Rohstoff Rinde

Aus einem Abfallprodukt der Holzwirtschaft lassen sich ohne Klebstoff stabile Platten herstellen

Baumrinde eignet sich möglicherweise als ähnlich vielseitiger Werkstoff wie Holz. Ein Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam hat Baumrinde zu Platten gepresst, die ähnliche mechanische Eigenschaften aufweisen wie Pressspanplatten, aber keinen Klebstoff enthalten. Solche Platten könnten etwa in der Möbel- oder Verpackungsindustrie Anwendung finden.

Baumrinde gilt in der Holzwirtschaft bislang eher als minderwertiges Abfallprodukt. Zwar enthält sie diverse nützliche Chemikalien, wird allenthalben zum Mulchen im Garten verwendet und manchmal auch zur Energiegewinnung verbrannt, findet aber längst nicht so vielfältige Anwendung wie Holz. Nun könnten sich aber neue Einsatzmöglichkeiten für Baumrinde ergeben. Denn ein Team um Charlett Wenig und Michaela Eder, die am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung forschen, haben die Rinde von Birken, Eichen, Lärchen und Kiefern zu Platten gepresst, die ähnlich hohe Biegebelastungen aushalten wie Pressspanplatten.

Mit welcher Kraft eine Platte gebogen werden muss, um sie zu brechen, ist eine wichtige Kenngröße von Holzwerkstoffen – man denke nur an Regalbretter. Die Platten aus Eichenrinde erwiesen sich in dieser Hinsicht sogar stabiler als manche Spanplatte. „Wir waren selbst überrascht, dass die mechanischen Eigenschaften der Platten gleich bei unseren ersten Versuchen mit denen von Spanplatten vergleichbar waren - deren Eigenschaften werden immerhin bereits seit Jahrzehnten optimiert“, sagt Michaela Eder, Forschungsgruppenleiterin am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung.

Stabile Verbindung ohne Klebstoff

Um die Rindenplatten herzustellen, schälten die Forscherinnen zunächst handtuchgroße Rindenstücken von Bäumen, brachten sie in eine ebene Form, indem sie die Platten in einem Holzgestell einspannten, und trockneten sie. Dann legten sie jeweils zwei Rindenstücke mit den borkigen Außenseiten aufeinander, und zwar so, dass sie der Wuchsrichtung nach kreuzweise übereinander lagen. Nun pressten sie die Rinden bei 90 Grad Celsius 20 Minuten lang mit Drücken von 20 beziehungsweise 97 Bar zusammen.

Unter der Behandlung verbanden sich die Rindenstücke zu einem stabilen Gefüge, wobei die Sandwiches aus Eichenrinde im Vergleich zu solchen aus Lärchenrinde deutlich besser hielten. So ließen sich die Eichenrindenplatten quer zu Plattenebene nur mit etwa der gleichen Kraft  auseinanderziehen, die nötig ist, um Spanplatten auf diese Weise zu zerstören – und das obwohl die Forscherinnen die Rindenstücke ganz ohne Klebstoff miteinander verbanden. „Ein großer Vorteil von reinen Einkomponentenprodukten ist, dass nach ihrer Nutzung keine Trennung der Komponenten erforderlich ist,“ sagt Charlett Wenig, die den Rohstoff Rinde in ihrer Doktorarbeit untersucht hat. Warum sich die Rindenplatten nur mit Druck und Wärme stabil verbinden, können die Forscherinnen und Forscher noch nicht im Detail erklären.

Glatt wie geschliffene Holzoberflächen

Die Struktur und Eigenschaften der Rindenplatten analysierte das Team mit diversen Methoden. Neben den Biegetests, bestimmten sie auch die Rauhigkeit der Oberfläche, nahmen Dichtemessungen vor und durchleuchteten die Materialien mithilfe der Mikrocomputertomografie. So stellten sie etwa fest, dass die Platten beim Pressen ähnlich glatt wurden wie geschliffene Holzoberflächen. Zudem untersuchten sie, wie stark die Platten bei Änderungen der Luftfeuchtigkeit aufquollen beziehungsweise schrumpften – ein wichtiges Merkmal von Holzwerkstoffen, da der Feuchtigkeitsgehalt auch die Eigenschaften beeinflusst und etwa Möbel, die sich bei hoher Luftfeuchtigkeit stark verziehen, nur schwer verkäuflich sein dürften. Auch in dieser Hinsicht verhielten sich die Rindenplatten etwa so wie nicht feuchtebeständige Spanplatten – sie quollen bei hoher Luftfeuchtigkeit um wenige Prozent auf. „Das muss man wie beim Holz berücksichtigen, wenn man aus Rinde etwa Möbel bauen möchte“, sagt Michaela Eder. Dass Rinde sich auch formen lässt, wies das Team schließlich nach, indem sie Rindenstücke in U-förmig gebogene Formen presste. Nun wollen die Forschenden untersuchen, wie sich die Eigenschaften der Rindenplatten durch Variationen von Druck und Temperatur bei der Verarbeitung weiter verbessern lassen.

MPIKG/PH

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