Der träge Tanz supermassereicher Schwarzer Löcher

Groß angelegte Beobachtungskampagne liefert neue Erkenntnisse über Schwarz-Loch-Paar im Zentrum der aktiven Galaxie OJ 287

Eine Langzeitstudie mit Daten von vier Teleskopen vom Radio- bis zum Hochenergiefrequenzbereich dringt zum Kern der viel diskutierten aktiven Galaxie OJ 287 vor und enthüllt weitere Details über die Vorgänge in ihrem Inneren. Die Ergebnisse des internationalen Teams unter der Leitung von Stefanie Komossa vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie verdichten die Hinweise auf ein System aus zwei Schwarzen Löchern und stellen das primäre Schwarze Loch erneut auf die Waage.

Blazare sind eine besondere Klasse von Galaxien, die sich durch hohe Aktivität und extreme Leuchtkraft auszeichnen. Die treibenden Motoren dieser Galaxien sind Schwarze Löcher, die sich in ihren Kernen verbergen und Millionen bis Milliarden Mal schwerer sind als unsere Sonne. In der Vergangenheit des Universums liefen diese Motoren immer dann auf Hochtouren, wenn sie durch die Kollision zweier Galaxien frischen Treibstoff in Form von Materie erhielten. Bei der anschließenden Verschmelzung der beiden Galaxien entstehen supermassereiche binäre Schwarze Löcher. Die Erforschung solcher Schwarz-Loch-Paare verrät viel über die Entwicklung von Galaxien und das Wachstum Schwarzer Löcher.

Schwarzes Loch auf der Waage 

OJ 287 ist eine der wenigen aktiven Galaxien, bei denen es starke Hinweise auf ein solches massereiches Doppelsystem von Schwarzen Löchern gibt. Ein Indiz sind Strahlungsausbrüche, die direkt auf die Prozesse im Zentrum der Galaxie zurückzuführen sind. Diese wiederholen sich alle 11 bis 12 Jahre und bestehen genau genommen aus jeweils zwei Helligkeitsanstiegen im Abstand von etwa einem Jahr. Während dieses Verhalten mit hoher Sicherheit auf zwei sich umkreisende Schwarze Löcher zurückzuführen ist, gibt es eine Reihe von möglichen Szenarien, wie ein solches System aussehen könnte. Das Team um Stefanie Komossa vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie hat nun mittels einer beispiellosen Beobachtungskampagne das bisher favorisierte Modell revidiert. Dabei haben die Forschenden erstmals auch die Masse des primären Schwarzen Lochs direkt bestimmt. Diese dürfte mit 100 Millionen Sonnenmassen etwa hundertmal leichter sein als bisher angenommen und erklärt zugleich die gesamte, nun detailliert vermessene Historie der Strahlungsausbrüche von OJ 287.

Einblicke in das Unsichtbare 

Die Galaxie OJ 287 ist zu weit entfernt, um den kompakten Kernbereich um die vermuteten Schwarzen Löcher mit Teleskopen räumlich aufzulösen. Da dieser Bereich aber die Helligkeit der gesamten Galaxie dominiert, lässt sich die von dort ausgehende Strahlung von der Erde aus nicht nur einfach nachweisen – ihre Untersuchung erlaubt es auch, die im hellen Kern verborgenen Vorgänge mit gewissen Einschränkungen zu rekonstruieren. Dabei ist es hilfreich, die Energiequelle und die zugrunde liegenden Prozesse zu kennen. Materie, die in einer Scheibe in Richtung des dominierenden supermassereichen Schwarzen Lochs kanalisiert wird, gibt Gravitationsenergie in Form von Strahlung im optischen und ultravioletten Spektralbereich ab. Ein Jet, der im Zentrum dieser Materiescheibe um das primäre Schwarze Loch herum entspringt, beschleunigt Teilchen in einem schmalen Strahl aus dem Galaxienkern heraus. Dabei entsteht starke Strahlung vom Radio- bis zum Röntgen- und Gammastrahlenbereich.

