Damaszener Stahl aus dem 3D-Drucker

Durch geschickte Temperaturvariation lässt sich ein Verbundwerkstoff mit unterschiedlich harten Metallschichten erzeugen

Das Material genießt einen legendären Ruf. Damaszener Stahl ist gleichzeitig hart und zäh, weil er aus Schichten unterschiedlicher Eisenlegierungen besteht. Das machte ihn im Altertum zum Material der Wahl vor allem für Schwertklingen. Jetzt hat ein Team des Max-Planck-Instituts für Eisenforschung in Düsseldorf und des Fraunhofer-Instituts für Lasertechnik in Aachen ein Verfahren entwickelt, mit dem man Stahl im 3D-Drucker schichtweise fertigen und dabei die Härte jeder einzelnen Lage gezielt einstellen kann. Solche Verbundwerkstoffe könnten für den 3D-Druck von Bauteilen in der Luft- und Raumfahrt oder von Werkzeugen interessant sein.

Aus der Not geboren und zur Legende geworden: Schmiede des Altertums konnten die Eigenschaften von Eisenlegierungen nur über deren Kohlenstoffgehalt beeinflussen. So erhielten sie entweder einen weichen und zähen oder einen harten, aber spröden Stahl. Vor allem für Schwerter war aber ein zähes und hartes Material gefragt, damit die Klingen in einer Schlacht nicht brachen oder sich die Kämpfer nicht aus dem Getümmel zurückziehen mussten, um ihre Klingen wieder geradezubiegen.

Schon keltische Schmiede kombinierten daher verschiedene Eisenlegierungen, anfangs vielleicht nur, um das wertvolle Eisen wiederzuverwerten, und erhielten so den Stoff, der später als Damaszener Stahl oder Damast bekannt wurde. Den Namen verdankt er dem Handelsplatz, über den der Verbundwerkstoff orientalischer Herkunft nach Europa kam. Doch während indischer und arabischer Damast durch einen ausgeklügelten Verhüttungsprozess entstand, entwickelten europäische Schmiede die Kunst, zwei Legierungen zu vielen dünnen Schichten zu falten. Der schichtartige Aufbau von Damaszener Stahl ist dabei in der Regel auch optisch an einem charakteristischen Streifenmuster zu erkennen.

Durch den Laserstrahl lässt sich die Kristallstruktur verändern

Zwar gibt es heute Eisenlegierungen, die zugleich hart und zäh sind, sie lassen sich aber oft nicht gut mit 3D-Druckern, dem Mittel der Wahl für viele komplexe oder individuell gestaltete Bauteile, verarbeiten. Deshalb haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Eisenforschung und des Fraunhofer-Instituts für Lasertechnik eine Technik entwickelt, mit der sich direkt beim 3D-Druck aus einem einzigen Ausgangsmaterial ein Stahl erzeugen lässt, der abwechselnd aus harten und duktilen, das heißt weichen Schichten aufgebaut ist, – eine Art Damaszener Stahl also. „Damit können wir bereits während des 3D-Drucks gezielt die Mikrostruktur der einzelnen Schichten verändern, sodass das finale Bauteil die gewünschten Eigenschaften erhält – und dies ganz ohne nachträgliche Wärmebehandlung des Stahls“, sagt Philipp Kürnsteiner, Postdoktorand am Max-Planck-Institut für Eisenforschung.

3D-Drucker für die additive Fertigung, wie die Technik im Fachjargon heißt, haben innerhalb weniger Jahre Einzug in viele industrielle Bereiche gehalten. Neben Kunststoffteilen lassen sich damit längst auch Metallgegenstände herstellen. Dabei wird die jeweilige Legierung in fein pulverisierter Form zugeführt, von einem Laserstrahl geschmolzen und dann Schicht für Schicht auf dem herzustellenden Werkstück aufgetragen. Seit einigen Jahren entstehen unter anderem Einspritzdüsen für Flugzeugtriebwerke mit dieser Methode der additiven Fertigung, die auch Laserauftragsschweißen heißt.

Der Laserstrahl ermöglicht es aber nicht nur, das jeweilige Material zu schmelzen. Mit ihm lässt sich, ganz nebenbei, auch die oberste Schicht des bereits wiedererstarrten Metalls erwärmen. Genau das nutzte das Team um die Düsseldorfer Max-Planck-Forscher, um in einzelnen Metallschichten gezielt die Kristallstruktur des Stahls zu verändern – und so die mechanischen Eigenschaften zu beeinflussen, ohne die chemische Zusammensetzung zu ändern.

