Hand in Hand für Innovation

Zehn Jahre Kooperationsprogramm zwischen Max-Planck- und Fraunhofer-Gesellschaft

7. September 2015

Wissen für die Praxis schaffen, aus abstrakten Erkenntnissen Anwendungen für Medizin oder Elektromobilität entwickeln. Dieses Ziel leitet ein vor zehn Jahren initiiertes Kooperationsprogramm zwischen Max-Planck- und Fraunhofer-Gesellschaft. Dabei arbeiten die Wissenschaftler explizit in Projekten zusammen, bei denen es sowohl auf Grundlagenforschung als auch auf angewandte Forschung ankommt. Finanziert aus Mitteln des Paktes für Forschung und Innovation konnten bisher 20 Projekte erfolgreich abgeschlossen werden, elf Forschungsvorhaben laufen aktuell. Ein Blick auf die Echtzeit-MRT zur Diagnostik im Krankenhaus zeigt, wie sich die Partner ergänzen.

In Krankenhäusern ist die Magnetresonanztomografie (MRT) ein Standardverfahren für den Blick in den Körper; so können Ärzte viele Erkrankungen diagnostizieren. Jeder, der in eine der Röhren hineingeschoben wird, erhält den Hinweis, sich nicht zu bewegen. Nur so ließen sich bisher scharfe Aufnahmen aus dem Inneren des Körpers erzeugen. Doch seit dem Jahr 2010 verspricht die Magnetresonanztomografie deutlich mehr. Sie erlaubt dank neuer Verfahren, die Forscher um Jens Frahm vom MPI für biophysikalische Chemie in Göttingen entwickelt haben, die Erzeugung von Bildern innerhalb von 20 bis 30 Millisekunden. Damit sind nun filmische MRT-Aufnahmen in Echtzeit möglich: Kieferbewegungen, das Schlucken, die Beugung des Knies oder das schlagende Herz werden wie im Film sichtbar. Die Sequenzen zeigen beispielsweise Herzschlag für Herzschlag die Pumpbewegungen des Herzmuskels sowie den resultierenden Blutfluss.

Diese neuen Potenziale für die medizinische Diagnostik auch im Alltag der Klinik nutzbar zu machen, ist Ziel eines der Kooperationsprojekte zwischen Fraunhofer-Gesellschaft und Max-Planck-Gesellschaft. Die Forscher um Jens Frahm kooperieren dabei mit dem Fraunhofer-Institut für Bildgestützte Medizin (MEVIS), Bremen. „Während wir die Technik der Echtzeit-MRT weiterentwickeln, ist Fraunhofer MEVIS ein unverzichtbarer Partner bei der benutzerfreundlichen Auswertung der MRT-Bilder, da sie über die nötige mathematische Kompetenz in der Bearbeitung und Analyse von Bilddaten verfügen“, sagt Frahm. Ein Beispiel: Um die Herzfunktion eines Patienten untersuchen zu können, müssen die MRT-Bilder quantitativ bewertet werden. Die bisher übliche manuelle Bewertung kommt angesichts von Hunderten von Bildern eines MRT-Filmes nicht infrage. „An dieser Stelle hat Fraunhofer MEVIS ein Programm, die Software CAIPI, entwickelt, die die mehrere Sekunden langen MRT-Filme des Herzes und des Blutflusses vollautomatisch nach klinisch relevanten Messgrößen auswertet“, unterstreicht Frahm. Das seien beispielsweise die Verdickung der Herzwand oder die Geschwindigkeit sowie das Volumen des Blutflusses durch die Aorta.

Max-Planck-Präsident lobt Partnerschaft auf Augenhöhe

Seit 2005 fördern die Max-Planck-Gesellschaft und die Fraunhofer-Gesellschaft solche Kooperationen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass die Kernkompetenzen beider Organisationen – Max-Planck mit der erkenntnisgetriebenen Grundlagenforschung, Fraunhofer mit der industrienahen Technologieentwicklung – bestmöglich berücksichtigt werden. Dafür sorgt eine Gutachterkommission, die mit Mitgliedern beider Organisationen besetzt ist und die die Projekte den Präsidenten für eine drei- bis vierjährige Förderung empfiehlt. Bis zu vier Millionen Euro stellen die Forschungsorganisationen pro Jahr zur Verfügung – ermöglicht wird dies durch den von Bund und Ländern aufgesetzten Pakt für Forschung und Innovation. 20 Projekte konnten bereits abgeschlossen werden, aktuell laufen elf. Beteiligt daran sind zehn Max-Planck-Institute und zwölf Institute von Fraunhofer. „Das Programm zeigt, dass sich grundlegende Erkenntnissuche sowie konkretes Problemlösungsinteresse sehr gut ergänzen können und daraus neue Anwendungen entstehen. Beide Organisationen leisten damit einen wichtigen Beitrag für den Innovationsstandort Deutschland. Zudem fördern wir die effektive Vernetzung im Wissenschaftssystem, da die besten Köpfe ihrer Disziplinen über Institutionengrenzen hinweg Beziehungen knüpfen können“, sagt Max-Planck-Präsident Martin Stratmann. Dabei liege dem Programm „kein sequentielles, sondern ein integratives Verständnis von Kollaboration zugrunde“. Es sei also nicht so, dass Max-Planck-Forscher ein Ergebnis der Grundlagenforschung zu den Fraunhofer-Kollegen weiterreichen würden. „Vielmehr arbeiten alle Beteiligten von Beginn an erkenntnis- und lösungsorientiert zusammen. Das macht des Besondere dieser Partnerschaft aus.“

Die Echtzeit-MRT und weitere Projekte

Die Projekte decken dabei eine breite Palette an Themen ab: So geht es beispielsweise um die Erzeugung neuartiger Hochleistungsmagnete, die ohne die knappe Ressource der Seltenen Erden auskommen, die Entwicklung eines Frühtests für Legasthenie, um betroffenen Kindern rechtzeitig Therapien bieten zu können, sowie eine natur- und geisteswissenschaftliche Untersuchung zur weltbekannten antiken Stätte Pompeji. Oder eben darum, die Echtzeit-MRT in die Klinik zu bringen. Dieses Projekt wird seit 2012 gefördert und ist seither weit vorangekommen. So hat die Universitätsmedizin Göttingen ein Kooperationsabkommen mit der Max-Planck-Gesellschaft geschlossen und Ende März 2015 einen neuen Magnetresonanztomografen mit der Echtzeit-MRT ausgestattet.

Dort werden sowohl die Echtzeit-MRT selbst als auch die Auswertungssoftware CAIPI für den klinischen Einsatz erprobt. Auch an anderen Krankenhäusern soll es demnächst erste klinische Studien geben, kündigt der Max-Planck-Wissenschaftler Jens Frahm an. Denn die Potenziale der Echtzeit-MRT sind noch längst nicht ausgeschöpft. So lasse sie sich nicht nur für die verbesserte Diagnostik nutzen, sondern in einigen Jahren auch für den Live-Einsatz im OP-Saal. „Bei kleineren Eingriffen, die heute mit Röntgenkontrolle ablaufen, könnte dann die Echtzeit-MRT genutzt werden“, sagt Frahm. Das schont die Patienten, aber auch die Ärzte, die viel häufiger mit Röntgenstrahlen zu tun haben.

JE

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