Regulierung des genetischen Austauschs
Paarung der Chromosomen kontrolliert die Verteilung der DNA
Ein Forscherteam unter der Leitung von André Marques vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln hat die Paarung von Chromosomen als Schlüssel zur Steuerung der Verteilung genetischen Materials identifiziert.
In jeder Zelle unseres Körpers ist unsere DNA eng mit Proteinen zu Strukturen gebündelt die als Chromosomen bekannt sind. Die allgemein bekannte Form eines Chromosoms bezieht sich auf ein X-förmiges Aussehen bei vielen Organismen. Die Bildung des X-förmigen Chromosoms resultiert aus einer engen Verbindung an einer Stelle, die Zentromer genannt wird. Dieses Zentromer fungiert als Bindeglied zwischen den Schwesterchromatiden, den identischen Kopien, die bei der DNA-Replikation entstehen. Während der Fortpflanzung paaren sich homologe Chromosomen, also Chromosomen mit gleicher Form und gleichem genetischen Aufbau, und tauschen genetische Informationen aus. Dieser DNA-Austausch ist als Crossing-over bekannt, ein Prozess, bei dem genetisches Material von Vater und Mutter vermischt wird, um die genetische Vielfalt unter den Nachkommen zu gewährleisten.
Bekannt ist, dass die Crossing-Over-Aktivität in den Regionen nahe dem Zentromer reduziert ist und eher in den vom Zentromer entfernten Bereichen auftritt. Es findet also keine genetische Rekombination von Genen in der Nähe des Zentromers statt. Dieses Phänomen ist als "Zentromereffekt" bekannt und legt nahe, dass das Zentromer selbst die Crossing-Over-Aktivität und -Verteilung beeinflusst. Welche Mechanismen genau die Verteilung der Crossing-Over-Aktivität steuern, ist jedoch noch nicht klar.
Chromosomen mit Hunderten von Zentromeren
Das Forscherteam um André Marques konnte nun weitere Einblicke in die Kontrollmechanismen der genetischen Rekombination gewinnen. Für ihre Studie nutzten die Forschenden die Schnabelriede, eine grasartige Blütenpflanze (Rhynchospora breviuscula), ein hervorragendes natürliches Werkzeug zur Untersuchung der Entstehung genetischer Rekombination. Die Modellpflanze besteht im Gegensatz zu Pflanzen, deren Chromosomen nur ein Zentromer besitzen (monozentrische Pflanzen), aus Chromosomen mit Hunderten von kleinen Zentromeren, die in einer Linie über das Chromosom angeordnet sind. Mit diesem so genannten holozentrischen Chromosomen schließen die Forschenden den Einfluss eines lokalisierten Zentromers ebenso aus wie die in Abschnitte unterteilte Organisation eines Chromosoms, bei der Zentromere und Gene gleichmäßig über das Chromosom verteilt sind.
Zum ersten Mal gelang es den Forschenden, eine genetische Rekombinationskarte in einer holozentrischen Pflanze zu erstellen und das Auftreten von genetischem Materialaustausch zu analysieren. Im Gegensatz zu monozentrischen Chromosomen trat die Crossing-Over-Aktivität auch in der Nähe der Zentromere auf. Auffallend ist jedoch, dass der genetische Austausch ungleichmäßig über die Chromosomen verteilt ist – mit einer höheren Konzentration an den Enden der Chromosomen. Darüber hinaus konnte das Team zeigen, dass die Verteilung der Crossing-Overs von der Verteilung genetischer und epigenetischer Chromosomenmerkmale weitgehend unbeeinflusst blieb.
Die Zentromer Region sowie epigenetischen Regulierungen scheinen also nicht der Hauptfaktor für die Steuerung der Crossing-Over-Verteilung zu sein. Stattdessen schlagen Marques und sein Team vor, dass das Verhalten während der Paarung homologer Chromosomen die primäre Triebkraft für ein Crossing-Over ist, wobei die Telomere, spezifische Strukturen an den Enden jedes Chromosoms, eine Schlüsselrolle spielen.
Die Entdeckungen des Teams sind besonders vielversprechend für moderne Pflanzenzüchter, die auf den genetischen Austausch von Genen sowohl für günstige als auch für ungünstige Eigenschaften angewiesen sind. Dies stellt derzeit, insbesondere bei monozentrischen Pflanzen, eine Herausforderung dar für Gene, die sich in der Nähe des Zentromers befinden. "Zu verstehen, wie Pflanzen mit diffusen Zentromeren die Crossing-Over-Aktivität regulieren, ist von primärem Interesse, um die meiotische Rekombination im Rahmen der Pflanzenzucht zu steuern, zum Beispiel durch Auslösen des genetischen Austauschs in Regionen, die größtenteils überhaupt nicht rekombinieren", sagt Marques.