Chronik: Rendezvous mit einem Urgestein

Der Vergleich mit der bemannten Mondlandung mag ein wenig übertrieben erscheinen, doch zweifellos gehört Rosetta zu den kühnsten Unternehmen der Raumfahrt: Zum ersten Mal in der Geschichte begleitet eine Sonde einen Kometen auf seiner Bahn um die Sonne und soll am 12. November den Lander Philae auf dessen Oberfläche absetzen. Bei der Auswertung der Bilder und Daten von 67P/Churyumov-Gerasimenko, so der Name des Schweifsterns, sitzen Wissenschaftler des Göttinger Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in der ersten Reihe.

Text: Helmut Hornung

2. März 2004, 8.17 Uhr MEZ

Noch liegt Dunkelheit über dem Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana, als eine Rakete vom Typ Ariane 5G+ auf einem Feuerstrahl reitend in den bewölkten Himmel schießt. An Bord eine Fracht, die unser Bild von den Ursprüngen des Sonnensystems erhellen soll: Rosetta. Die Sonde selbst ist etwas größer als ein Smart. Die beiden langen Flügel mit Solarpaneelen für die Energieversorgung verleihen ihr das Aussehen eines seltsamen Insekts. An Bord trägt Rosetta neben dem Detektor SREM zur Registrierung hochenergetischer Teilchenstrahlung elf Instrumente und einen kühlschrankgroßen Kasten: Philae. Er soll das Kunststück vollbringen, auf einem Kometenkern niederzugehen und dort mit zehn wissenschaftlichen Geräten über mehrere Monate hinweg Messungen auszuführen.

Rosettas Geschichte reicht ins Jahr 1984 zurück. Damals beschloss die Europäische Weltraumorganisation ESA eine Mission zu einem Kometenkern, zunächst in Partnerschaft mit der NASA. Nachdem die Amerikaner wegen Budgetkürzungen aufgaben, planten die Europäer allein weiter. In der Bundesrepublik stiegen in das Projekt zunächst vor allem das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt sowie das Max-Planck-Institut für Aeronomie (seit 2004: Sonnensystemforschung) ein; Letzteres war unter anderem maßgeblich an Entwicklung und Bau des Landers beteiligt.

Am 13. Januar 2003 sollten Rosetta und Philae zum Kometen Wirtanen abheben. Doch eine Rakete aus der Baureihe Ariane 5, wie sie die ehrgeizige Mission befördern sollte, hatte einige Wochen zuvor einen grandiosen Fehlstart hingelegt. Das europäische Raumfahrtprogramm wurde vorübergehend gestoppt, der Start des Kometenspähers um ein gutes Jahr verschoben. Außerdem musste ein neues Ziel gefunden werden. Die Wahl fiel schließlich auf 67P/Churyumov-Gerasimenko. Zwei gleichnamige Wissenschaftler am Institut für Astrophysik im kasachischen Alma-Ata hatten den Himmelskörper im Herbst 1969 als winziges Sternchen auf einer Fotoplatte entdeckt.

In der Vergangenheit beeinflusste das Schwerefeld des Planeten Jupiter die Bahn von „Chury“. So kreiste er vor dem Jahr 1840 in beträchtlichem Abstand von der Sonne und konnte wegen der fehlenden Erwärmung bis dahin gar keine kometaren Aktivitäten entwickeln. Das heißt: Der Kern dürfte noch heute relativ frisch und unverbraucht sein – was Forscher als Vorteil sehen. Im gegenwärtigen Orbit nähert sich der Schweif-stern unserem Tagesgestirn alle sechs Jahre und 203 Tage bis auf rund 193 Millionen Kilometer (Erdabstand zur Sonne: 150 Millionen Kilometer).

