Großfamilie oder kinderlos
Eine Studie zeigt Faktoren, die beeinflussen, ob sich hochgebildete US-Amerikanerinnen ihren Kinderwunsch erfüllen oder nicht
Die Zahl der Kinder, die Männer und Frauen am Ende ihrer reproduktiven Phase in den USA tatsächlich haben, weicht in bestimmten Gruppen vom Kinderwunsch in jungen Jahren ab. Zwei wichtige gesellschaftliche Einflussfaktoren, den Zeitpunkt der ersten Eheschließung und den Zusammenhang zwischen Kinderwunsch und Bildungsgrad, hat Demografie-Forscherin Natalie Nitsche in ihrer aktuellen Studie untersucht.
Wie hängen Kinderwunsch in jungen Jahren, Bildungsniveau, Zeitpunkt der ersten Heirat und tatsächliche Zahl eigener Kinder im Alter 43 bei Männern und Frauen in den USA zusammen? Dieses komplexe Zusammenspiel untersuchte Natalie Nitsche, Wissenschaftlerin am Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock mit einer Kollegin und veröffentlichte die Studie im Fachmagazin Demography.
Die Forscherinnen entdeckten zwei entscheidende Zusammenhänge. Erstens: Gut ausgebildete Frauen mit dem Wunsch nach mindestens drei Kindern in jungen Jahren werden seltener überhaupt Mutter als weniger gebildete Frauen, die sich mindestens drei Kinder gewünscht hatten. Zweitens: der Zeitpunkt der ersten Eheschließung beeinflusst sowohl bei Männern als auch bei Frauen die spätere Kinderzahl, und ob sie überhaupt Eltern werden.
Wer sich die meisten Kinder wünscht, bleibt am häufigsten kinderlos
Für ihre Studie werteten die Wissenschaftlerinnen Daten der National Longitudinal Survey of Youth 1979 aus. In dieser repräsentativen Längsschnittbefragung berichten mehrere Tausend US-Amerikaner und US-Amerikanerinnen, die zwischen 1957 und 1964 geboren wurden, regelmäßig unter anderem über ihren Kinderwunsch, ihre Bildungsabschlüsse oder ihre Arbeitsmarkterfahrung. In den Analysen verwendeten die Forscherinnen Daten von mehr als 5000 Befragten. Diese teilten sie nach ihrem Bildungsabschluss in vier verschiedene Gruppen auf. Zudem bildeten sie mit denselben Befragten drei Gruppen, und zwar nach deren Kinderwunsch in jungen Jahren: je nachdem ob die Befragten als sie zwischen 14 und 18 Jahre alt waren, angaben entweder keine Kinder/ein Kind oder zwei Kinder oder mindestens drei Kinder haben zu wollen.
Beim Vergleich der Gruppen entdeckten die Forscherinnen Folgendes: Für Frauen mit einem Bachelor oder einem höheren Abschluss, die sich in jungen Jahren mindestens drei Kinder wünschten, ist im Gruppenvergleich die Wahrscheinlichkeit am größten kinderlos zu bleiben. Sie haben demnach eher keine Kinder, als Frauen mit gleichem Bildungsabschluss, die sich zwei Kinder wünschten; und auch als Frauen mit geringerem Bildungsabschluss, die sich in jungen Jahren ebenso viele Kinder wünschten.
Gesellschaftliche Normen scheinen wichtiger als biologische Faktoren
Wenn gut ausgebildete Frauen, die sich viele Kinder wünschen, allerdings in jungen Jahren Mütter werden, dann haben sie die meisten Kinder im Studienvergleich. „Diese Frauen machen wohl seltener als andere halbe Sachen. Sie entscheiden sich entweder für eine Großfamilie oder dafür, gar keine Kinder zu bekommen“, sagt Natalie Nitsche.
Egal ob Mann oder Frau: Wer erst in einem Alter über 30 Jahren zum ersten Mal heiratet oder eine feste Partnerschaft eingeht, kriegt seltener überhaupt Kinder. „Es scheint, als spielen biologische Faktoren eine geringere Rolle als gesellschaftliche Einflüsse“, sagt Natalie Nitsche. Auch wenn Männer vermutlich länger Kinder zeugen können als Frauen, werden Männer trotzdem nicht wesentlich häufiger als Frauen noch Eltern, wenn die erste feste Partnerschaft jenseits der 35 eingegangen wird. Das trifft zumindest auf die untersuchte amerikanische Geburtskohorte zu. „Damit haben wir zwei der entscheidenden Faktoren entdeckt, die erklären warum US-Amerikaner und -Amerikanerinnen in bestimmten Fällen weniger Kinder kriegen, als sie sich wünschen“, sagt Natalie Nitsche. Ob dieser Zusammenhang auch auf Männer und Frauen, die nach 1965 geboren wurden, oder auf europäische Länder zutrifft, müssen weitere Studien zeigen.