Ana­ly­se von Um­welt­mi­kro­ben mit phy­lo­F­lash

Max-Planck-Forschende entwickeln nutzerfreundliche Software, mit der sie SSU-rRNA von Metagenom-Daten rekonstruieren können

9. November 2020

Mit wel­chem Or­ga­nis­mus sie es zu tun ha­ben, be­stim­men Mi­kro­bio­lo­gen oft mit­hil­fe der klei­nen Un­ter­ein­heit der ri­bo­so­ma­len RNA, der so­ge­nann­ten SSU rRNA. Die­ses Mar­ker-Gen er­laubt es, fast je­des Le­be­we­sen, also nicht nur Bak­te­ri­en, son­dern bei­spiels­wei­se auch Tie­re, zu iden­ti­fi­zie­ren und ih­nen da­mit ih­ren Platz im Stamm­baum des Le­bens zu­zu­wei­sen. For­schen­de am Bre­mer Max-Planck-In­sti­tut für ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie stel­len nun eine Me­tho­de vor, die die­se Lü­cke schließt und es er­laubt, aus den Roh­da­ten von Me­ta­ge­no­men die SSU rRNA zu re­kon­stru­ie­ren und ana­ly­sie­ren.

Kennt man die Po­si­ti­on im Stamm­baum, kann man spe­zi­fi­sche Son­den ent­wi­ckeln, um mit die­sen die ge­fun­de­nen Or­ga­nis­men sicht­bar zu ma­chen – eine Me­tho­de na­mens FISH (Fluo­res­zenz in situ Hy­bri­di­sie­rung). FISH nutzt man bei­spiels­wei­se, um Zel­len zu sor­tie­ren oder die Mor­pho­lo­gie oder Lage von Or­ga­nis­men zu­ein­an­der mi­kro­sko­pisch zu er­fas­sen. Ins­ge­samt wird die­se es­sen­ti­el­le Me­tho­de der mo­le­ku­la­ren Öko­lo­gie – die von der DNA zum SSU rRNA-Gen zum Stamm­baum und schließ­lich zum Bild führt – „full-cy­cle rRNA-An­satz“ ge­nannt.

Um die SSU rRNA er­fass­bar zu ma­chen, wur­de sie tra­di­tio­nell mit­tels Po­ly­me­ra­se-Ket­ten­re­ak­tio­nen (PCR) ver­viel­facht. Heu­te wird die PCR zu­se­hends von der so­ge­nann­ten Me­ta­ge­no­mik, die die Ge­samt­heit al­ler Gene in ei­nem Le­bens­raum er­fasst, ab­ge­löst. Ra­san­te me­tho­di­sche Fort­schrit­te er­lau­ben mitt­ler­wei­le die schnel­le und ef­fi­zi­en­te Pro­duk­ti­on gro­ßer me­ta­ge­no­mi­scher Da­ten­men­gen. Hier­bei er­folgt die Ana­ly­se über deut­lich kür­ze­re DNA-Se­quenz­ab­schnit­te, viel kür­zer als das SSU rRNA-Gen, die an­schlie­ßend auf­wän­dig zu­sam­men­ge­setzt (as­sem­bliert) und dann in so­ge­nann­te MAGs („Me­ta­ge­nom-as­sem­blier­te Ge­no­me“) ein­ge­teilt wer­den.

Die kur­zen Gen­schnip­sel lie­fern kei­ne voll­stän­di­ge SSU rRNA, und selbst in vie­len As­sem­blie­run­gen und den re­sul­tie­ren­den MAGs fin­den wir die­ses so wich­ti­ge Mar­ker-Gen nicht. Da­durch ist es nur schwer mög­lich, die in den Me­ta­ge­no­men ge­fun­de­nen Or­ga­nis­men mo­le­ku­lar zu iden­ti­fi­zie­ren, mit be­ste­hen­den Da­ten­ban­ken zu ver­glei­chen oder sie gar sie mit FISH spe­zi­fisch zu vi­sua­li­sie­ren.

phy­lo­F­lash schafft Ab­hil­fe

„Die Soft­ware na­mens phyloFlash, die über GitHub frei verfügbar ist, ver­bin­det den full-cy­cle rRNA An­satz zur Iden­ti­fi­zie­rung und Vi­sua­li­sie­rung nicht-kul­ti­vier­ter Mi­kro­or­ga­nis­men mit den me­ta­ge­no­mi­schen Ana­ly­sen; bei­des Tech­ni­ken die am Bre­mer Max-Planck-In­sti­tut gut eta­bliert sind“, er­klärt Ha­rald Gru­ber-Vo­di­cka, der die Me­tho­de fe­der­füh­rend ent­wi­ckelt hat.

