Frühester Zeitpunkt der Entstehung des Lymphsystems entdeckt

Lymph-Endothel hat gleichen embryonalen Ursprung wie Skelettmuskulatur

Die innerste Schicht von Lymph- und Blutgefäßen besteht aus Endothelzellen. Diese sind für die Funktion der Gefäße unerlässlich. Bislang ging man davon aus, dass im Zuge der Embryonalentwicklung das umgebende Gewebe die Spezialisierung des Endothels bestimmt. Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung haben nun entdeckt, dass diese Differenzierung der Endothelzellen in Lymphgefäßen schon viel früher stattfindet. Die Zellen stammen aus den Arealen des Mesoderms, aus denen sich auch die Muskulatur entwickelt. Weil das Lymphsystem an vielen Erkrankungen beteiligt ist, könnte die Studie der Bad Nauheimer Wissenschaftler für zukünftige Therapien von Bedeutung sein.

Den menschlichen Körper durchziehen zwei unterschiedliche Gefäßsysteme, das Blut- sowie das Lymphgefäßsystem. Lymph- und Blutgefäße stehen zwar in enger Beziehung zueinander, haben aber teilweise recht unterschiedliche Aufgaben. Für das Immunsystem haben Lymphgefäße eine wesentliche Bedeutung, da sie unter anderem Lymphozyten durch den Körper leiten. Und auch für den Flüssigkeitstransport sind die Lymphgefäße wichtig. Zudem streuen Tumorzellen oftmals über das Lymphsystem in andere Körperbereiche.

Oliver Stone, ehemaliger Wissenschaftler der Abteilung "Entwicklungsgenetik" am Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim, die von Didier Stainier geleitet wird, hat nun die Ursprünge des Lymphsystems während der Embryonalentwicklung entschlüsselt. "Bisher nahm man an, dass Lymphgefäße erst in einem relativ späten Stadium der Embryonalentwicklung erfolgt, nämlich nachdem bereits Arterien und Venen entstanden sind", sagte Stainier. "Im Gegensatz dazu konnten wir jetzt erstmals zeigen, dass bereits in einem viel früheren Entwicklungsstadium bestimmt wird, woher die Lymphgefäße entstammen."

In ihrer Studie fokussierten sich die Max-Planck-Forscher vor allem auf die sogenannten Endothelzellen. Diese kleiden sowohl die Lymph- als auch die Blutgefäße innen aus. Endothelzellen beider Systeme ähneln sich, aufgrund der unterschiedlichen Aufgaben von Blut- und Lymphgefäßen unterscheiden sie sich aber in einzelnen Merkmalen. „Endothelzellen sowie Herzmuskel und Blut stammen aus einem Bereich des Embryos, der Mesoderm bezeichnet wird. Anfangs sind diese Zellen noch nicht ausgereift. Als Reaktion auf Signale aus dem umgebenden Gewebe reifen Mesodermzellen im Zuge der Embryonalentwicklung und bilden diese spezialisierten Zelltypen", sagte Stainier.

Endothelzellen aus dem paraxialen Mesoderm

Die Max-Planck-Forscher verwendeten gentechnisch veränderte Mäuse, um bestimmte Zellen des Mesoderms während der gesamten Embryonalentwicklung beobachten zu können. Auf diese Weise konnten sie den Ursprung der lymphatischen Endothelzellen identifizieren: „Die Endothelzellen eines Großteils der Lymphgefäße stammen aus einem eng abgegrenzten Teil des Mesoderms, dem sogenannten paraxialen Mesoderm. Aus diesem Teil des Embryos entspringen auch Skelettmuskulatur, Sehnen und Knorpel“, sagte Stone. Gleichzeitig wiesen die Bad Nauheimer Wissenschaftler nach, dass nur sehr wenige Blutgefäße ihren Ursprung in diesem Areal hatten. Ein Hinweis darauf, dass Blut- und Lymphgefäße unterschiedlichen Ursprungs sind.

Um diesen Befund zu bestätigen, schalteten die Forscher ein Gen aus, das für die Entstehung von lymphatischen Endothelzellen im paraxialen Mesoderm verantwortlich ist. Und tatsächlich war in Mäusen, in denen das als Prox1 bezeichnete Gen abgeschaltet war, die Entwicklung des Lymphsystems stark gestört und dessen Funktion beeinträchtigt. „Unsere Studie zeigt, dass die besonderen Merkmale von Endothelzellen in verschiedenen Gefäßbetten sehr früh während der Embryonalentwicklung festgelegt werden“, sagte Stone. In weiteren Studien möchte er nun untersuchen, ob verschiedene Arten von Endothelzellen unterschiedlich auf Krankheiten reagieren. „Sollte dies auf ihre unterschiedliche Herkunft im Embryo zurückzuführen sein, könnte die Art und Weise, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Zukunft behandelt werden, erheblich beeinflussen“, schließt Stone. 

 

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht