Synuclein verbindet Parkinson und Hautkrebs

Wissenschaftler entdecken Protein als Bindeglied zwischen Parkinson-Erkrankung und Schwarzem Hautkrebs

Menschen, die an Parkinson erkranken, entwickeln weniger häufig bösartige Tumoren – mit einer Ausnahme: Das Risiko für Schwarzen Hautkrebs ist bei Parkinson-Patienten um mehr als das Zweifache erhöht. Forscherteams des Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie, der Universitätsmedizin Göttingen und der Ludwig-Maximilians-Universität München haben nun gezeigt, dass es eine molekulare Verbindung zwischen diesen beiden Erkrankungen gibt. Das Protein alpha-Synuclein, das im Gehirn von Parkinson-Patienten auffällige Verklumpungen bildet und offensichtlich Nervenzellen schädigt, schützt Zellen des Schwarzen Hautkrebses vor einem Zusammenbruch ihrer „Müllabfuhr“ und ihres Recycling-Programms.

Die Parkinson-Krankheit beginnt schleichend: Eine Hand beginnt zu zittern, der Gang wird unsicher, Worte fallen einem nicht mehr ein. Schon Jahre vor dem ersten Auftreten charakteristischer Symptome beginnen bei Betroffenen, im Mittelhirn spezialisierte Nervenzellen abzusterben, die den Botenstoff Dopamin bereitstellen. Mit Ausbruch der Parkinson-Erkrankung steigt für die Patienten zudem das Risiko um mehr als den Faktor zwei, Schwarzen Hautkrebs (auch malignes Melanom genannt) zu entwickeln. Doch wie kommt es zu dieser erhöhten Anfälligkeit gegenüber der gefährlichsten Hautkrebsart?

„Bisherige Studien haben belegt, dass es keinen genetischen Zusammenhang zwischen Morbus Parkinson und Schwarzem Hautkrebs gibt“, erklärt Dorothea Becker, leitende Wissenschaftlerin des Projektes, die am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie und an der Universitätsmedizin Göttingen forscht. „Unsere Hypothese war daher, dass es einen anderen Link zwischen diesen beiden Erkrankungen geben muss.“ Bei ihrer Suche nach der „Nadel im Heuhaufen“ konzentrierten sich die Forscher um Becker auf drei für Parkinson typische Marker-Proteine: alpha-Synuclein, LRRK2 und Parkin. Als vielversprechendster Kandidat kristallisierte sich schließlich das alpha-Synuclein heraus. „Anders als die anderen beiden Parkinson-Proteine kommt dieses in den fortgeschrittenen Stadien des malignen Melanoms in auffallend großer Menge vor“, berichtet Becker.

Gift für Neurone, Überlebenshilfe für Krebszellen

Alpha-Synuclein lagert sich in der frühen Phase der Parkinson-Erkrankung zu sogenannten Oligomeren zusammen, die auf die Dopamin-produzierenden Nervenzellen mutmaßlich stark toxisch wirken. Auch in Melanomzellen konnten die Forscher um Becker solche alpha-Synuclein-Oligomere nachweisen. Wie die Forscher nun herausfanden, haben sie dort jedoch den genau gegenteiligen Effekt: Sie helfen den aggressiven Hautkrebszellen zu überleben.

Auf die Spur dieser bisher unbekannten Funktion des alpha-Synucleins brachte die Wissenschaftler eine chemische Substanz namens Anle138b. Der von den Teams um Christian Griesinger am Max-Planck-Institut und Armin Giese an der Ludwig-Maximilians-Universität München vor einigen Jahren entwickelte Wirkstoff hemmt die Bildung von alpha-Synuclein-Oligomeren wirksam. „In Tests an Mäusen konnte diese Substanz das Fortschreiten der Proteinablagerungen und der Nervenzellschädigung in bisher nicht erreichtem Ausmaß verzögern und die krankheitsfreie Phase der Nager verlängern“, wie Griesinger erläutert. „Anle138b hat damit eine nachweisbar schützende Wirkung für die Nervenzellen“.

Auf Melanomzellen wirkt Anle138b im Gegensatz dazu zerstörerisch. „Die mit diesem Wirkstoff behandelten Krebszellen konnten sich nicht länger ungehemmt vermehren und starben ab. Wie wir in weiteren Experimenten zeigen konnten, greift Anle138b in den lebenswichtigen Prozess der Autophagie ein und stört diesen massiv“, schildern Diana Lázaro und Elisa Turriani, Erstautorinnen der jetzt erschienenen Arbeit.

Durch den Prozess der Autophagie befreien sich gesunde wie entartete Zellen von „Müll“, etwa von defekten Organellen und Proteinen, aber auch von Krankheitserregern. Die Abbauprodukte werden anschließend wiederverwertet. Aggressive Melanomzellen sind von diesem Recyclingprogramm sehr stark abhängig, da es in diesen schnell wachsenden Tumoren sonst zu bedrohlichem Nährstoffmangel kommt. Um Krebszellen mit der nötigen Energie zu versorgen, ist das Recyclingprogramm in vielen Tumorarten im fortgeschrittenen Stadium erhöht.

„Anle138b trifft Melanomzellen damit an einem äußerst empfindlichen Punkt. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass alpha-Synuclein im Schwarzen Hautkrebs in fortgeschrittenen Stadien ein wichtiger Regler für die Autophagie ist. Wird dieser Regler durch Anle138b gestört, geraten die Müllabfuhr und das Recycling in den Krebszellen aus dem Gleichgewicht und sie sterben ab“, sagt Tiago Outeiro, Leiter der Abteilung für Experimentelle Neurodegeneration an der Universitätsmedizin Göttingen.

Autophagie in der Krebstherapie

Forscher gehen schon länger der Frage nach, wie sich die Autophagie für die Krebstherapie nutzen lassen könnte. Wenn sie Tumorzellen beim Überleben hilft, könnten Substanzen, die diesen Vorgang hemmen, wertvolle Unterstützer in der Krebstherapie werden. Anle138b, so die Hoffnung der Forscher, könne sich als ein solcher herausstellen. „Unsere ersten Versuche an Mäusen, die ein Melanom entwickelt hatten, zeigen, dass sich mit dem Futter aufgenommenes Anle138b im Tumorgewebe anreichert und den Autophagie-Prozess der Krebszellen stört“, sagt Michael Schön, Leiter der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Universitätsmedizin Göttingen.

In zukünftigen Studien möchten die Wissenschaftler herausfinden, welche molekularen Hemmstoffe gegen Tumoren in Kombination mit Anle138b ein möglicher Therapieansatz für den Schwarzen Hautkrebs sein könnten. Anle138b wird derzeit von Modag – einer Ausgründung der Universität München und der Max-Planck-Gesellschaft – auf klinische Studien zur möglichen Behandlung von Parkinson und weiteren neurodegenerativen Erkrankungen vorbereitet.

CR/HR

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht