Gammablitze mit hoher Strahlkraft

Wissenschaftler beobachten zwei kosmische Ausbrüche mit unvergleichlich großem Energieausstoß

Gammablitze sind die heftigsten Explosionen im Universum. Jetzt berichten die Astronomen in der Zeitschrift Nature gleich über zwei solcher Bursts: Die beiden MAGIC-Teleskope auf La Palma haben mit GRB 190114c den bisher stärksten derartigen Ausbruch aufgezeichnet. Und das 28-Meter-Teleskop der Anlage H.E.S.S. in Namibia – das weltgrößte derartige Teleskop – meldet die Beobachtung des ebenfalls sehr energiereichen Bursts GRB 180720B. Mit den Messungen gelang den Astrophysikern der Nachweis, dass solche kosmischen Blitze im allerhöchsten Energiebereich leuchten, was lange Zeit nur vermutet worden war.

Gammablitze sind flüchtig, sie dauern nur wenige Sekunden bis maximal einige Minuten. Dahinter stecken vermutlich Supernovae – das Bersten massereicher Sterne – sowie die Verschmelzung von Neutronensternen oder schwarzen Löchern. Die Gammastrahlen des unmittelbaren Ausbruchs selbst sind meist einige Tausend bis Millionen Mal energiereicher als sichtbares Licht und lassen sich nur von Satelliten aus beobachten.

Weltraumobservatorien konnten aber auch schon einzelne, noch energiereichere Photonen nachweisen. Bis zu welchen Energien die Blitze Strahlung aussenden und ob auch höchstenergetische Gammastrahlung dabei ist, blieb bisher jedoch offen.

Auch im Fall der beiden Gammablitze GRB 190114c und GRB 180720B registrierten die MAGIC- und H.E.S.S.-Teleskope nicht den Ausbruch selbst, sondern dessen Nachglühen. Aus den Beobachtungen schließen die Wissenschaftler, dass in diesem sogenannten Afterglow andere physikalische Mechanismen am Werk sind als bisher angenommen.

Bei GRB190114c, der sich im Januar dieses Jahres ereignete, wies der MAGIC-Forschungsverbund nach, dass solche kosmischen Blitze wenige Minuten nach dem Ausbruch im allerhöchsten Energiebereich leuchten. Für etwa 30 Sekunden war sein Nachglühen mehr als 100fach so stark wie der Krebsnebel, die hellste bekannte Gammaquelle in unserer Milchstraße. Danach schwächte sich das Signal relativ schnell ab. Schon nach einer halben Stunde konnte MAGIC keine Emissionen mehr messen.

Das Energiemonster war zunächst von den Satelliten Swift-BAT und Fermi gesichtet worden. Nach 22 Sekunden alarmierten die beiden Späher der US-Raumfahrtbehörde NASA verschiedene Teleskope, darunter auch das MAGIC-Duo.

„Gammablitze von der Erde aus anzupeilen, ist eine schwierige Aufgabe“, sagt Razmik Mirzoyan, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Physik und Sprecher des MAGIC-Forschungsverbundes. „Diese Blitze können jederzeit irgendwo am Himmel aufleuchten und rasch wieder verschwinden. Deswegen setzen die MAGIC-Teleskope auf ein vollautomatisches System, um Satellitensignale zu verarbeiten.“

Tatsächlich lassen sich die Teleskope mit einem leistungsstarken Antrieb sehr schnell in Position bringen. „Trotz ihres Gewichts von jeweils 64 Tonnen können die Teleskope in kürzester Zeit auf neue Himmelsziele einschwenken. Beim aktuellen Gammablitz dauerte das lediglich 27 Sekunden“, sagt Mirzoyan.

Nur wenig später begannen insgesamt zwei Dutzend weitere Instrumente damit, das Himmelsereignis zu verfolgen, darunter Satelliten wie NuSTAR, XMM-Newton, das Weltraumteleskop Hubble sowie einige bodengebundene Observatorien. Damit haben die Forscher jetzt ein detailreiches Bild von diesem Gammaausbruch. Mithilfe optischer Teleskope ließ sich die Entfernung von GRB190114c taxieren: Der Burst ereignete sich in einer etwa fünf Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie.

