Forschenden geht ein Licht auf 

Neue wissenschaftliche Daten des Euclid Weltraumteleskops lüften das Rätsel um das schwache Leuchten im Perseus-Galaxienhaufen

Der Perseus-Galaxienhaufen war eines der ersten Ziele des ESA-Weltraumteleskops Euclid. Darin: Tausende brilliante Galaxien, so schwer wie 650 Billionen Sonnen, die durch die eigene Schwerkraft zusammenhalten. Lange Zeit war aber nicht klar, woher das schwache und gleichmäßige Glimmen stammt, das den Galaxienhaufen durchströmt. Mit der Veröffentlichung neuer wissenschaftlicher Daten und Analysen scheint dieses Geheimnis nun gelüftet.
 

Bevor das Weltraumteleskop Euclid am 14. Februar 2024 seine Hauptaufgabe begann, die netzartigen Stukturen des Kosmos zu beobachten, indem es Milliarden von Galaxien auf mehr als einem Drittel des Himmels kartiert, hat das Teleskop mehr als ein Dutzend astronomische Objekte sehr genau und in voller Tiefe beobachtet. Mit diesen Messungen stellte das Team hinter Euclid nicht nur unter Beweis, was das neue Teleskop alles kann, sondern lieferte Daten von solcher Qualität, deren Analyse Astronominnen und Astronomen bis heute beschäftigen. Und sie beantworten mit den Bildern offene Fragen der Astrophysik: Woher kommt etwa das diffuse Licht, das Galaxienhaufen durchströmt und für das bisher noch kein Ursprung festgestellt werden konnte? Im Fall des Perseus Galaxienhaufens, scheint diese Frage nun geklärt.

Der Perseus-Galaxienhaufen ist ein lohnenswertes Beobachtungsziel in unserer kosmischen Nachbarschaft, denn es handelt sich um eine der größten Strukturen des Universums in „nur“ 240 Millionen Lichtjahren Entfernung. Zum Vergleich: Unsere Milchstrasse und die benachbarte Andromedagalaxie liegen mit 2,5 Millionen Lichtjahren als Teil einer lokalen EInheit recht nah beinander. Mit seiner hohen Gesamtmasse von 650 Billionen Sonnenmassen bindet die Schwerkraft des Perseus-Haufens Tausende von Galaxien aneinander. 

Scheinende Wanderer

Erstmals gelang es einem Team unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik nun das diffuse Licht zu analysieren, das den Perseus-Galaxienhaufen bis in die Randbereiche durchleuchtet. „Euclid bietet sowohl die nötige Empfindlichkeit als auch ein großes Gesichtsfeld, um das schwache Licht im Perseus-Haufen aufzufangen,“ sagt Matthias Kluge, Hauptautor der Studie, die nun zusammen mit 14 anderen Arbeiten veröffentlicht wurde. „Dieses Infrarotlicht ist etwa 100.000-mal schwächer als der dunkelste Nachthimmel auf der Erde. Trotzdem macht es aufgrund seiner großen Ausdehnung rund 20 Prozent der gesamten Leuchtkraft des Haufens aus.“ 

Darüber hinaus nutzte das Team die hervorragenden Abbildungseigenschaften von Euclid im sichtbaren Licht - vergleichbar mit denen des Hubble-Weltraumteleskops - und entdeckte 50.000 frei fliegende Kugelsternhaufen, das sind sehr dicht gepackte und kugelförmige Ansammlungen von zehntausenden bis Millionen von Sternen. Das diffuse Licht aus den Zwischenräumen des Perseus Galaxienclusters ist dabei ähnlich verteilt wie die Kugelsternhaufen im Galaxiencluster. Mit den Sternen dieser Kugelsternhaufen scheint also ein Urspung des Lichts gefunden. Auch über die Sterne der Sternhaufen ist einiges bekannt: Sie sind alt (und daher arm an Metallen). Die Kugelsternhaufen, in denen diese Sterne sich aufhalten, stammen aus den metallarmen Außenbereichen massereicher Haufengalaxien und wurden wohl durch die Gezeitenkräfte der Galaxien abgestriffen.

Mit zunehmender Entfernung vom Haufenzentrum steigt auch der Anteil von Zwerggalaxien. „Euclid befindet sich am zweiten Lagrange-Punkt weit außerhalb der Erdatmosphäre. Dank des dunklen Bildhintergrundes, der exzellenten Bildauflösung und des großen Gesichtsfeldes konnten wir 1100 Zwerggalaxien nachweisen, darunter Hunderte mit viel schwächerer Leuchtkraft als jemals zuvor im Perseus-Galaxienhaufen“, sagt Raphael Zöller vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik und der Ludwig-Maximilians-Universität München. Metallarme Kugelsternhaufen sind ein dominierender Bestandteil solcher Zwerggalaxien, es könnte also zusätzliches diffuses Licht von solchen Kugelsternhaufen kommen, deren Heimat-Zweggalaxien durch die Gezeitenkräfte komplett zerrissen und sie so in den intergalaktischen Raum geschleudert wurden. 

Fünf neue Bilder und viele Daten

Neben diesen Daten veröffentlichte die Euclid-Konsortium auch fünf neue Bilder. Dabei handelt es sich um mehr als schöne Schnappschüsse von Galaxien-Haufen oder einer Sternentstehungsregion. Dank der neuartigen Beobachtungsmöglichkeiten von Euclid enthüllen sie neue physikalische Eigenschaften des Universums, die in einer Reihe von Veröffentlichungen der Euclid-Kollaboration näher erläutert werden (siehe ESA-Pressemitteilung). Die neuen Bilder begleiten die ersten wissenschaftlichen Daten der Mission, die nun ebenfalls veröffentlicht wurden, sowie mehrere wissenschaftliche Arbeiten. Teil des Datenpaketes ist ein Katalog mit mehr als elf Millionen astronomischen Objekten, die Euclid an nur einem Tag im sichtbaren Licht beobachtete. Weitere fünf Millionen Objekte kommen im Infrarotlicht hinzu. Daneben werden in fünf weiteren Arbeiten wichtige Aspekte der Euclid-Mission näher beschrieben.

BEU/HH

 

Hintergrundinformationen

Euclid ist eine Weltraummission der Europäischen Weltraumagentur (ESA) mit Beiträgen der National Aeronautics and Space Administration (NASA). Im „Cosmic Vision“-Programm der ESA ist es die zweite M-Klasse-Mission. Euclid erforscht, wie sich unser Universum im Laufe der kosmischen Geschichte entwickelt hat, und untersucht dessen grundlegenden Bestandteile: Dunkle Energie und Dunkle Materie.

VIS und NISP wurden von einem Konsortium aus Wissenschaftlern und Ingenieurinnen aus 17 Ländern entwickelt und gebaut, viele aus Europa, aber auch aus den USA, Kanada und Japan. Aus Deutschland beteiligen sich das Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg, das Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching, die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München, die Universität Bonn (UB), die Ruhr-Universität Bochum (RUB) sowie die Deutsche Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Bonn.

Die Deutsche Raumfahrtagentur im DLR koordiniert die deutschen ESA-Beiträge und stellt darüber hinaus aus dem Nationalen Raumfahrtprogramm Fördermittel in Höhe von 60 Millionen Euro für die beteiligten deutschen Forschungsinstitute zur Verfügung.

Deutschland ist mit rund 21 Prozent der größte Beitragszahler im ESA-Wissenschaftsprogramm.

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