„phy­lo­F­lash um­fasst alle er­for­der­li­chen Schrit­te, von der Vor­be­rei­tung der nö­ti­gen Ge­nom-Da­ten­bank (in die­sem Fall SIL­VA), der Da­ten­ex­trak­ti­on und ta­xo­no­mi­schen Klas­si­fi­zie­rung über die As­sem­blie­rung bis zur Ver­bin­dung der SSU rRNA-Se­quen­zen mit MAGs.“ Zu­dem ist die Soft­ware sehr nut­zer­freund­lich und so­wohl In­stal­la­ti­on als auch An­wen­dung sind weit­ge­hend au­to­ma­ti­siert.

Be­son­ders ge­eig­net für ein­fa­che Ge­mein­schaf­ten

Gru­ber-Vo­di­cka und sein Kol­le­ge Bran­don Seah – bei­de sind Er­st­au­to­ren der Ver­öf­fent­li­chung in der Fach­zeit­schrift mSystems, in der phy­lo­F­lash nun vor­ge­stellt wird – kom­men ei­gent­lich aus der Sym­bio­se­for­schung. Die Ge­mein­schaf­ten, mit de­nen sie es dort zu tun ha­ben, sind ver­gleichs­wei­se ein­fach: Übli­cher­wei­se ist es ein Wirts­or­ga­nis­mus, der mit ei­nem oder meh­re­ren mi­kro­bi­el­len Sym­bi­on­ten zu­sam­men­wohnt. Sol­che Ge­mein­schaf­ten ei­ge­nen sich be­son­ders gut für die Ana­ly­se mit phy­lo­F­lash.

„Wir for­schen bei­spiels­wei­se viel an der Tief­see­mu­schel Bathymodiolus, die gleich meh­re­re bak­te­ri­el­le Un­ter­mie­ter be­her­bergt“, so Gru­ber-Vo­di­cka. „An­hand die­ser be­kann­ten Ge­mein­schaft konn­ten wir gut prü­fen, ob und wie ver­läss­lich phy­lo­F­lash funk­tio­niert.“ Und tat­säch­lich iden­ti­fi­zier­te die neue Soft­ware zu­ver­läs­sig so­wohl die Mu­schel als auch ihre ver­schie­de­nen Sym­bi­on­ten.

Niko Leisch, eben­falls Sym­bio­se­for­scher am Max-Planck-In­sti­tut für ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie, tes­te­te phy­lo­F­lash an klei­nen ma­ri­nen Fa­den­wür­mern. Bei Ana­ly­sen ver­schie­de­ner die­ser un­schein­ba­ren Wür­mer zeig­te sich, dass ei­ni­ge der un­ter­such­ten Ar­ten mit bis­her un­be­kann­ten Sym­bi­on­ten as­so­zi­iert zu sein schei­nen. „Die­se span­nen­den Ein­bli­cke un­ter­strei­chen das gro­ße Po­ten­zi­al un­se­rer ein­fa­chen und schnel­len Me­tho­de“, be­tont Gru­ber-Vo­di­cka.

Open­Sour­ce und uni­ver­sell ein­setz­bar

phy­lo­F­lash ist eine Open­Sour­ce-Soft­ware. Durch aus­führ­li­che Do­ku­men­ta­ti­on und eine sehr ak­ti­ve Ge­mein­schaft ist ihre kon­ti­nu­ier­li­che Prü­fung und Wei­ter­ent­wick­lung si­cher­ge­stellt. „phy­lo­F­lash ist si­cher nicht nur für Mi­kro­bio­lo­gen in­ter­es­sant“, be­tont Gru­ber-Vo­di­cka. „Schon jetzt grei­fen zahl­rei­che For­schen­de aus viel­fäl­ti­gen Fach­ge­bie­ten auf un­se­re Soft­ware zu. Hilf­reich da­für war si­cher­lich die ein­fa­che In­stal­la­ti­on, die die Schwel­le zur Be­nut­zung sehr nied­rig macht.“

Die­ser ein­fa­che Zu­gang und der in­ter­ak­ti­ve Cha­rak­ter ist auch Bran­don Seah, der mitt­ler­wei­le am Max-Planck-In­sti­tut für Ent­wick­lungs­bio­lo­gie tä­tig ist, be­son­ders wich­tig: „Das Be­frie­di­gends­te für mich an die­sem Pro­jekt ist es zu se­hen, wie an­de­re Men­schen un­se­re Soft­ware für ihre ei­ge­ne For­schung nut­zen“, sagt Seah. „Von An­fang an ha­ben wir als Re­ak­ti­on auf das Feed­back un­se­rer Nut­zer Funk­tio­nen hin­zu­ge­fügt und die Soft­ware wei­ter­ent­wi­ckelt. Die­se Nut­zer sind nicht nur Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen am Ende des Flurs, son­dern auch Men­schen von der an­de­ren Sei­te der Welt, die es aus­pro­biert ha­ben und on­line mit uns in Kon­takt ge­tre­ten sind. Das un­ter­streicht, wie Open Sour­ce pro­duk­ti­ver und vor­teil­haf­ter so­wohl für die Soft­ware­ent­wick­lung als auch für die Wis­sen­schaft ist.“

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