7. September 2008, 22.14 Uhr MESZ

Auf den Bildschirmen im ESA-Kontrollzentrum Darmstadt tauchen Signale aus den Tiefen des Weltraums auf. Die Flugingenieure leiten sie unmittelbar ans Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung weiter. Noch in der Nacht filtern dort 14 Wissenschaftler erste Bilder aus den Rohdaten. Sie zeigen einen Brocken mit einer länglichen, an einem Ende spitz zulaufenden Gestalt. Unzählige Krater überziehen seine Oberfläche, ein mit zwei Kilometern Durchmesser besonders großer liegt am Nordpol. Das Motiv ist etwa 360 Millionen Kilometer von der Erde entfernt – und zeigt den Asteroiden Šteins. Am 5. September 2008 hatte Rosetta ihn in 800 Kilometern Abstand passiert.

Obwohl sich die Telekamera von OSIRIS neun Minuten vor dem Rendezvous in den Sicherheitsmodus schaltet und nur die Weitwinkelkamera arbeitet, sind die Forscher mit ihrem Instrument zufrieden. OSIRIS steht für Optical, Spectroscopic and Infrared Remote Imaging System. Zwei Kameras, aufgebaut als Spiegelsysteme, fotografieren im ultravioletten, sichtbaren sowie im infraroten Spektralbereich. Die lichtempfindlichen CCD-Detektoren umfassen 2048 mal 2048 Pixel; jeder dieser Bildpunkte ist 13,5 Mikrometer (tausendstel Millimeter) groß.

Vor der Begegnung mit Šteins war Rosetta am 4. März 2005 im Abstand von nur 1955 Kilometern an der Erde vorbeigeflogen. Damals konnte man die Sonde schon im Feldstecher sehen. Am 25. Februar 2007 passierte Rosetta den Mars, am 13. November desselben Jahres holte sie erneut Schwung an unserem Planeten. Nach dem Rendezvous mit Šteins kam es schließlich am 13. November 2009 wiederum zu einer Erdpassage.

Warum diese außergewöhnlich komplizierte Flugbahn? Eine direkte Verbindung Erde – Churyumov-Gerasimenko hätte immense Mengen an Treibstoff erfordert. Bei den sogenannten Swing-by-Manövern auf verschlungenen Pfaden hingegen holte sich Rosetta die nötige Energie gleichsam kostenlos aus dem Schwerefeld der Planeten. So etwa nahm die Geschwindigkeit des Vehikels bei jedem der drei Erdvorbeiflüge um rund 20 000 Kilometer pro Stunde zu.

10. Juli 2010, 18 Uhr MESZ

Das Tempo ist höllisch: Nicht weniger als 54 000 Kilometer in der Stunde legt Rosetta zurück, als sie ihre Kameraaugen auf den Asteroiden Lutetia richtet. Die kosmische Kartoffel – mit einer Längsausdehnung von rund 126 Kilometern deutlich größer als Šteins – weist eine abwechslungsreiche Landschaft mit Gebirgen, vielen großen und kleinen Kratern, verstreut herumliegenden Felsbrocken und parallel verlaufenden Rillen auf. Die Oberfläche des Himmelskörpers scheint von einer dicken Schicht feinkörnigen, lockeren Materials (Regolith) überzogen zu sein.

Mit 3,5 Gramm pro Kubikzentimeter besitzt Lutetia eine ungewöhnlich hohe Dichte. Aus den Spektren schließen die Fachleute auf eine vergleichbare Zusammensetzung, wie sie Meteoriten des Typs kohlige Chondrite mit einem hohen Kohlenstoffanteil aufweisen; allerdings gibt es auch Ähnlichkeiten mit den sogenannten Enstatit-Chondriten, die das Mineral Enstatit enthalten.

Rosetta kann das Rätsel um Lutetias Familienzugehörigkeit nicht klären. Eins steht für die Wissenschaftler aber fest: „Das ist eine völlig neue Welt, die noch niemand zuvor gesehen hat“, sagt Holger Sierks vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, Leiter des OSIRIS-Teams. Das Instrument liefert Aufnahmen mit einer Detailauflösung von 60 Metern. Manche Bilder geben sogar Hinweise auf einen Erdrutsch innerhalb eines Kraters. Alles in allem eine gelungene Generalprobe für das Treffen mit Churyumov-Gerasimenko.

