Das Universum aus dem Großrechner

Computersimulationen zeigen die Entstehung von Galaxien mit bisher unerreichter Präzision

Astrophysiker aus Heidelberg, Garching und den USA präsentieren erste Ergebnisse der bisher umfangreichsten Modellrechnungen zur Entwicklung des Weltalls. So haben die Forscher in ihrem IllustrisTNG genannten Projekt die Großraumstruktur der Galaxien erstmals mit hydrodynamischen Simulationen dargestellt. Außerdem fanden sie heraus, dass die zentralen schwarzen Löcher innerhalb von großen Galaxien die Sternentstehung behindern. Und sie gewannen wichtige Ergebnisse über den hierarchischen Aufbau der Galaxien, wonach kleine Systeme über Milliarden Jahre zu immer größeren Objekten verschmelzen sollten.

Galaxien wie unsere Milchstraße sind Sterneninseln mit typischerweise einigen hundert Milliarden Sonnen und einer mindestens ebenso großen Zahl von Planeten. Zwischen den Sternen wabern Gas- und Staubwolken, die durch Supernovaexplosionen und Strahlungsausbrüche supermassereicher schwarzer Löcher in den Galaxienzentren heftig durchgeschüttelt werden.

Die meiste Masse befindet sich aber in einer rätselhaften unsichtbaren Komponente, der Dunklen Materie, die wie eine Art kosmischer Kitt die Galaxien zusammenhält. Auf noch größeren Skalen ordnen sich die Milchstraßensysteme in einem feingesponnenen kosmischen Netz an. Die Frage nach der Entstehung dieser komplexen Gebilde und seiner filigranen Struktur im Raum aus der heißen Materie- und Strahlungssuppe, die der Urknall hinterlassen hat, zählt zu den schwierigsten Problemen in der Astrophysik.

Für ihr neuestes Modell nutzten die Forscher einen der weltweit leistungsfähigsten Supercomputer – die Hazel-Hen-Maschine am Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart – und berechneten damit die bisher größten und erfolgreichsten Simulationen der Entwicklung kosmischer Strukturen. Mehr als 24000 Prozessoren arbeiteten über viele Monate hinweg gleichzeitig an der Entstehung von Millionen von Galaxien in einer repräsentativen Region des Universums von knapp einer Milliarde Lichtjahre Kantenlänge.

So beschäftigt sich eine der Arbeiten mit der vorausgesagten Großraumstruktur der Galaxien. Das simulierte kosmische Netz aus Gas und Sternen beherbergt an seinen Kreuzungspunkten Galaxien, die nicht nur gut zur Gestalt und Größe echter Galaxien passen, sondern deren Verteilungsmuster im Raum die neuesten Daten großer Himmelsdurchmusterungen sehr exakt reproduziert – und zwar auch getrennt für Galaxien unterschiedlicher Farben und Sternmassen.

Daneben machen die Simulationen präzise Voraussagen darüber, wie sich das kosmische Netz über die Zeit verändert – vor allem auch im Verhältnis zum darunterliegenden „Rückgrat“ aus Dunkler Materie. „Es ist besonders faszinierend, dass wir mit IllustrisTNG den Einfluss supermassereicher schwarzer Löcher auf die großräumige Verteilung Dunkler Materie genau voraussagen können“, sagt Projektleiter Volker Springel vom Heidelberger Institut für Theoretische Studien und neu berufener Direktor am Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching. „Das ist entscheidend, um zukünftige kosmologische Messungen verlässlich auszuwerten.“

Wie wichtig der Einfluss schwarzer Löcher insbesondere auf Galaxien ist, hat Dylan Nelson vom Max-Planck-Institut für Astrophysik nachgewiesen. Fazit: Große Milchstraßensysteme werden durch ihre zentralen schwarzen Löcher an der weiteren Sternentstehung gehindert. Denn die Auswürfe dieser Schwerkraftfallen erreichen ein Tempo von bis zu zehn Prozent der Lichtgeschwindigkeit und blasen Materie aus den Galaxien, die jetzt für die Bildung neuer Sterne fehlt.

Zudem heizen schwarze Löcher das Gas auf, in dem dann ebenfalls keine Sonnen mehr geboren werden können, denn diese können sich nur aus relativ kühler Materie bilden. „Ohne schwarze Löcher würden die elliptischen Galaxien viel zu schwer werden, da die Energie gewöhnlicher Supernovae nicht mehr ausreicht, um ihre Sternentstehung im Zaum zu halten“, sagt Nelson.

Neue Erkenntnisse liefert IllustrisTNG (The Next Generation) auch für die hierarchische Evolution der Galaxien. Schon lange vermuten die Theoretiker, dass zunächst kleine Galaxien entstehen sollten, die dann über Milliarden Jahre zu immer größeren Objekten verschmelzen – zusammengetrieben von der unerbittlichen Anziehungskraft der Schwerkraft. Bei vielen der dabei auftretenden kosmischen Kollisionen werden manche Galaxien förmlich durch Gezeitenkräfte zerrissen. Ihre Sterne kreisen dann auf weiten Bahnen um neu entstandene große Galaxien, was ihnen ein schwaches Glimmen im Hintergrund verleihen sollte.

Diese vorausgesagten Lichthöfe lassen sich aufgrund ihrer geringen Oberflächenhelligkeit nur sehr schwer beobachten, legen aber ein direktes Zeugnis von der kosmischen Entstehungsgeschichte der Galaxien ab. Annalisa Pillepich vom Max-Planck-Institut für Astronomie hat diese Verteilung der Sterne in den Simulationen umfassend vermessen. „Unsere Voraussagen können von Beobachtern nun gezielt überprüft werden“, sagt die Forscherin. „Dies stellt einen wichtigen Test für das theoretische Modell der hierarchischen Galaxienentstehung dar.“

In ihrem IllustrisTNG-Projekt berücksichtigten die Astrophysiker erstmals physikalische Prozesse wie die Verstärkung kosmischer Magnetfelder, die Produktion schwerer Elemente wie Magnesium und Europium in Supernovaexplosionen unterschiedlichen Typs, oder die Einspeisung von kinetischer Energie durch von schwarzen Löchern ausgestoßenes Gas. Das deutsche Gauss Zentrum für Supercomputing erlaubte dabei die Realisierung der beiden Hauptrechnungen TNG100 und TNG300. Insgesamt wurden mehr als 500 Terabyte an Simulationsdaten erzeugt. Deren Auswertung wird die Wissenschaftler noch über Jahre hinaus beschäftigen.

VS / HOR

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