Schwimmende Bakterien prägen Gemeinschaft

Forschende entdecken Struktur in Mikrobenverbänden aus Schwimmern und Nichtschwimmern

Bakteriengemeinschaften sind für den Menschen von großer Bedeutung. Doch wie entsteht die komplexe Struktur, die für das Funktionieren der Arten entscheidend ist? Wie ein Forscherteam um Remy Colin vom Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg herausgefunden hat, reichen dafür rein physikalische Wechselwirkungen zwischen schwimmenden und nicht schwimmenden Bakterien aus.

Im Labor kultivieren Forschende Bakterien meist in Reinkultur. Doch in ihrer natürlichen Umgebung sind Mikroben viel geselliger und leben in komplexen, klar strukturierten Gemeinschaften zusammen. Diese „Bakterien-WGs“ spielen für uns Menschen eine wichtige Rolle – sei es für die Gesundheit, in Darm- oder Zahnbelag-Mikrobiomen, als Kontaminationen (wie Biofilme in und auf medizinischen Geräten), in der Landwirtschaft (Mikroben in Pflanzenwurzeln), oder in industriellen Prozessen (bakterielle Filter in Kläranlagen).

Es wird immer zunehmend deutlich, dass die von den verschiedenen Arten aufgebaute räumliche Struktur entscheidend dafür ist, dass die Arten innerhalb dieser Gemeinschaften gut funktionieren. Wegen ihrer Komplexität ist über die Entwicklung und Dynamik der Strukturen jedoch nur wenig bekannt. Bislang konzentrierte sich die Forschung zu komplexen mikrobiellen Gemeinschaften hauptsächlich auf die biochemischen Interaktionen zwischen den Mitgliedern. Im Gegensatz dazu ist der Einfluss der physikalischen Interaktionen nach wie vor unklar. Das gilt insbesondere für die Wechselwirkungen, die durch die für Bakterien typische Schwimmbewegung entstehen.

Bildung räumlicher Strukturen

Remy Colin und sein Team in der Abteilung von Victor Sourjik am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie erforschen die Biophysik beweglicher Mikroorganismen. Bei der Untersuchung der physikalischen Wechselwirkungen in artenübergreifenden Bakteriengemeinschaften haben sie entdeckt, dass schwimmende Bakterien die Bildung bestimmter räumlicher Strukturen auslösen.

Die Schwimmer bewirken durch rein physikalische Wechselwirkungen, dass andere nicht schwimmende Bakterien großflächige Muster bilden. Dies geschieht in der Nähe von festen Oberflächen, wo sich die Schwimmer sammeln und im Kreis schwimmen. "Die kreisenden Schwimmer lösen Strömungen aus, die die nicht schwimmenden Zellen mit sich ziehen, ähnlich wie Nudeln in kochendem Wasser. Aufgrund ihrer relativ hohen Ablagerungsrate kommt es jedoch zu angrenzenden Regionen, in denen sich die Bakterien anreichern bzw. weniger werden, wodurch die Muster entstehen. Durch das Anhaften der Zellen aneinander entstehen dann strukturierte Gebilde, die diese ansonsten dynamischen Muster zu einer relativ starren Architektur verfestigen", sagt Silvia Espada Burriel, Doktorandin und Erstautorin der Studie. Die Forscher machten ihre Entdeckung durch eine Kombination von mikroskopischen Experimenten und zahlengestützten Simulationen.

Wenige Schwimmer und eine feste Oberfläche genügen

Bemerkenswert ist, dass für den Mechanismus nur eine kleine Menge schwimmender Bakterien und eine Oberfläche erforderlich sind. Obwohl die Forscherinnen und Forscher den Prozess in einem gut kontrollierten Modellsystem untersucht haben, ist es sehr wahrscheinlich, dass er in einer Vielzahl natürlicher Situationen auftritt. "Unsere Entdeckung eröffnet eine neue Perspektive auf die Organisation mikrobieller Gemeinschaften", sagt Remy Colin. "Die meisten bisherigen Forschungsarbeiten haben sich auf die Rolle von Interaktionen konzentriert, die durch bestimmte chemische Substanzen vermittelt werden, die Bakterien produzieren, verbrauchen und/oder austauschen.“

Die Ergebnisse sind ein Schritt auf dem Weg zu einem besseren Verständnis der Architektur und Funktion mikrobieller Gemeinschaften. "Fragen, die wir derzeit untersuchen, sind zum Beispiel, wie dieser physikalische Mechanismus mit den chemischen Wechselwirkungen in echten mikrobiellen Gemeinschaften interagiert oder wie er auf äußere Begrenzungen reagiert, zum Beispiel auf große Strömungen, wie sie in Rohren, im Darm oder im Meer vorkommen“, sagt Remy.

 

 

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