Schwarze Löcher im Doppelpack

Herumwirbelnde Materiejets geben Rückschlüsse auf sich umkreisende Schwarze Löcher in Zentren bestimmter Galaxien

Ein internationales Team unter der Leitung von Silke Britzen vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn hat supermassereiche schwarze Löcher in den Zentren von Galaxien untersucht, auf die Materie fällt, die dabei enorme Energiemengen freiwerden lässt. Blazare sind solche Galaxienkerne, bei denen ein Materiestrahl, der in der Umgebung des Schwarzen Lochs entsteht, direkt auf die Erde gerichtet ist. Die Forscher können nachweisen, dass die beobachtete Variabilität der Blazare auf die Präzession der Jet-Quelle zurückzuführen ist, die entweder durch die Anwesenheit eines zweiten massereichen Schwarzen Lochs in der Nähe des primären Schwarzen Lochs oder durch eine verkrümmte Akkretionsscheibe um ein einzelnes Schwarzes Loch verursacht wird.

Mit dem Begriff "Blazar" bezeichnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eines der dramatischsten Beispiele im Zoo von aktiven galaktischen Kernen (AGN), also akkretierenden supermassereichen Schwarzen Löchern in den Zentren von Galaxien. Blazare heißen die Schwarzen Löcher, deren Jet direkt auf die Erde gerichtet ist. Die Ergebnisse der jahrzehntelangen Untersuchungen von Blazaren wurden stets so interpretiert, dass die häufige und deutliche Aufhellung dieser Quellen, die so genannte Flare-Aktivität, mit dem Ausstoß von Jet-Komponenten aus dem Kern in den Jet verbunden ist, was zu einer plötzlich verstärkten Emission führt.

Jets von Blazaren sind oft gekrümmt und nicht so linear ausgerichtet, wie man es erwarten könnte. Man nimmt an, dass gewundene Jetstrukturen mit dem Ausstoß von Komponenten aus dem Kern zusammenhängen. Es wurde vermutet, dass sowohl die gewundenen Jets als auch die Aufhellung der Zentralquelle einen zufälligen Ursprung haben - abhängig von der Fütterung des Schwarzen Lochs. Im Laufe der Jahre haben jedoch immer detailliertere Be-obachtungsergebnisse Zweifel an diesem möglicherweise zu einfach angesetzten Zusammen-hang aufkommen lassen.

Eine neue Veröffentlichung im „Astrophysical Journal“ stellt die angenommene Beziehung zwischen Ausstoß und Aufflackern für die hellen und stark veränderlichen Blazare in Frage. „Wir präsentieren Beweise und diskutieren die Möglichkeit, dass die tatsächliche Ursache eine Präzession der Jet-Quelle ist, die entweder durch ein supermassereiches binäres Schwarzes Loch am Fußpunkt des Jets oder - weniger wahrscheinlich - durch eine gekrümmte Akkretions-scheibe um ein einzelnes Schwarzes Loch verursacht wird, die für die beobachtete Variabilität verantwortlich ist“, sagt Silke Britzen vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, die Erstautorin der Untersuchung. Wenn Jets aufgrund der Präzession herumwirbeln, führt diese Bewegung aufgrund des Doppler-Effekts zu periodischen Änderungen der Intensität. Dieser Effekt wurde bei einer Reihe von Jets in aktiven Galaxienkernen über viele Jahre hinweg festgestellt.

Für OJ 287 - den besten Kandidaten für ein binäres supermassereiches Schwarzes Loch - konnten Silke Britzen und ihr Team in ihrer „Rosetta“-Veröffentlichung die Präzession als Ursache für die starken Helligkeits-schwankungen und die Jet-Biegung nachweisen. Erst kürzlich wurden Vorhersagen aus ihrer Veröffentlichung von Komossa et al. bestätigt. Die Forschenden haben das gleiche Modell nun auch auf andere Blazare angewendet. Für eine Stichprobe von zwölf prominenten AGN zeigen ihre Ergebnisse, dass die Variabilität in der Helligkeit und in der Jet-Krümmung tatsächlich durch den Einfluss der Präzession erklärt werden kann.

Das Forschungsteam bezweifelt nicht, dass die zugrundeliegende und schwer zu erforschende Jet-Physik auch durch interne Wechselwirkungen im Jet verursacht werden kann, die durch das so genannte Schock-in-Jet-Modell, durch Instabilitäten im Jet-Strahl oder durch energetische magnetische Rekonnexionen erklärt werden können. Allerdings wird das Aussehen der Jets durch die Präzession stark moduliert und verändert. Jets würden nicht so gekrümmt und so hell erscheinen, wäre die Präzession nicht am Werk. Mit dem Wissen um die Auswirkungen der Präzession kann nun das Zusammenspiel eines kinematischen Systems erforscht werden, das im Wesentlichen vorhersagbar ist, da es geomet-risch verstanden und modelliert werden kann. „Die Blazar-Variabilität in vielen Galaxien dürfte überwiegend nicht stochastischer, sondern eher deterministischer Natur sein“, ergänzt Silke Britzen. „Es ist faszinierend, das Innenleben der Maschinerie aktiver Galaxienkerne mit Hilfe von Variabilitätsstudien zu entschlüsseln.“