Auch die Resultate des großen H.E.S.S.-Teleskops belegen, dass Gammablitze im allerhöchsten Energiebereich strahlen. Im Juli 2018 kam GRB 180720B etwa zehn Stunden nach dem Ausbruch ins Blickfeld des in Namibia stationierten H.E.S.S.-Observatoriums. Bei der Analyse der in den folgenden zwei Stunden aufgezeichneten Daten zeigte sich am Ort der Explosion eine neue, punktförmige Gammastrahlen-Quelle; 18 Tage später war sie verschwunden.

GRB 180720B war sehr stark und dauerte etwa 50 Sekunden – eine relativ lange Zeit, die auf den Tod eines massereichen Sterns hindeutet. Dabei kollabiert dessen Kernbereich zu einem schnell rotierenden schwarzen Loch. In der dieses Massemonster umgebenden Akkretionsscheibe heizt sich das Gas extrem stark auf. Senkrecht zur Scheibenebene ausgestoßene Gasjets erzeugen schließlich Gammablitze.

Die jetzt mit H.E.S.S. entdeckte höchstenergetische Gammastrahlung beweist nicht nur die Anwesenheit von extrem beschleunigten Teilchen, sondern zeigt auch, dass diese Partikel viele Stunden nach der Explosion noch existieren oder sogar erst produziert werden. Als kosmischer Beschleuniger wirkt hier sehr wahrscheinlich die von der Explosion ausgehende Schockwelle. Vor der H.E.S.S.-Messung an GRB 180720B hatte man angenommen, dass sich solche Ausbrüche nur in den ersten Sekunden und Minuten beobachten lassen.

Aber auch ein halbes Jahrhundert nach der ersten Beobachtung eines Gammablitzes ist unklar, welche physikalischen Prozesse sich dabei abspielen. Dass diese Bursts energiereiche Lichtteilchen (Photonen) aussenden, hatten einige Modelle vorhergesagt; der Nachweis war aber bisher ausgeblieben.

Ein Problem ist allerdings die hohe Energie im Nachglühen von GRB190114c. Die MAGIC-Teleskope registrierten eine Gammastrahlung in Höhe von einem Teraelektronenvolt (TeV) – die energiereichsten Photonen, die je von einem Gammablitz gemessen wurden. Erstaunlich ist ferner, dass im Afterglow von GRB 180720B Strahlungsintensität und spektrale Form sowohl im Röntgen-, als auch im höchstenergetischen Gammabereich über Stunden hinweg übereinstimmten. Dies alles bringt die Theoretiker in Erklärungsnot.

Gammablitze strahlen in unterschiedlichen Energiebereichen. Die energieärmeren Emissionen führen die Wissenschaftler auf die Synchrotronstrahlung zurück; sie entsteht, wenn sich geladene Teilchen sehr schnell in einem Magnetfeld bewegen. Dieser Mechanismus kommt allerdings für die beobachtete hochenergetische Rekordstrahlung kaum infrage – es muss also einen anderen Motor geben.

Eine Möglichkeit für einen solchen Mechanismus wäre der inverse Compton-Effekt: Dabei übertragen energiereiche Elektronen ihre Energie auf energiearme Photonen. Die Lichtteilchen erreichen damit tatsächlich Energien im TeV-Bereich. Bei diesem Erklärungsansatz würde man aber erwarten, dass die Intensität der Gammastrahlung im späten Nachglühen schneller abfällt als gemessen.

So oder so: Die beiden beschriebenen Beobachtungen liefern in jedem Fall tiefere Einblicke in die Natur von Gammastrahlenausbrüchen. „Tscherenkow-Teleskope wie H.E.S.S. und MAGIC haben über ein Jahrzehnt nach höchstenergetischer Gammastrahlung aus solchen Bursts gesucht und die Beobachtungsstrategien kontinuierlich verbessert“, sagt Jim Hinton, Direktor am Max-Planck-Institut für Kernphysik.

Dass jetzt gleich zwei Blitze bei höchsten Energien detektiert wurden, und dass die Ausbrüche auch bei sehr hohen Energien über viele Stunden und sogar Tage nachleuchten, eröffne ganz neue Perspektiven für das Nachfolgeinstrument CTA (Cherenkov Telescope Array). „Mit diesem Instrument werden wir diese extremen Ereignisse viel genauer untersuchen können“, so Hinton.

BW / GH / HOR

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