8. Juni 2011

Nachdem die Ingenieure und Techniker im Dezember 2010 eine verbesserte Software für den Zentralcomputer aufgespielt hatten, schalteten sie diesen ab. Einige Monate später und etwas früher als geplant, am 8. Juni 2011, versetzen sie dann das gesamte Raumfahrzeug in Tiefschlaf. Zur Stabilisierung rotiert Rosetta jetzt langsam um die eigene Achse.

Im Oktober 2012 erreicht die Sonde den sonnenfernsten Punkt ihrer Bahn, rund 795 Millionen Kilometer trennen sie von den wärmenden Strahlen des Sterns. In dieser gewaltigen Distanz bringen selbst die 64 Quadratmeter großen Solarsegel nur mehr wenig Leistung. Immerhin reicht diese aus, um das Vehikel einigermaßen warm und eine Borduhr am Ticken zu halten.

20. Januar 2014, 10.59 Uhr MEZ

Im Weltall klingelt ein Wecker. Nach 957 Tagen soll er Rosetta aus dem Winterschlaf holen. Die Sonde schwirrt in den Tiefen des Raums, knapp 815 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Für die Techniker, Ingenieure und Wissenschaftler im European Space Operations Centre (ESOC) in Darmstadt beginnen bange Stunden des Wartens.

Wird Rosetta tatsächlich munter? Falls ja, sieht der Plan Folgendes vor: Die Sternsensoren für die Lageregelung heizen sich langsam auf Betriebstemperatur auf, öffnen die Augen und orientieren sich am Himmel. Die gleichmäßige Rotation der Sonde um ihre Achse kommt allmählich zum Stillstand, die 2,2 Meter durchmessende Parabolantenne richtet sich zur Erde aus und sendet das erste Lebenszeichen.

20. Januar 2014, 19.18 Uhr MEZ

Zwar dauert es wegen der großen Distanz gut 45 Minuten, bis das Signal von Rosetta die Erde erreicht, von einer Antenne im kalifornischen Goldstone aufgefangen wird und in Darmstadt auf dem Monitor als kleiner Strich in einer unregelmäßig gezackten grünen Kurve erscheint. Doch manche Wissenschaftler hatten damit gerechnet, dass dies an jenem 20. Januar 2014 gegen 18.30 Uhr geschieht. Jetzt ist es schon nach 19 Uhr und Rosetta seit einer Dreiviertelstunde überfällig.

Im ESOC steigt die Nervosität. Alle schauen gebannt nach oben zu einem Bildschirm. Die Uhr im Kontrollraum steht auf 19.18 Uhr, als auf der Mattscheibe tatsächlich ein Strich erscheint – erst kurz, dann allmählich länger werdend. Zwei Techniker an den Konsolen reißen als Erste die Arme hoch. Jubel brandet auf. Menschen umarmen sich. Irgendwo geht ein Glas zu Bruch. Rosetta ist wach! Jetzt startet sie auf die letzte Etappe der mehr als zehnjährigen Reise.

21. März 2014

Die Aufnahme sieht aus wie von einem gut ausgerüsteten Amateurastronomen geschossen. Ein wenig links von der Mitte glimmt der prächtige Kugelsternhaufen Messier 107 in der Konstellation Schlangenträger. Schräg oberhalb von M 107 erscheint ein schwaches Lichtpünktchen, das man als Laie leicht übersieht. Für Holger Sierks ist es jedoch etwas ganz Besonderes: „Nach einer zehnjährigen Reise durchs All unser Ziel endlich vor uns zu haben ist ein unbeschreibliches Gefühl“, sagt der Max-Planck-Forscher. Denn das unschein-bare Sternchen ist 67P/Churyumov-Gerasimenko, aufgenommen durch die Augen von OSIRIS.

Das Kamerasystem an Bord von Rosetta muss bis an seine Leistungsgrenzen gehen. Immerhin mehr als fünf Millionen Kilometer trennen Raumsonde und Komet noch voneinander. Daher deckt der Schweifstern auf den Fotos nur den Bruchteil eines Pixels ab. Zudem schimmert der Himmelskörper wie eine schwache Funzel, eine Serie von Belichtungen von 60 bis 300 Sekunden sowie zusätzliche Bildverarbeitung sind notwendig, um ihn überhaupt sichtbar zu machen.

