Wie entstehen die Muster des Zebrafisches?

Ein Tübinger Forschungsgruppe entdeckt ein Gen, das für die Biodiversität von Danio-Arten verantwortlich ist

Die Arbeitsgruppe von Christiane Nüsslein-Volhard am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen hat ein Gen identifiziert, das für die unterschiedlichen Muster von nahverwandten Arten des Zebrabärblings Danio rerio mitverantwortlich ist. Das Gen Obelix codiert für einen Kaliumkanal; diese Klasse von Proteinen steuert ebenfalls zahlreiche zelluläre Prozesse, die in einigen menschlichen Krankheiten gestört sind.

„[…] from so simple a beginning endless forms most beautiful and most wonderful have been, and are being, evolved.

– so beendet Charles Darwin im Jahr 1859 sein großes Werk „On the Origin of Species“, in dem er beschreibt, wie durch Variation und Selektion Arten sich verändern und wie neue Arten durch Aufspaltung entstehen können.

Farbmuster sind sehr wichtige Faktoren in der Evolution und für die Entstehung von Biodiversität. Bei manchen Arten dienen sie der Tarnung, bei anderen sind sie Warnsignale oder artspezifische Erkennungsmerkmale. Wie Pigmentmuster bei Tieren entstehen und welche Gene die Unterschiede zwischen den Arten bedingen, ist jedoch trotz der Auffälligkeit mancher Muster und ihrer generellen Bedeutung für die Evolution immer noch größtenteils unbekannt.

Einsatz des mit dem Nobelpreis für Chemie honorierten CRISPR/Cas9-Systems

Es gibt es einige Studien, die evolvierte Gene bei Farbmustern von Insekten beschreiben, aber bei Wirbeltieren, die genetisch sehr viel schwieriger zu erforschen sind, ist wenig bekannt. Die Tübinger Forscher setzten das neue, mit dem diesjährigen Nobelpreis für Chemie honorierte CRISPR/Cas9-System zur Genom-Editierung ein, um Mutationen auch in Arten zu erzeugen, die nicht zu den klassischen Labortieren gehören. Mit eleganten genetischen Tests gelang ihnen der Nachweis eines evolvierten Gens, das für die unterschiedlichen Muster von nahverwandten Fischarten mitverantwortlich ist.

Tropische Süßwasserfische der Gattung Danio, zu denen auch der gestreifte Zebrafisch (auch: Zebrabärbling, Danio rerio) gehört, haben sich seit etwa 10 Millionen Jahren in Südostasien in viele Arten aufgespalten, die sich leicht durch ihre attraktiven Farbmuster unterscheiden lassen (Abb. 1). Trotz ihrer nahen Verwandtschaft entwickeln sie sehr diverse Muster wie horizontale Streifen, vertikale Balken oder Tupfen in verschiedenen Farben und mit unterschiedlichen Kontrasten. Der Zebrafisch ist zu einem Star in der Forschung an Wirbeltieren geworden, wozu die genetischen Studien in der Arbeitsgruppe von Christiane Nüsslein-Volhard am Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie in Tübingen seit 30 Jahren wichtige Grundlagen bereitet haben.

Identifizierung zentraler Erbinformationen aus dreißigtausend Genen

Zebrafische können recht gut im Labor gehalten und gezüchtet werden. Sie werden heutzutage weltweit in vielen Bereichen der biomedizinischen Grundlagenforschung eingesetzt, um im Tiermodell Krankheiten besser zu verstehen und mögliche Therapieansätze zu entwickeln. Das hervorstechendste Merkmal der Fische ist jedoch ihr Farbmuster; dieses besteht aus präzisen waagrechten blauen und silbernen Streifen entlang des Körpers, die sich bis in die Schwanzflosse fortsetzen.

Fasziniert von dieser biologischen Ästhetik wird in der Tübinger Arbeitsgruppe die Entstehung und Evolution des Musters erforscht.  Die Streifen kommen durch die Verteilung von drei verschiedenfarbigen Pigmentzellen in der Haut zustande, schwarzen Melanophoren, orange-gelben Xanthophoren und silbrig-blauen Iridophoren. Spezifische Wechselwirkungen zwischen diesen Zellen kontrollieren ihre Verteilung in der Haut; ein Phänomen, das als Selbstorganisation bezeichnet wird. Welche der etwa 30.000 Gene des Fisches sind daran beteiligt?

Nachweis zentraler Gene und Schaltungsmechanismen zur Musterbildung

In mehreren aufwendigen Mutagenese-Screens, bei denen Mutationen im Genom des Zebrafisches zufällig erzeugt wurden, wurden Fische mit verändertem Farbmuster gefunden, zum Beispiel die Mutanten Obelix - mit breiten Streifen - oder Leopard, mit Tupfen statt Streifen (Abb. 2). Die DNA-Analyse dieser Gene ergab, dass die Proteine, für die sie kodieren, bei Zellkontakten beteiligt sind, die die Wechselwirkungen zwischen den drei Pigmentzelltypen in der Haut steuern.  Die Funktionen dieser Gene sind also essentiell für die Streifenbildung beim Zebrafisch, aber werden sie auch für die unterschiedlichen Muster der anderen Arten gebraucht? Haben sie sich gar so verändert, dass dadurch die unterschiedlichen Muster gebildet werden? Allein durch einen Vergleich der entsprechenden DNA-Sequenzen der Gene verwandter Arten ist diese Frage nicht zu beantworten. Zwischen den Arten haben sich im Laufe der Jahrmillionen viele kleine Unterschiede angesammelt, von denen die meisten sich neutral verhalten. Nur experimentell kann gezeigt werden, welche davon tatsächlich für die verschiedenen Muster verantwortlich sind. Der ideale Test wäre ein Austausch der Genvarianten zwischen verwandten Arten, aber das ist bisher jenseits der gentechnischen Möglichkeiten.

