Forschungsbericht 2021 - Max-Planck-Institut für Nachhaltige Materialien GmbH
Wie werden Metalle nachhaltig?
Fragestellung und gesellschaftliche Relevanz
Metalle sind das Rückgrat unserer Gesellschaft. Sie haben den Weg der menschlichen Zivilisation vom Pflug bis zum Raumfahrzeug geebnet. Nur metallische Werkstoffe verfügen über so unterschiedliche mechanische Eigenschaften wie Festigkeit, Härte, Schadenstoleranz, Fügbarkeit und Zähigkeit, oft verbunden mit Funktionen wie Korrosionsbeständigkeit, thermischer und elektrischer Leitfähigkeit und Magnetismus.
Metalle spielen eine große Rolle in unserer Umweltkrise: eine Positive, als Enabler von Nachhaltigkeit etwa in Windturbinen, Elektromotoren und Leichtbau, aber auch eine Negative, als weltweiter Hauptverursacher von Treibhausgasen. Die Metallproduktion verbraucht acht Prozent der globalen Energie und führt zu einem Drittel der industriellen CO2-Äquivalent-Emissionen, wenn man nur Stähle und Aluminiumlegierungen zählt.
Wie kann Grundlagenforschung made by Max Planck diese Probleme lösen?
Eisen und Stahl
Mit mehr als 1,8 Milliarden Tonnen Nachfrage pro Jahr ist Stahl das wichtigste metallische Material. Er kann durch Einschmelzen von Schrott recycelt werden, eine Ressource, die aber höchstens 30 Prozent der Nachfrage deckt. Daher muss frisches Eisen in riesigen Mengen aus Oxiden hergestellt werden. Diese werden zumeist in Hochöfen durch Kohlenmonoxid reduziert, gefolgt von einer teilweisen Entfernung des Kohlenstoffs durch Sauerstoff in Konvertern. Bei diesen Prozessen entstehen ca. 2,1 Tonnen CO2 pro Tonne Stahl. Dies macht die Stahlherstellung zur größten einzelnen industriellen Quelle von Treibhausgas-Emissionen (ca. 28 Prozent aller industriellen Emissionen).
Wir erforschen, wie sich diese gewaltigen CO2-Mengen um mehr als 80 Prozent senken lassen können: Dies ist der größte einzelne Hebel zur Bekämpfung der globalen Erwärmung.
Anstatt Eisenerze mit Kohlenstoff zu reduzieren, nutzen wir Elektronen oder Kohlenstoff-freie Reduktionsmittel in unterschiedlichen Zuführungen und Aggregatzuständen. Dies eröffnet ein weites Feld an Kombinationsmöglichkeiten, um Kohlenstoff fast komplett aus dem Herstellungsprozess zu eliminieren [1, 2].
Die unmittelbare Verwendung von Elektronen etwa mittels Elektrolyse ist in diesem Zusammenhang eine attraktive Technologie, da sie effizient ist und nachhaltige Stromquellen unmittelbar genutzt werden können. Zusätzlich wird der Umweg über die sehr energieintensive Erzeugung eines alternativen Reduktionsmittels wie etwa Wasserstoff vermieden. Dabei erforschen wir die grundlegenden Elektrodenreaktionen und Zwischenprodukte, geeignete Elektrodenmaterialien für die Schmelzflusselektrolyse sowie die sogenannte Tieftemperatur-Elektrolyse, bei der die Oxidpulver in ionischen Flüssigkeiten bei geringen Temperaturen in Eisen und Sauerstoff aufgespalten werden.
Ein weiterer Ansatz besteht darin, dass wir Wasserstoff und alternative Wasserstoff-Trägermoleküle anstelle von Kohlenstoff als Reduktionsmittel verwenden. Bei dieser Wasserstoff-basierten Direktreduktionuntersuchen wir die kinetischen Phänomene, verschiedene Oxide, Dispersionen und Reduktionsgemische, mechanochemische Effekte und die physikalischen Grundlagen unterschiedlicher Reaktorkonzepte wie etwa Wirbelschichtverfahren, bis hinunter auf atomistische und elektronische Dimensionen [3].
Ein Durchbruch ist uns bei einem weiteren Reduktionsverfahren gelungen: bei der Nutzung von plasmachemischer Reduktion [4]. Dieser Ansatz wirft nicht nur zahlreiche Grundlagenfragen zu vollkommen neuen physikalischen und chemischen Phänomenen der Plasmachemie auf, sondern er ist auch großtechnisch umsetzbar, sogar unter Verwendung bestehender industrieller Aggregate.

Die Motivation für diese Forschung ist, dass festes Eisen aus anderen Reduktionsszenarien wie der Direktreduktion nach der Synthese ohnehin geschmolzen werden muss, um das Material zu vergießen. Dieses Einschmelzen des sogenannten Eisenschwamms erfolgt in Lichtbogenöfen. Wir statten diese Öfen mit einer teilweise reduzierenden Atmosphäre bestehend aus Argon und Wasserstoff aus, so dass es zu einer plasmachemischen Reduktion von Oxiden kommt. Dabei wird das Eisenoxid mit nachhaltiger elektrischer Energie und geringem Wasserstoffanteil sehr schnell reduziert und gleichzeitig verflüssigt. Auch wird das aus beigefügten Schrotten unerwünschte Kupfer abgesenkt. Dies ist von großer Bedeutung, weil Plasma-basierte Reduktionsverfahren neben Eisenerzen im gleichen Prozess auch Schrott mitverarbeiten können (siehe Abb. 1).
Aluminium
Wenn es um Nachhaltigkeit geht, hat Aluminium zwei Gesichter. Aufgrund seiner geringen Dichte hilft es beim Einsparen von Treibstoff, ist jedoch ein sehr Kohlenstoff- und Energie-intensives Metall in der Herstellung. Durch Recycling wird Aluminium in der Gesamtbetrachtung nachhaltiger, denn selbst bei der Nutzung von Wasserkraft für die Primärsynthese (Herstellung aus Erzen) beträgt der Energiebedarf für das Schmelzen von Aluminium aus Schrott nur ca. fünf Prozent dieses Verbrauchs, aufgrund des mit 660°C niedrigen Schmelzpunktes von Aluminium. Die für das Recycling verfügbare Aluminiummenge wird sich bis 2050 etwa verdoppeln und eröffnet Möglichkeiten, die Metallerzeugung dem Ziel einer Kreislaufwirtschaft näher zu bringen.

Um Wege zu einem nachhaltigen Legierungsdesign zu finden, muss man verstehen, wie die zahlreichen schrottbedingten Verunreinigungselemente auf das Aluminium wirken. Hier entwickeln wir eine Wissenschaft ‘verunreinigter Legierungen’ und erforschen, wie sich Legierungen von vornherein so gestalten lassen, dass sie "schrottkompatibel" werden, um eine maximale Nutzung von Schrott zu ermöglichen; eine Eigenschaft, die diese Materialien mit dem "Gen der Wiederverwertbarkeit" ausstattet. Dazu studieren wir den Einfluss schrottbedingter Verunreinigungen auf die Thermodynamik und Kinetik von Ausscheidungsreaktionen sowie deren mechanische und elektrochemische Auswirkungen.