Pausen im Druckprozess ermöglichen die Bildung härtender Ausscheidungen

Dafür entwickelten sie eigens eine Legierung, die aus Eisen, Nickel und Titan besteht. Zunächst ist diese Legierung relativ weich. „Aber unter bestimmten Vorrausetzungen bilden sich jedoch kleine Nickel-Titan-Mikrostrukturen, die dann für eine besondere Härte sorgen“, erklärt Kürnsteiner. „Diese Ausscheidungen behindern bei einer mechanischen Belastung die für eine plastische Verformung charakteristischen Verschiebungen innerhalb des Kristallgitters – die sogenannten Versetzungen.“

Um die Nickel-Titan-Strukturen erzeugen zu können, unterbrachen die Forscher den Druckprozess nach jeder neu aufgetragenen Schicht für eine bestimmte Zeit. Dabei kühlte sich das Metall auf unter 195 Grad Celsius ab. „Unterhalb dieser Temperatur setzt im Stahl eine Umwandlung der Kristallstruktur ein“, erklärt Eric Jägle, Leiter der Gruppe „Legierungen für die Additive Fertigung“ am Max-Planck-Institut für Eisenforschung und seit Januar 2020 auch Professor an der Universität der Bundeswehr München. „Es entsteht die sogenannte Martensit-Phase, und nur in dieser können die Nickel-Titan-Mikrostrukturen entstehen.“ Damit sich die Ausscheidungen auch wirklich bilden, ist aber eine erneute Erwärmung notwendig. Hierfür nutzen die Forscher die Laserenergie, mit der die nächste Schicht gedruckt wird.

Intrinsische Wärmebehandlung nennen die Wissenschaftlerinnern und Wissenschaftler diesen zusätzlichen Effekt durch den Laserstrahl des 3D-Druckers. Lagen, die ohne Pause direkt mit der nächsten Schicht überzogen wurden, bleiben hingegen weicher, weil sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht als Martensit vorliegen. Von den mechanischen Eigenschaften des so produzierten Materials ist Kürnsteiner beeindruckt: „Die Versuche haben eine hervorragende Kombination von Festigkeit und Duktilität bestätigt.“

Objekte mit weichem Kern und harter Oberfläche

Um die Mikrostrukturen während des 3D-Druckens zu beeinflussen, eignen sich verschiedene Stellschrauben des Prozesses. Zusätzlich oder statt der Pausenzeit, die das Team in der aktuellen Studie variiert hat, lasse sich die Bildung des Martensits und die anschließende Härtung durch die Ausscheidungen auch steuern, indem man die Laserenergie, den Laserfokus oder die Druckgeschwindigkeit variiere oder externe Heiz- und Kühltechniken einsetze, erklärt Eric Jägle.

In ihren Experimenten stellen die Forscher würfel- oder quaderförmige Stahlstücke mit Seitenlängen von wenigen Zentimetern her. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse lassen sich dann auch auf Objekte mit komplexeren Geometrien übertragen, für die der computergesteuerte 3D-Druck interessant ist. Zudem ist der Damaszener-artige Stahl mit den periodisch wechselnden Schichten nur ein Beispiel ist für die Möglichkeit, die Mikrostruktur einer Legierung bereits während des Herstellungsprozesses lokal zu beeinflussen. Zum Beispiel sei es genauso gut möglich, Werkzeug-Bauteile mit einem durchgehend weichen Kern zu erschaffen, die dann von einer harten, abriebfesten äußeren Schicht umgeben sind, erklärt Eric Jägle: „Dank unseres Konzepts der lokalen Kontrolle ließe sich das in einem einzigen Fertigungsschritt realisieren – ganz ohne die bisher für eine Oberflächenhärtung nötigen weiteren Verfahrensschritte.“ Denkbar, so die Forscher, sei es eventuell auch, mit der Technik nicht nur die Härte, sondern auch weitere Eigenschaften wie etwa Korrosionsbeständigkeit lokal gezielt einzustellen.

Philipp Kürnsteiner weist schließlich noch auf einen Paradigmenwechsel, der mit dem neuen Ansatz im Design von Legierungen verbunden ist: „Bisher ist es üblich, im 3D-Druck konventionelle Legierungen zu verwenden. Viele bekannte Stähle sind aber für die additive Fertigung nicht optimal geeignet. Unser Ansatz ist es nun, Legierungen gerade so zu entwickeln, dass sich mit ihnen das volle Potential des 3D-Drucks ausschöpfen lässt.“

KH

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