Berufswahl bei Stammzellen: Vorgegeben oder Selbstbestimmt?

Max-Planck-Forschende zeigen, wie die Signalmoleküle BMP und FGF während der Embryonalentwicklung als Gegenspieler agieren

Maurer, Banker, Lehrer – die Berufswahl ist eine der aufregendsten und wichtigsten Entscheidungen in unserem Leben. Auch für unsere Zellen steht diese Entscheidung zu Beginn der Embryonalentwicklung an. Die einen werden Blutzellen, die anderen Muskelzellen und wieder andere werden Nervenzellen. Das Team um Christian Schröter vom Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie in Dortmund hat nun herausgefunden, wie das Gegenspiel der zwei Signalmoleküle FGF und BMP die Berufswahl der Stammzellen beeinflusst. Besonders interessant ist, dass die Stammzellen ihr Schicksal auch selbst lenken können. Die Ergebnisse helfen dabei, die Zelldifferenzierung besser zu verstehen. Sie könnten so eine Grundlage für zukünftige Entwicklungen im Bereich der gezielten Kultivierung von Gewebe in Zellersatztherapien sein.

Was eine Stammzelle im frühen Embryo einmal werden soll, bestimmt ein Cocktail aus verschiedenen Signalmolekülen wie BMP, FGF, Wnt und Nodal maßgeblich. Dieser wird vom umliegenden extraembryonalen Gewebe zubereitet. Und je nach Mixtur entstehen z. B. Herz- oder Nervenzellen. Die Zusammensetzung der verschiedenen Signal-Cocktails ist gut erforscht. Die Rolle einer Zutat, des Fibroblasten-Wachstumsfaktors (FGF), der eine wichtige Rolle bei der Migration und dem Wachstum der Stammzellen spielt, ist jedoch bis heute weitgehend ungeklärt.

Die Forschenden um Christian Schröter konnten nun erstmals zeigen, dass FGF als Gegenspieler des Signalmoleküls BMP agiert. Ist wenig FGF vorhanden, hat BMP eine starke Wirkung und es entstehen eher Herzzellen und extraembryonales Mesoderm; liegt viel FGF vor, wird die Wirkung von BMP unterdrückt und es entwickeln sich eher Zellen der hinteren Körperachse.

Instruktiv oder intuitiv?

Früher haben die Eltern die Berufswahl ihrer Kinder maßgeblich bestimmt. Einen ähnlich instruktiven Vorgang – basierend auf der Sekretion von Signalmolekülen – nahmen Entwicklungsbiologen bisher auch bei der Entwicklung von Stammzellen an. Die Ergebnisse der Forschenden zeigen allerdings an, dass Stammzellen nicht allein durch externe Signale angeleitet werden, sondern ihr Schicksal durchaus selbst in die Hand nehmen können. Wurden die Stammzellen in der Kulturschale durch eine kontinuierliche FGF-Zugabe instruiert, z. B. Herzzellen auszubilden, entwickelten sich trotzdem intuitiv Gruppen ganz unterschiedlicher Zelltypen.

Die Forschenden vermuten dahinter eine Art Gruppeneffekt: Zellen, die eng beieinander liegen, gelingt es, miteinander zu kommunizieren. Sie senden selbst Signale aus, sodass sich die Nachbarzellen in die gleiche Richtung entwickeln: Aus ihnen wird einmal der gleiche Zelltyp, sie ergreifen denselben Beruf. „Unsere Forschung leistet einen Beitrag dazu, den Ablauf und die Schlüsselspieler der Zelldifferenzierung besser zu verstehen“, erklärt Christian Schröter. „In Zukunft könnten diese und weitere Erkenntnisse dabei helfen, aus Stammzellen gezielt bestimmte Zelltypen zu generieren, um zum Beispiel abgestorbenes Gewebe nach einem Herzinfarkt ersetzen zu können. Bis jetzt ist eine selektive Kultivierung bestimmter Zelltypen noch nicht möglich.“

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