Eine der wichtigsten Folgerungen aus dieser Studie ist, dass die Krümmung des Jets wahrscheinlich ein Hinweis auf die Existenz von binären Schwarzen Löchern im Zentrum dieser Galaxien ist. So wird der Jet durch den Gravitationseinfluss eines zweiten Schwarzen Lochs auf das den Jet erzeugende Schwarze Loch zu einer mäandernden Bewegung gezwungen. Es gelang es dem Team auch, Spuren einer Nutationsbewegung kleinerer Amplitude in den Radio-Lichtkurven sowie in der Kinematik der Jet-Komponenten nachzuweisen – das ist ein Effekt zweiter Ordnung und ein weiterer Beweis für die Präzession.

„Die Physik von Akkretionsscheiben und Jets ist ziemlich komplex, aber ihre Hauptkinematik kann mit einfachen Kreiseln verglichen werden - wenn man ein externes Drehmoment auf eine Akkretionsscheibe ausübt, zum Beispiel durch ein umlaufendes sekundäres Schwarzes Loch, wird sie eine Präzessions- und ebenso eine Nutationsbewegung ausführen, und mit ihr auch der Jet. Das ist ähnlich wie bei der Rotationsachse der Erde, die von Mond und Sonne beeinflusst wird“, fügt Michal Zajaček von der Masaryk-Universität in Brünn, Tschechische Republik.

Radiobeobachtungen erreichen die höchste Auflösung bei astronomischen Beobachtungen, indem Radioteleskope über sehr große Entfernungen mit der „Very Long Baseline Radio Interferometry“ (VLBI) verbunden werden. Dies ist die gleiche Technik, die es dem Event-Horizon-Teleskop (EHT) ermöglichte, zum ersten Mal den Schatten eines Schwarzen Lochs abzubilden und das 6,5 Milliarden Sonnenmassen umfassende Schwarze Loch im Zentrum der Galaxie M87 zu beobachten.

Die Suche nach engen Paaren supermassereicher Schwarzer Löcher läuft seit Jahrzehnten und gleicht der Suche nach einer Stecknadel im Heuhaufen. „Noch fehlt uns die ausreichende Auflösung, um die Existenz von supermassereichen binären Schwarzen Löchern direkt nachzuweisen. Aber die Präzession ihrer Jets scheint die beste Sig-natur solcher Objekte zu sein, deren Existenz nicht nur von Forschergruppen im Bereich Schwarze Löcher und AGNs erwartet wird, sondern auch im Bereich der Gravitationswellen, wo erst vor kurzem Beweise für die Existenz eines kosmischen Gravitationshintergrunds veröffentlicht wurden, der auf die Gravitationswellen zurückzuführen ist, die bei der Verschmelzungen massereicher Schwarzer Löcher im Laufe der kosmischen Geschichte ausgesandt werden“, schliesst Silke Britzen.

Weitere Informationen

Supermassereiche Schwarze Löcher befinden sich in der Regel in den Zentren von Galaxien. In aktiven Galaxien wird davon ausgegangen, dass die Akkretion von Materie auf das zentrale Schwarze Loch die enormen Energiemengen erzeugt, die die gesamte Galaxie überstrahlen können – das macht solche zentralen Regionen, die als Aktive Galaktische Kerne (AGN) bezeichnet werden, zu den leuchtkräftigsten, beständigen Quellen im Universum. Ausgedehnte, bipolare Plasmastrahlen, die sich mit relativistischer Geschwindigkeit bewegen, so genannte Jets, werden durch ein starkes Magnetfeld aus der Zentralregion eines supermassereichen Schwarzen Lochs ausgestoßen.

Es wird beobachtet, dass sich helle Flecken im Jet, so genannte Jet-Komponenten, in den Jets mitbewegen. Diese Komponenten scheinen sich oft mit Überlichtgeschwindigkeit zu bewegen. Das steht jedoch nicht im Widerspruch zu Einsteins Spezieller Relativitätstheorie, da es sich leicht durch einen bekannten relativistischen Projektionseffekt erklären lässt. Da sich das Strahlmaterial mit Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit bewegt und auf den Beobachter gerichtet ist, erscheint die beobachtete Geschwindigkeit erhöht, da sich die beobachtete Ankunftszeit des Lichts verkürzt, wenn sich die Komponente auf den Beobachter zubewegt. Gleichzeitig wird die Intensität durch so genanntes relativistisches Beaming verstärkt, was auf verschiedene Weise überprüft werden kann, etwa durch die Untersuchung der Helligkeitsänderung in den Jets. Die physikalischen Prozesse, die erklären, wie diese Komponenten entstehen, sind noch unbekannt.

 

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht