Auf dem Weg zu Zellen mit künstlicher Kohlendioxid-Fixierung
Drei Module für einen neuartigen Stoffwechselweg funktionieren auch in Bakterienzellen
Die synthetische Biologie schafft neue biochemische Wege für die Umwandlung von Kohlendioxid. Forschende des Max-Planck-Instituts für terrestrische Mikrobiologie haben einen synthetischen Zyklus entwickelt, der aus Kohlendioxid den zentralen Baustein Acetyl-CoA generiert. Den Forschenden gelang es, die drei Module des Zyklus jeweils erfolgreich in lebende Bakterien einzubringen. Die Arbeit ist ein bedeutender Schritt zur Realisierung synthetischer Wege für die Fixierung von Kohlendioxid in lebenden Zellen.
Die synthetische Biologie bietet einzigartige Möglichkeiten im Hinblick auf die Bewältigung der weltweiten Klimakrise, indem sie neue Kohlendioxid-Fixierungswege zur Abscheidung und Umwandlung von Kohlendioxid entwickelt, die noch effizienter sind als die in der Natur Vorhandenen. Die Anwendung dieser neuen Wege in verschiedenen in-vitro- und in-vivo-Systemen stellt jedoch immer noch eine grundlegende Herausforderung dar. Nun haben Forscherinnen und Forscher in der Gruppe von Tobias Erb einen neuen synthetischen Weg zur Kohlendioxidfixierung konstruiert, den sogenannten Theta-Zyklus. Er beinhaltet mehrere zentrale Metaboliten als Zwischenprodukte und den zentralen Baustein Acetyl-CoA als Endprodukt. Diese Eigenschaften ermöglichen es, den Zyklus in Teilmodule zu zerlegen und diese in den zentralen Stoffwechsel von E. coli zu integrieren.
Am gesamten Theta-Zyklus sind 17 Biokatalysatoren beteiligt, darunter die beiden schnellsten bisher bekannten Kohlendioxid-fixierenden Enzyme: Crotonyl-CoA-Carboxylase/Reduktase und Phosphoenolpyruvat-Carboxylase. Die Forschenden haben die sehr effektiven Biokatalysatoren in Bakterien entdeckt. Obwohl jede der Carboxylasen Kohlendioxid bis zu zehnmal schneller einfangen kann als Rubisco, das Kohlendioxid-fixierende Enzym in Chloroplasten, brachte die Evolution selbst diese fähigen Enzyme nicht als Teil der natürlichen Fotosynthese zusammen.
Zentraler Baustein Acetyl-CoA
Der Theta-Zyklus wandelt pro Durchgang zwei Moleküle Kohlendioxid in ein Molekül Acetyl-CoA um. Acetyl-CoA ist ein zentraler Metabolit in fast allen zellulären Stoffwechselvorgängen und dient als Baustein für eine breite Palette lebenswichtiger Biomoleküle, darunter Biotreibstoffe, Biomaterialien und Medikamente. Nach der Konstruktion des Zyklus im Reagenzglas bestätigten die Forschenden seine Funktionalität.
Dann folgte das Training: Durch rationale Optimierung, unterstützt durch maschinelles Lernen, konnte das Team in mehreren Versuchsreihen die Ausbeute an Acetyl-CoA um den Faktor 100 steigern. Um den Ablauf in vivo zu testen, sollte der Einbau in die lebende Zelle Schritt für Schritt erfolgen. Zu diesem Zweck teilten die Forscher den Theta-Zyklus in drei Module auf, von denen jedes erfolgreich in das Bakterium E. coli eingebaut wurde. Die Funktionsfähigkeit der Module wurde durch wachstumsgekoppelte Selektion und/oder Isotopenmarkierung überprüft. „Das Besondere an diesem Zyklus ist, dass er mehrere Zwischenprodukte enthält, die als zentrale Metaboliten im Stoffwechsel des Bakteriums dienen. Diese Überlappung bietet die Möglichkeit, einen modularen Ansatz für seine Umsetzung zu entwickeln", erklärt Shanshan Luo, Erstautorin der Studie. „Wir konnten die Funktionalität der drei einzelnen Module in E. coli nachweisen. Allerdings ist es uns noch nicht gelungen, den gesamten Zyklus zu schließen, so dass E. coli vollständig mit Kohlendioxid wachsen kann", fügt sie hinzu.
Die Schließung des Theta-Zyklus ist nach wie vor eine große Herausforderung, da alle 17 Reaktionen mit dem natürlichen Stoffwechsel von E. coli synchronisiert werden müssen, der von Natur aus Hunderte bis Tausende von Reaktionen umfasst. Doch die Realisierung des gesamten Zyklus in vivo ist nicht das einzige Ziel. „Unser Zyklus hat das Potenzial, eine vielseitige Plattform für die Produktion wertvoller Verbindungen direkt aus Kohlendioxid zu werden, indem wir das Ausgangsmolekül Acetyl-CoA weiter nutzen", sagt Shanshan Luo. „Dass es dem Team gelang, Teile des Theta-Zyklus in die Realität umzusetzen, ist ein wichtiger Grundsatzbeweis für die synthetische Biologie", sagt Tobias Erb. „Die modulare Umsetzung dieses Zyklus in E. coli ebnet den Weg zur Realisierung hochkomplexer, orthogonaler, neuartiger Kohlendioxid-Fixierungswege in Zellfabriken. Wir lernen gerade, den zellulären Stoffwechsel komplett neu zu programmieren, um ein synthetisches autotrophes Betriebssystem für die Zelle zu schaffen."