Während Rosetta und ihre Instrumente allmählich hellwach werden, befindet sich Churyumov-Gerasimenko noch in einer Art Dämmerschlaf. Dabei verhält er sich wie ein typischer Komet. Wie alle Vertreter der Jupiterfamilie fristet er die meiste Zeit seines Daseins in den eisigen Tiefen des Planetensystems in einem ähnlichen Abstand von der Sonne wie der Gasriese Jupiter. Dort schwirren unzählige, mehrere Kilometer große Körper als tote Klumpen herum, bestehend aus gefrorenen Gasen wie Kohlendioxid, aus Eis und Gestein.

Ihren Ursprung haben „Chury“ und seine Kollegen aller Wahrscheinlichkeit nach im sogenannten Kuipergürtel. Diese ringförmige Region am äußersten Rand unseres Planetensystems jenseits der Neptunbahn ist mehr als 30-mal so weit von der Sonne entfernt wie die Erde und mit Tausenden kosmischen Brocken bevölkert. Durch den Einfluss des Neptuns verlagert sich die Bahn einzelner Körper nach und nach zu den anderen Gasriesen im Planetensystem – bis hin zu Jupiter.

„Trotz dieser Wanderung – und der möglicherweise vorangegangenen Kollisionen – gehören Kometen der Jupiterfamilie zu dem reinsten Material, das aus der Geburtsstunde des Sonnensystems vor mehr als 4,6 Milliarden Jahren erhalten ist“, sagt Ulrich Christensen, Direktor am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. Während sich besonders die inneren Planeten wie Merkur oder Venus durch die Hitze und unter dem Teilchenbeschuss von der Sonne stark veränderten und flüchtige Bestandteile verloren, bleibt die Materie über Milliarden von Jahren im Eis der Kometen unverfälscht gespeichert.

Rückt der kosmische Vagabund auf seiner Bahn der Sonne näher, beginnt sich seine Oberfläche zu erwärmen, Wasser und gefrorene Gase verdampfen und reißen winzige Staubteilchen mit sich. Der Komet wird aktiv: Um den Kern bildet sich eine Atmosphäre (Koma), schließlich entwickelt er den charakteristischen Schweif.

Dieses Material untersucht Rosetta genauer als je zuvor. „Die Raumsonde ist eine Art Labor, das vor Ort am Kometen betrieben wird“, sagt Max-Planck-Forscher Martin Hilchenbach, Leiter des COSIMA-Teams. COSIMA ist eines jener Instrumente, die speziell dem Kometenstaub einen Teil seiner Geheimnisse entlocken sollen. In den mikroskopischen, blumenkohlförmigen Poren wenige Millimeter großer Träger sammelt der Staubfänger einzelne Partikel, die unter einem Mikroskop zunächst geortet und dann mit Indiumionen beschossen werden. Die Ionen, die sich auf diese Weise aus der Oberfläche der Staubpartikel lösen, lassen sich weiter analysieren. „Dabei können wir nicht nur einzelne Elemente, sondern vor allem auch organische Moleküle identifizieren“, sagt Hilchenbach.

30. April 2014

„Chury“ ist tatsächlich ein Komet! Jedenfalls zeigen Bilder von OSIRIS eine richtige Koma. Sie reicht etwa 1300 Kilometer ins All und hüllt den Kern mit Gas und Staub ein. Die Forscher staunen über diese Wolke, denn noch trennen den Schweifstern mehr als 600 Millionen Kilometer von der Sonne. Allerdings hält die Pracht nicht lange an: Fotos von Anfang Juni zeigen 67P erneut als Sternchen ohne jegliche Aktivitäten. Offenbar ist der Komet zu früh erwacht und gleich wieder eingeschlafen.

OSIRIS enthüllt außerdem, dass sich der etwa fünf mal drei Kilometer große Kern in 12,4 Stunden einmal um seine Achse dreht – 20 Minuten kürzer als früher von der Erde aus bestimmt. Sollte dem kein Messfehler zugrunde liegen, muss irgendetwas die Rotationszeit verringert haben. Was einmal mehr beweist: Kometen sind stets für eine Überraschung gut.

