Planck-Forscher entdecken ein Trägermaterial, auf dem Nanodrähte aus verschiedenen Metallen zuverlässig wachsen

Niemand mag Stress. Auch Atome nicht. Sie ordnen sich so an, dass sie Zug- und Druckverspannungen möglichst aus dem Weg gehen. Das haben Valeri Stepanyuk, Marek Przybylski und Jürgen Kirschner vom Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik in Halle jetzt ausgenutzt, um atomare metallische Nanodrähte herzustellen. Auf einer gewellten Schicht Kupferazid brachten sie wahlweise Eisen-, Gold- und Palladium-Atome auf. In früheren Experimenten war die Verwendung verschiedener Elemente stets ein Unsicherheitsfaktor gewesen; die Herstellung von Nanodrähten folgte eher einer Versuch-und-Irrtum-Strategie. Auf der Kupfernitrid-Struktur der Wissenschaftler aus Halle gruppierten sich die Atome zuverlässig zu Nanodrähten. (Physical Review Letters 102, 205503 (2009))

Metallische Nanodrähte mit einem Durchmesser von wenigen Atomen sind ein Traum der Nanoelektroniker. Sie sollen dazu dienen, Komponenten in winzigen Schaltkreisen zu verbinden, die dann in elektronischen, optoelektronischen und elektromechanischen Bauteilen eingesetzt werden. Oder die Drähte sollen als Leiter in biomolekularen Sensoren dienen. Außerdem möchten die Wissenschaftler an solch winzigen metallischen Quantendrähten ganz grundsätzliche physikalische Transportphänomene studieren, die wiederum dazu dienen können, elektronische Bauteile noch weiter zu verkleinern.

Bloß, wie schafft man es, die Nanodrähte verlässlich und reproduzierbar herzustellen? Lange Zeit stand dabei vor allem ein Hindernis im Wege, das Wissenschaftler als Barriere der Elementabhängigkeit bezeichnen: Ob sich überhaupt Nanodrähte bildeten und welche Struktur diese dann hatten, hing sowohl von dem Trägermaterial als auch von dem Metall für die Nanodrähte ab. Auf ein und demselben Trägermaterial bildet Eisen zum Beispiel atomare Ketten, während sich Kobalt zu Inseln anordnet. Auf einem anderen Trägermaterial hingegen bildet Kobalt atomare Ketten, Nickel hingegen nicht.

Diese Barriere haben Valeri Stepanyuk, Marek Przybylski und Jürgen Kirschner von Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik in Halle und ihre Kollegen aus Russland, Frankreich und Japan jetzt erstmals überwunden, wie sie in der Fachzeitschrift Physical Review Letters erläutern. Die Bildung der Nanodrähte haben sie dabei mit dem Rastertunnelmikroskop überwacht und durch quantenmechanische Rechnungen simuliert.

Das Trägermaterial für die Wissenschaftler ist eine gewellte Schicht Kupferazid (CuN3). Dass sie gewellt ist, liegt am Entspannungs-Bedürfnis der Kupfer- und der Stickstoff-Atome. Die sind nämlich unterschiedlich groß; als Folge davon würde in einer glatten Kupferazid-Schicht eine mechanische Spannung entstehen. Die Atome ordnen sich aber so an, dass diese Spannung möglichst gering wird: Sie bilden eine gewellte Struktur. Auf die Kupferazid-"Wellpappe" bringen die Wissenschaftler dann wahlweise Eisen, Palladium oder Gold auf. In allen drei Fällen ordnen sich diese Atome in den Rillen der Wellpappe an. So entstehen durch Selbstorganisation Nanodrähte, die jeweils fünf Atome breit sind, und obwohl die Nanodrähte aus unterschiedlichen Elementen bestehen, zeigt das Rastertunnelmikroskop gleiche Strukturen.

Um Kontrolle über den Wachstumsprozess zu bekommen, haben die Wissenschaftler am Beispiel von Eisen auf Kupfernitrid die Entstehung von Nanodrähten im Einzelnen untersucht. Dabei haben sie festgestellt, dass auch hier das Entspannungs-Bedürfnis der Atome eine wichtige Rolle spielt. Insbesondere zeigen Berechnungen: Infolge einer Anziehung zwischen den Eisen- und den Stickstoffatomen müssen sich die Atome, um Verspannungen möglichst gering zu halten, so anordnen, dass zwischen einem Nanodraht und dem nächsten eine Rille der Kupfernitrid-Wellpappe frei bleibt; das entspricht genau dem gemessenen Abstand zwischen den Drähten.

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