An- und Abschalten zentraler Genfunktionen erklärt Mechanismen der Musterbildung

In dem vom European Research Council (ERC) geförderten Projekt „DanioPattern“ haben die Forscher zunächst den Zebrafisch, Danio rerio, mit der Schwesterart Danio aesculapii verglichen. Trotz der sehr nahen Verwandtschaft zeigt D. aesculapii überraschender Weise ein vollkommen anderes Muster als der Zebrafisch, nämlich vertikale dunkle Balken (Abb. 1) Mit dem CRISPR/Cas9-System konnten auch in dieser bisher wenig erforschten Fischart Mutationen erzeugt werden, die Genfunktionen ausschalten. Es zeigte sich, dass Mutationen in Genen wie Obelix und Leopard, die bei D. rerio für die Streifenbildung essentiell sind, auch in D. aesculapii zu Änderungen des Farbmusters führen; die vertikalen Balken verschwinden vollkommen (Abb. 2). Das bedeutet, dass die getesteten Gene in beiden Arten bei der Bildung der so unterschiedlichen Muster wichtige Funktionen haben. „Wir waren überrascht, dass die verschiedenen Muster offensichtlich durch die Aktivität derselben Gene zustande kommen, aber sind diese gleichgeblieben oder haben sie sich im Laufe der Evolution verändert?“, fragt Christiane Nüsslein-Volhard.

Um evolvierte Gene zu finden, wandten die Forscher einen kritischen genetischen Test an, der darauf beruht, dass die verschiedenen Arten der untersuchten Fische so nah miteinander verwandt sind, dass lebensfähige Hybride entstehen können. Diese Hybride können auch zwischen Mutanten und Wildtypen hergestellt werden, da (wie bei fast allen Genen diploider Organismen) eine Genkopie ausreicht, um die Funktion zu erfüllen (Abb. 3a,d). Das ergibt die Möglichkeit, Unterschiede in der Genfunktion zu entdecken: Wechselseitige Hybride, bei denen jeweils das Gen einer Art funktionslos ist, unterscheiden sich nur in diesem einzigen Gen, alles andere ist identisch. Unterscheiden sich die Phänotypen dieser reziproken Hybride, so bedeutet das, dass das entsprechende Gen evolviert ist, findet man keine Unterschiede, so ist die Funktion gleichgeblieben. Die Forscher konnten mit solchen Hybriden Veränderungen im Gen Obelix identifizieren: stammt das funktionelle Obelix-Gen aus D. rerio, so entstehen Fische, die unverändert Streifen zeigen (Abb. 3b), während jene mit dem aus D. aesculapii große Tupfen bilden (Abb. 3c). Das bedeutet, dass das Obelix-Gen sich während der Evolution der beiden Arten funktionell verändert hat und zur Entstehung der unterschiedlichen Muster beiträgt. Das Leopard-Gen sowie zwei weitere Gene zeigten in diesem Test keine Veränderungen.

Evolution eines Steuerungsgens für zahlreiche zelluläre Zusammenhänge identifiziert

„Das Gen Obelix kodiert für ein Membranprotein (Kcnj13), das Wechselwirkungen zwischen Pigmentzellen kontrolliert. Kcnj13 gehört zur großen Klasse der Kaliumkanäle, die in vielen zellulären Zusammenhängen eine Rolle spielen; zum Beispiel sind sie wichtig für die Reizleitung von Nervenzellen, für die Muskelkontraktion oder für die Ausschüttung von Insulin in der Bauchspeicheldrüse. Beim Menschen werden eine Reihe von Krankheiten, wie Diabetes oder Herzrhythmusstörungen, mit defekten Kaliumkanälen in Verbindung gebracht“, berichtet der Projektleiter Uwe Irion. „Wir haben nicht nur die beiden Geschwisterarten getestet, sondern auch noch andere Danio-Arten; solche Hybride legen nahe, dass Obelix bei dem Zustandekommen von unterschiedlichen Mustern in zwei weiteren von acht untersuchten Arten eine Rolle spielt“, fügt Doktorand Marco Podobnik hinzu. „Damit wäre Obelix ein Knotenpunkt bei der Farbmusterevolution“.

Die Forscher wollen nun weiter untersuchen, was die Unterschiede zwischen den Genfunktionen verursacht, insbesondere ob die Struktur des Kaliumkanals oder die Steuerung der Genaktivität geändert ist. Die Studie zeigt, dass Genom-Editierung basierend auf dem CRISPR/Cas9-System erlaubt, an Tieren, die bisher der genetischen Analyse wenig zugänglich waren, Mutationen zu erzeugen. Der „reciprocal hemizygosity test“ konnte bisher fast nur mit Drosophila und Hefe durchgeführt werden, zwei vergleichsweise einfachen genetischen Modellorganismen. Das bedeutet eine essentielle Erweiterung des Spektrums der Forschungsmethoden, die damit betragen, die Grundlagen zur Entstehung und Evolution von Biodiversität zu entschlüsseln, was bis dato jenseits der Möglichkeiten der biologischen Forschung war.

org/10.1242/dev.00519

(9) Stern, D. L. (2014): Identification of loci that cause phenotypic variation in diverse species with the reciprocal hemizygosity test. Trends in Genetics, 30, 12:547-554. doi.org/10.1016/j.tig.2014.09.006

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