6. Juni 2014

Der Schweifstern schwitzt. Ein ordentliches Glas Wasser setzt er pro Sekunde frei, genauer: rund 300 Gramm Wasserdampf. Ermittelt hat das ein Instrument namens MIRO. Das kleine Radioteleskop empfängt das Signal aus beachtlichen 350 000 Kilometern Entfernung; so weit ist 67P derzeit von Rosetta entfernt.

MIRO analysiert die Mikrowellenstrahlung, die von den Gasmolekülen ausgeht. Wasser und andere Stoffe prägen dem Licht in diesem Wellenlängenbereich charakteristische Fingerabdrücke auf. „Die Signale, die Wassermoleküle in unseren Messdaten hinterlassen, sind besonders gut zu detektieren“, sagt Paul Hartogh vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, unter dessen Leitung ein Subsystem von MIRO entwickelt und gebaut wurde. Der Forscher freut sich über die Empfindlichkeit: Das sei so, als würde man von der Erde aus das Verdampfen einer Tasse heißen Tees auf dem Mond entdecken.

14. Juli 2014

Ein Quietscheentchen kreist im All! Das jedenfalls legen Bilder nahe, die Churyumov-Gerasimenko aus weniger als 12 000 Kilometern Distanz zeigen; auf der Erde entspräche das ungefähr der Entfernung zwischen Deutschland und Hawaii. Die Aufnahmen von Mitte Juli beweisen, dass der Kern des Schweif-sterns aus zwei deutlich getrennten Teilen besteht: aus einem größeren „Körper“, auf dem ein kleinerer „Kopf“ sitzt.

21. Juli 2014

Das Quietscheentchen hat ein Halsband. Nur noch 5500 Kilometer ist Rosetta entfernt und liefert jetzt Bilder mit einer Auflösung von 100 Metern pro Pixel. Klar ist darauf zu erkennen, dass der zwischen „Kopf“ und „Körper“ liegende „Halsbereich“ deutlich heller erscheint. Dort tut sich ein ungefähr 1000 Meter tiefer Abgrund auf, in dem die Kamera sogenannte Jets enthüllt  – Staubfontänen. Ursachen für die Helligkeit des Bands könnten Materialunterschiede, verschiedene Korngrößen oder topografische Einflüsse sein. Wie 67P zu seiner entenförmigen Gestalt kommt, ist noch unklar. So spekulieren manche Forscher, ob „Kopf“ und „Körper“ ursprünglich zwei getrennte Objekte waren.

25. Juli 2014

Die Koma ist wieder da. Bilder zeigen um den Kern eine ausgedehnte Hülle aus Staub. Die diffuse Wolke füllt den gesamten Blickwinkel der Kamera, ein Gebiet von 150 mal 150 Quadratkilometern. Offenbar ist dies nur der innere Bereich der Koma, in dem die Teilchendichten am höchsten sind. Die vollständige Struktur sollte deutlich größer sein, lässt sich von Rosetta aus der Entfernung von nur mehr 2500 Kilometern jedoch nicht abbilden. Damit scheint Churyumov-Gerasimenko – nach einer kurzen Aktivitätsphase im April – endgültig erwacht zu sein.

6. August 2014, 11.30 Uhr MESZ

Endlich da! 6,4 Milliarden Kilometer liegen hinter Rosetta. „Nach fast zehnjährigem Anflug erscheint es mir fast unwirklich, nun tatsächlich angekommen zu sein“, sagt Max-Planck-Forscher Holger Sierks. Kurz zuvor war im europäischen Kontrollzentrum in Darmstadt das erlösende Signal eingegangen. Rosetta war in Pyramidenorbits um 67P eingeschwenkt. Dabei folgte die Raumsonde einer „dreieckigen“ Flugbahn um den Kern. Zunächst kam sie ihm dabei auf 100 Kilometer nahe, seit Anfang September sind es 50 Kilometer und weniger.