„OJ 287 ist ein exzellentes Labor, um die physikalischen Bedingungen zu untersuchen, die in einer der extremsten astrophysikalischen Umgebungen herrschen: Scheiben und Jets von Materie in unmittelbarer Nähe von einem oder zwei supermassereichen Schwarzen Löchern“, sagt Stefanie Komossa vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie, die Erstautorin der beiden jetzt veröffentlichten Studien. „Deswegen haben wir das Projekt Momo („Multiwavelength Observations and Modelling of OJ 287“) initiiert. Es bedient sich dicht getakteter Beobachtungen von OJ 287 bei mehr als 14 Frequenzen vom Radio- bis zum Hochenergiebereich, die sich über Jahre erstrecken, sowie spezieller Nachbeobachtungen von mehreren boden- und weltraumgestützten Observatorien, wenn der Blazar in außergewöhnlichen Zuständen gefunden wird.“

Die sich wiederholenden Helligkeitsspitzen von OJ 287 lassen sich im Modell des Doppel-Schwarz-Loch-Systems insbesondere durch die Bewegung des zweiten, masseärmeren Schwarzen Lochs erklären, das das primäre Schwarze Loch umkreist. Auf seiner geneigten Umlaufbahn stört es entweder den Jet oder die Materiescheibe des massereicheren Schwarzen Lochs und verursacht so die periodisch wiederkehrenden Helligkeitsausbrüche von OJ 287. Messungen mit dem 100-Meter-Radioteleskop Effelsberg führen den jüngsten Ausbruch direkt auf den Jet zurück. Es ist, als ob man in einen gleißenden Scheinwerfer blickt, der alles dahinter überstrahlt.

Starke Anzeichen für zwei supermassereiche Schwarze Löcher im Kern

Das bisher gängige Modell für die Vorgänge im Zentrum von OJ 287 ging von einem primären Schwarzen Loch aus, das zehn Milliarden Mal so schwer ist wie die Sonne. Nach diesem Modell wäre der nächste Strahlungsanstieg im Oktober 2022 zu erwarten gewesen – eine Vorhersage, die sich jedoch nicht bestätigte. Stattdessen entdeckten die Astronominnen und Astronomen diesen Ausbruch dank der engmaschigen Daten der Momo-Kampagne viel früher, nämlich zwischen den Jahren 2016 und 2017. Damit verlor das bisherige Modell seine Gültigkeit. Die Forschenden gehen nun von einem hundertmal leichteren Schwarzen Loch aus, dessen Masse sich unabhängig bestätigen ließ. Daraus ergibt sich auch, dass die Umlaufbahn des vermuteten sekundären Schwarzen Lochs um das primäre weniger stark taumeln sollte als bisher angenommen. Dieses Verhalten hat direkte Auswirkungen auf die zu erwartenden Helligkeitsausbrüche, welche mit den neuen Messungen übereinstimmen. „Dieses Ergebnis ist sehr wichtig, denn die Masse ist zudem ein Schlüsselparameter in den Modellen, die die Entwicklung eines solchen Binärsystems untersuchen: Wie weit sind die Schwarzen Löcher voneinander entfernt, wie schnell werden sie verschmelzen, wie stark ist ihr Gravitationswellensignal“, sagt Dirk Grupe von der Northern Kentucky University (USA), ein Mitautor beider Studien.

Gravitationswellen und ein Foto?

Die Momo-Ergebnisse stimmen die Autorinnen und Autoren optimistisch, mit zukünftigen weltraumgebundenen Observatorien Gravitationswellen dieses oder ähnliche Binärsysteme nachweisen zu können. Möglicherweise lassen sich die beiden Schwarzen Löcher in OJ 287 sogar mit einem großen Netzwerk von Radioteleskopen räumlich auflösen, etwa mit dem aus den Medien bekannten Event-Horizon-Telescope oder dem noch im Bau befindlichen Square-Kilometre-Array. Dies wäre der erste direkte Nachweis eines engen Systems aus zwei supermassereichen Schwarzen Löchern im Zentrum einer Galaxie.

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