Der Krimi um die Exomonde

Entdeckung riesiger Exomonde um die Planeten Kepler-1625b und Kepler-1708b in Frage gestellt

So wie man davon ausgehen kann, dass die Sterne unserer Milchstraße von Planeten umkreist werden, sollten auch Monde um diese Exoplaneten keine Seltenheit sein. Umso schwieriger ist es, sie nachzuweisen. Nur bei zwei der mehr als 5300 bekannten Exoplaneten wurden bisher Hinweise auf Monde gefunden. Eine neue Datenauswertung zeigt nun exemplarisch, dass wissenschaftliche Aussagen selten schwarz oder weiß sind, dass hinter jedem Ergebnis auch eine mehr oder weniger große Unsicherheit steckt und dass der Weg zu einer Aussage oft einem Krimi gleicht.

In Messdaten der Planeten Kepler-1625b und Kepler-1708b, die mit Hilfe der Weltraumteleskope Kepler und Hubble aufgenommen wurden, hatten Forschende erstmals Anzeichen für weitere Himmelskörper entdeckt, sogenannte Exomonde, die diese Exoplaneten umkreisen könnten. Forscher des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Göttingen und des Sonnenberg Observatoriums haben die Daten noch einmal genau analysiert. Demnach wäre eine „mondfreie“ Interpretationen der Daten naheliegender. Die Forscher nutzten für die Analyse ihren neu entwickelten Computer-Algorithmus Pandora, der die Suche nach Exomonden vereinfacht und beschleunigt. Zudem untersuchen sie, welche Art von Exomonden in typischen Messdaten überhaupt auffindbar ist. Die Antwort ist ernüchternd.

Dass ein Planet von einem oder mehreren Monden umrundet wird, ist in unserem Sonnensystem eher die Regel denn die Ausnahme: Abgesehen von Merkur und Venus schmücken sich alle anderen Planeten mit solchen Begleitern; im Fall des Gasriesen Saturn sind es sogar mehr als 140. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler halten es deshalb für wahrscheinlich, dass auch ferne Sternsysteme Monde beherbergen. Hinweise auf solche Exomonde gab es bisher jedoch nur in zwei Fällen: bei den Exoplaneten Kepler-1625b und Kepler-1708b. Diese geringe Ausbeute verwundert nicht. Schließlich dürften ferne Trabanten naturgemäß deutlich kleiner sein als ihre Heimatwelten – und somit deutlich schwerer zu finden. Zudem ist es ausgesprochen aufwändig, die Messdaten tausender Exoplaneten auf Hinweise von Monden zu durchkämmen.

Um die Suche zu erleichtern und zu beschleunigen, setzen die beiden Autoren der aktuellen Studie auf einen selbst entwickelten, für die Suche nach Exomonden optimierten Such-Algorithmus. Im vergangenen Jahr hatten sie ihre Methode veröffentlicht; der Algorithmus steht als Open Source Code allen Forschenden zur Verfügung. Angewandt auf die Messdaten von Kepler-1625b und Kepler-1708b ergab sich nun Erstaunliches. „Gerne hätten wir die Entdeckung von Exomonden um Kepler-1625b und Kepler-1708b bestätigt“, sagt René Heller vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. „Doch leider zeigen unsere Auswertungen etwas anderes“, fügt er hinzu.

Kosmisches Versteckspiel 

Der Jupiter-ähnliche Planet Kepler-1625b hatte vor fünf Jahren zum ersten Mal Schlagzeilen gemacht. Forscher der Columbia University in New York berichteten von deutlichen statistischen Hinweisen auf einen Riesenmond in seiner Umlaufbahn, der alle Monde des Sonnensystems in den Schatten stellen würde. Ausgewertet hatten die Wissenschaftler Messdaten des Nasa-Weltraumteleskops Kepler, das in seinem ersten Missionsabschnitt von 2009 bis 2013 mehr als 100.000 Sterne beobachtete und auf diese Weise mehr als 2000 Exoplaneten entdeckte. Doch in den folgenden Jahren lieferte der Exomond seinen Entdeckern eine Art kosmisches Versteckspiel: In erneuten Auswertungen derselben Daten zeigte er sich nicht mehr, während sich in weiteren Messungen des Weltraumteleskops Hubble erneut Hinweise fanden. Im vergangenen Jahr dann bekam der launisch anmutende Exomond Verstärkung: Auch um den Jupiter-großen Planeten Kepler-1708b soll ein kleinerer Körper seine Bahnen ziehen, so die New Yorker Forscher.

Der passende Match

„Exomonde sind so weit entfernt, dass man sie auch mit leistungsstarken Teleskopen leider nicht direkt sehen und nachweisen kann“, erklärt Dr. René Heller. Denn um solche extrasolaren Monde zu finden, untersuchen Astronominnen und Astronomen die Helligkeitsschwankungen ferner Sterne. Diese Daten werden auch als Lichtkurve bezeichnet. Zieht ein Exoplanet von der Erde aus betrachtet vor seinem Stern entlang, verdunkelt er während dieses sogenannten Transits den Stern in regelmäßigen Abständen um einen winzigen Bruchteil. Ein Exomond, der den Planeten begleitet, würde sich ähnlich auswirken. Allerdings wäre dessen Spur in der Lichtkurve nicht nur deutlich schwächer. Wegen der Bewegung, die Mond und Planet um ihren gemeinsamen Schwerpunkt vollziehen, würde diese zusätzliche Verdunklung in der Lichtkurve auch einem recht komplizierten Muster folgen. Zudem variiert die Helligkeit eines Sterns ganz ohne Planeten und Monde ständig. Und schließlich erzeugt auch das Teleskop, das die Helligkeitsschwankungen beobachtet, eine Art Rauschen in den Messdaten.

Um die Monde dennoch aufzuspüren, berechnen sowohl die New Yorker Forscher als auch ihre deutschen Kollegen zunächst abermillionen „künstliche“ Lichtkurven für alle denkbaren Größen, Abstände und Ausrichtungen möglicher Planeten und Monde. Ein Algorithmus vergleicht diese simulierten Lichtkurven dann mit der gemessenen Kurve und sucht die beste Übereinstimmung. Die Forscher aus Göttingen und Sonneberg nutzten nun dafür ihren Open-Source-Algorithmus Pandora, der auf die Suche nach Exomonden optimiert ist und diese Aufgabe um mehrere Größenordnungen schneller lösen kann als früher verwendete Algorithmen.

Keine Spur von Monden

Im Fall des Planeten Kepler-1708b können Szenarien ganz ohne Mond die Messdaten genau so treffend erklären wie solche mit Mond, so die Forscher in der aktuellen Studie. „Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mond um Kepler-1708b kreist, ist eindeutig geringer als bisher berichtet“, so Michael Hippke vom Sonneberg Observatorium. „Die Daten legen die Existenz eines Exomonds um Kepler-1708b nicht nahe“, so Hippke weiter.

Vieles spricht dafür, dass auch Kepler-1625b ohne kleineren Begleiter seine Runden zieht. Transits dieses Planeten vor seinem Stern wurden zuvor mit dem Kepler-Teleskop und dem Hubble-Teleskop beobachtet. Die Forscher argumentieren, dass in der ursprünglichen Auswertung der kombinierten Daten unter anderem die Mitte-Rand-Verdunklung des Sterns nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Als Mitte-Rand-Verdunklung beschreiben Fachleute, dass uns vom Rand eines Sterns weniger Strahlung erreicht als von seiner Mitte. Auch der Randbereich der Sonne erscheint auf Aufnahmen dunkler. Je nachdem, ob man den Heimatstern von Kepler-1625b durch das Kepler- oder das Hubble-Teleskop betrachtet, sieht die Mitte-Rand-Verdunklung allerdings verschieden aus. Das hängt mit dem Wellenlängenbereich des Lichtes zusammen, das die Teleskope verarbeiten. Die Forscher aus Göttingen und Sonneberg argumentieren nun, dass sie die Signale, die man für einen riesigen Exomond hielt, vielmehr durch eine korrekte Modellierung der Mitte-Rand-Verdunklung erklären können.

Ihre neuen, umfangreichen Analysen zeigen zudem, dass Exomond-Suchalgorithmen nicht selten zu falschpositiven Ergebnissen kommen: Immer wieder „entdecken“ sie einen Mond, wo gar keiner ist. Im Fall einer Lichtkurve wie der von Kepler-1625b dürfte die Quote der „falschen Treffer“ bei etwa 11 Prozent liegen. „Die frühere Exomond-Behauptung der Kollegen aus New York war das Ergebnis einer Suche nach Monden um dutzende Exoplaneten“, so Heller. „Nach unseren Abschätzungen ist ein falschpositiver Fund gar nicht verwunderlich, sondern geradezu zu erwarten“, fügt er hinzu. 

Sonderbare Satelliten

Die Forscher nutzten zudem ihren Algorithmus um zu prüfen, welche Art von Exomonden sich überhaupt durch deutlich auffindbare Spuren in Lichtkurven verraten würden. Demnach sind nur besonders große Monde, die in großem Abstand um ihren Planeten kreisen, nach heutigem Stand der Technik auffindbar. Im Vergleich zu den vertrauten Monden unseres Sonnensystems wären es allesamt Sonderlinge: mindestens doppelt so groß wie Ganymed, der größte Mond des Sonnensystems und damit fast so groß wie die Erde. „Die ersten Exomonde, die wir bei zukünftigen Beobachtungen wie der für 2026 geplanten Plato-Mission entdecken werden, werden sicher sehr ungewöhnlich und damit spannend zu erforschen sein“, sagt Heller.

BK/BEU

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