Schon kurz vor dem Schubmanöver am 6. August übertrifft die räumliche Auflösung der Bilder mit 5,5 Metern pro Pixel alle bisherigen Aufnahmen von Kometenkernen. Neben starken Helligkeitsunterschieden auf der Oberfläche treten nun scharfkantige Geländekanten, Berge und tiefe Steilhänge zutage. Daneben gibt es ausgedehnte glatte Flächen sowie runde Erhebungen.

Eine Landschaft von bizarrer Schönheit, teilweise geformt von der Aktivität des Kometen. Während früherer Annäherungen an die Sonne sind leicht flüchtige Stoffe von seiner Oberfläche verdampft und haben Fontänen aus Staub mit sich gerissen. Sind diese Staubteilchen zu schwer oder zu langsam, um das Schwerefeld des Kometen zu verlassen, fallen sie zurück zur Oberfläche, wo sie sich stellenweise ansammeln und unterschiedliche geologische Formationen bilden.

Die Bordinstrumente…

…von Rosetta

OSIRIS*: Kamerasystem mit Tele- und Weitwinkelkamera
ALICE: UV-Spektrometer
VIRTIS: Spektrometer für sichtbaren und infraroten Bereich
MIRO*: Mikrowellen-Spektrometer
RSI: Radiowellenexperiment
CONSERT*: Radartomograf
ROSINA*: Neutralgas- und Ionenmassenspektrometer
COSIMA*: Staubmassenspektrometer
MIDAS: Staubmikroskop
GIADA: Staubanalysator
RPC: Plasma-Analysegerät

…von Philae

SD2: Bohrer und Probennehmer
COSAC*: Gaschromatograf, Massenspektrometer
Ptolemy: Gaschromatograf, Massenspektrometer
APXS**: Alpha-Röntgenspektrometer
ROLIS: Kamerasystem
CIVA: Kamerasystem, Infrarotspektrometer, Mikroskop
MUPUS: Penetrator, Thermalsonde, Radiometer
SESAME*: Akustisches Seismometer, Staubmonitor
CONSERT*: Radiowellenexperiment
ROMAP***: Magnetometer, Plasmamonitor

*       Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung
**     Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Chemie
***   Beteiligung der Max-Planck-Institute für Sonnensystemforschung und für extraterrestrische Physik

25. August 2014

Möglichst eben, nicht zu schattig, nicht zu sonnig − und wissenschaftlich reizvoll: Diese Bedingungen soll das Gebiet auf dem Kern von 67P/Churyumov-Gerasimenko erfüllen, in dem Philae niedergeht. Heute geben Forscher und Ingenieure fünf mögliche Kandidaten bekannt: Drei der potenziellen Landestellen liegen auf dem „Kopf“, die anderen beiden auf dem größeren „Körper“ des Kometen. Sie erhalten die Bezeichnungen A, B, C, I und J.

„Das wichtigste Kriterium war natürlich, dass die Gebiete für Philae überhaupt zu erreichen sind“, sagt Hermann Böhnhardt vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, wissenschaftlicher Leiter der Landemission. Schließlich treffe dies nicht auf alle Regionen zu. Selbst wenn man sämtliche denkbaren Geschwindigkeiten, Flugbahnen und Orientierungen der Raumsonde im Moment des Abdockens von Philae berücksichtigt sowie die verschiedenen möglichen Ablösegeschwindigkeiten der Landeeinheit selbst, bleiben schwarze Flecken auf der Kometenkarte.

Ebenso wichtig: Von der Landestelle muss es einen regelmäßigen Funkkontakt zur Raumsonde geben, um Betriebskommandos und Daten auszutauschen. Eine möglichst ebene Oberfläche soll eine sichere Landung garantieren. Zudem sind sechs Stunden Sonnenlicht täglich für mindestens sechs Monate notwendig, um die Solarbatterien von Philae aufzuladen. Aber die Sonne darf auch nicht zu lange scheinen, sonst könnte die Station überhitzen.

10. September 2014

Ein Komet wird kartiert. Die von OSIRIS übertragenen Bilder erreichen eine Auflösung von 75 Zentimetern pro Pixel. Mit Gebieten, die Steilhänge, Vertiefungen, Krater, verstreute Brocken oder parallel verlaufende Rillen prägen, zeigt 67P viele unterschiedliche Geländeformen. Einige dieser Regionen erscheinen ruhig, andere wurden offenbar von der Aktivität des Kometen geformt.

