Kupfer lässt Samenkapseln explodieren

Spezielle Gene steuern die mechanische Struktur der explodierenden Samenkapseln 

Pflanzen haben zahlreiche Strategien entwickelt, um ihre Samen großflächig zu verbreiten. Einige verstreuen ihre Samen mit dem Wind, während andere Tiere und Vögel dazu verleiten, ihre mit Samen gefüllten Früchte zu naschen. Und einige seltene Pflanzen – darunter das Behaarte Schaumkraut Cardamine hirsuta – haben explodierende Samenkapseln entwickelt, die ihre Samen in alle Richtungen schleudern.

In einer neuen Studie, die in PNAS veröffentlicht wurde, haben Angela Hay und ihre Mitarbeiter vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln untersucht, welche Gene die mechanische Struktur dieser explodierenden Samenkapseln steuern. Dabei stellten sie fest, dass ein wichtiger Mikronährstoff, nämlich Kupfer, für die Bildung eines bestimmten Ligninmusters in den Samenkapseln unerlässlich ist. Lignin ist ein reichlich vorhandenes Pflanzenpolymer, das in Lignocellulose vorkommt, dem wichtigsten Strukturmaterial der Pflanzen. Es ist in den Wänden der Pflanzenzellen enthalten und für die Steifheit von Holz verantwortlich.

Die Samenkapseln von C. hirsuta bestehen aus zwei langen Klappen. Wenn die Samen bereit für die Verbreitung sind, trennen sich diese Klappen schnell und wickeln sich zurück, so dass die Samen über ein großes Gebiet hinweg geschleudert werden. Das Geheimnis der explosiven Natur dieser Kapseln liegt in ihrer einzigartigen mechanischen Konstruktion, die aus drei steifen Ligninstäben besteht, die durch Scharniere verbunden sind. Diese Scharniere sind für die explosive Freisetzung der Samen ausschlaggebend. Um diese Scharnierstrukturen zu erzeugen, wird Lignin in einem bestimmten Muster in einer einzigen Schicht von Samenkapselzellen abgelagert, dem so genannten Endokarp-b.

„Die mechanische Gestaltung, die es diesen Kapseln ermöglicht, zu explodieren, hängt davon ab, dass Lignin in einem bestimmten Muster in dieser einzigen Zellschicht abgelagert wird“, erklärt Angela Hay. „Wir wissen nur wenig darüber, was dieses Muster der Ligninablagerung steuert, und deshalb haben wir uns auf die Suche nach den Genen gemacht, die diesen Prozess regulieren. Wir konnten drei Gene identifizieren, die für die Verholzung der Zellwand in explodierenden Samenkapseln erforderlich sind. Diese Gene kodieren die Enzyme, die sogenannten Laccasen, die Lignin polymerisieren. Fehlen alle drei Laccase-Gene in der C.-hirsuta-Pflanze, fehlt ihr auch das Lignin in diesem speziellen Zelltyp.“

Das Forscherteam entdeckte auch ein weiteres Gen namens SPL7, das für die Verholzung der Samenkapseln von C. hirsuta benötigt wird. Dieses Gen kodiert ein Protein, das den Kupfergehalt in Pflanzen reguliert. Die Forscher entdeckten SPL7 im Rahmen eines Mutanten-Screenings. Mutierten Pflanzen, denen dieses Gen fehlte, mangelte es auch an Lignin in den Endokarp-b-Zellwänden. Ohne Lignin konnten sie ihre Samen nicht mehr weit verbreiten. Diese Effekte kehrten sich um, wenn die mutierten SPL7-Pflanzen in Böden mit hohem Kupfergehalt angebaut wurden, nicht aber, wenn sie in Böden mit niedrigem Kupfergehalt wuchsen. SPL7 unterstützt also die C.-hirsuta-Pflanzen dabei, genügend Kupfer zu sammeln, um vollständig explodierende Samenkapseln zu entwickeln, insbesondere wenn der Kupfergehalt niedrig ist.

Doch wie wirkt sich Kupfer auf die mechanische Struktur dieser explodierenden Samenkapseln aus?

Laccasen sind interessanterweise kupferbindende Proteine, die für ihre Funktion auf Kupfer angewiesen sind. „Kupfer ist das Bindeglied zwischen diesen beiden Erkenntnissen“, so Angela Hay. „Pflanzen brauchen SPL7, um mit zu wenig Kupfer im Boden zurechtzukommen, und Laccasen müssen für ihre enzymatische Aktivität Kupfer binden. Da Lignin für die Mechanik der explodierenden Samenkapseln von entscheidender Bedeutung ist und Laccasen, die Kupfer benötigen, diese Verholzung regulieren, ist die Ausbreitung der Samen von der Kontrolle des Kupfergehalts durch SPL7 abhängig.“

Diese Erkenntnisse liefern wichtige neue Einblicke in die Gene und die zellulären Prozesse, die diese außergewöhnlichen explodierenden Strukturen erzeugen. Sie werfen auch ein neues Licht auf die Rolle des Kupfers in diesem Prozess und auf den Prozess der Verholzung selbst, der nach wie vor kaum geklärt ist. Ein Grund dafür ist, dass große Genfamilien an der Ligninpolymerisation in pflanzlichen Zellwänden beteiligt sind. Herauszufinden, wie die einzelnen Gene beteiligt sind, ist daher eine Herausforderung, die jedoch mit den in dieser Studie vorgestellten Ansätzen wie CRISPR/Cas9-Geneditierung und bedingter Genexpression angegangen werden könnte.

Kupfermangel im Boden wirkt sich auf vielfältige Weise auf Pflanzen und Bäume aus. Deshalb kommen häufig Kupferdünger zum Einsatz. In der Forstwirtschaft stellt Kupfermangel ein besonderes Problem dar, da niedrige Kupferwerte zu einer Schwächung der Bäume infolge einer schlechten Verholzung führen können. „Unsere Arbeit stellt eine molekulare Verbindung zwischen Kupfer und Lignin über SPL7 und Laccasen her. Diese Erkenntnisse könnten zu neuen Ansätzen für eine nachhaltige Waldbewirtschaftung führen“, erklärt Angela Hay.

Auch im Hinblick auf eine nachhaltigere Produktion von Biokraftstoffen in der Zukunft könnten diese Erkenntnisse von Bedeutung sein. Verholzte Zellwände stellen für die Biokraftstoffproduktion eine Herausforderung dar, da sie schwer abbaubar sind und daher durch teure und energieintensive Vorbehandlungen aufgespalten werden müssen.  „Unsere Arbeit zeigt drei Laccasen auf, die die Verholzung in einem bestimmten Zelltyp steuern. Das Verständnis der genetischen Steuerung der Ligninpolymerisation bei verschiedenen Zelltypen und Pflanzenarten kann neue Ansätze für die Bioenergie auf der Grundlage der Zellwandtechnik eröffnen,“ so Angela Hay.

BA

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