Die Wissenschaftler setzen die verschiedenen großflächigen Landschaften zu einer Karte zusammen – und rätseln über ihr Aussehen: „Bisher versteht eigentlich noch niemand, wie die morphologischen Unterschiede, die wir sehen, entstanden sind“, sagt Max-Planck-Forscher Holger Sierks.

16. September 2014

J macht das Rennen. Zwar zeigen die Bilder dort, fast mitten auf dem „Kopf“ des Kometen, ein recht zerklüftetes Terrain. Berechnungen ergeben jedoch gute Landechancen. Dafür berücksichtigen die Forscher und Techniker die Topografie der Gegend sowie die mechanischen Eigenschaften von Philaes Landegestell. Der Fleck, auf dem Philae niedergeht, lässt sich jedoch nur mit einer Genauigkeit von etwa 500 Metern bestimmen.

„Wir brauchen deshalb nicht den einen perfekten Platz, sondern eine ganze Region, für die möglichst viele Landeszenarien ein gutes Ende nehmen“, sagt Hermann Böhnhardt. So etwa liegen in der Gegend vergleichsweise wenige große Brocken herum, die Philae gefährlich werden könnten. Zudem deuten Messungen darauf hin, dass es dort organisches Material gibt. Schließlich sollte CONSERT an der ausgewählten Landestelle sehr passable Bedingungen für seine Radiobeobachtungen vorfinden.

CONSERT ist als einziges Experiment der Rosetta-Mission sowohl Teil des Orbiters als auch der Landeeinheit. Es soll mithilfe von Radiowellen die innere Struktur des Kometenkerns erforschen. Dafür wird ein Radiosignal von der Raumsonde durch den Kern zur Landeeinheit und zurück gesendet. Aufgrund der Gestalt des Kerns und der Flugbahn des Orbiters ist nicht jeder Punkt auf der Oberfläche von 67P in gleicher Weise geeignet, um den gesamten Kometenkern zu durchstrahlen. Landeplatz J ist einer der besten für diese Aufgabe. Am 14. Oktober 2014 wird J bestätigt. Er erhält schließlich den Namen Agilkia. Eines der größten Abenteuer der Raumfahrt kann beginnen!

Der Stein von Rosetta und die Insel im Nil

Im Jahr 1822 gelang dem Ägyptologen Jean-François Champollion (1790 bis 1832) die Entzifferung der Hieroglyphen. Dazu untersuchte er den Stein von Rosette (Rosetta), der denselben Text in drei Sprachen trägt: Hieroglyphen, Demotisch, Altgriechisch. In Anlehnung an diesen Stein soll die Mission Rosetta bei der Enträtselung der Kometen und der frühen Entwicklung des Sonnensystems helfen.

Vor dem Start schrieb die ESA einen Namenswettbewerb für den Lander aus. Das Rennen machte Philae – benannt nach einer Insel im Nil, auf der es eine Tempelanlage gegeben hatte. Ein davon noch erhaltener Obelisk trägt eine Inschrift in griechischer und ägyptischer Sprache und half bei der Entschlüsselung der Hieroglyphen.

Auf den Punkt gebracht

Mehr als zehn Jahre fliegt Rosetta bereits durchs All. Im August 2014 hat die Sonde ihr Ziel, den Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko, erreicht.

Als erste Mission in der Raumfahrtgeschichte soll Rosetta einen Kometen auf seiner Bahn um die Sonne mehrere Monate begleiten und Mitte November 2014 auf dessen Kern den Lander Philae absetzen.

Churyumov-Gerasimenko zeigt eine längliche, zweigeteilte Gestalt. Manchen Forscher erinnert sie an ein Quietscheentchen, mit „Körper“ und Kopf“, verbunden durch ein helles „Halsband“. Der Kern misst ungefähr fünf mal drei Kilometer.

Mit Steilhängen, Vertiefungen, Kratern, herumliegenden Brocken oder parallel verlaufenden Rillen zeigt 67P viele unterschiedliche Geländeformen.

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