Max-Planck-Forscher beim Descartes-Forschungspreis 2005 erfolgreich

Europäische Kommission zeichnet im Rahmen europäischer Kooperationen entstandene exzellente Forschungsprojekte aus

2. Dezember 2005

Am 2. Dezember ehrt die Europäische Kommission die erfolgreichsten transnationalen europäischen Forschungsprojekte dieses Jahres. Der mit jeweils 200.000 Euro dotierte René Descartes-Forschungspreis geht an insgesamt fünf Vorhaben. Max-Planck-Wissenschaftler sind wesentlich an den beiden Preisträger-Projekten "PULSE - Europäische Pulsar-Forschung" (Max-Planck-Institut für Radioastronomie) und "CECA - Klima- und Umweltveränderungen in der Arktis" (Max-Planck-Institut für Meteorologie) beteiligt. Weitere Preisträger sind die Projekte EURO-PID (Immunologie), EXEL (Materialforschung) und ESS (Sozialwissenschaften). Ein Novum 2005: Auch jene fünf Projekte, die in die Endausscheidung gekommen sind, werden mit jeweils 30.000 Euro geehrt. Darunter befindet sich mit dem H.E.S.S.-Teleskope (High Energy Stereoscopic System) in Namibia ebenfalls ein Projekt mit Max-Planck-Beteiligung. Die feierliche Preisübergabe erfolgt bei der Royal Society in London.

Die diesjährigen fünf Descartes-Forschungspreisträger wurden aus einem breiten Spektrum von Nominierungen aus den Lebenswissenschaften, Ingenieurwissenschaften, Physik, Informatik, Geowissenschaften und Sozialwissenschaften ausgewählt. An zwei der fünf ausgezeichneten Projekte sind Max-Planck-Institute in Deutschland wesentlich beteiligt:

CECA - Climate and Environmental Change in the Arctic

Forschungsgebiet: Umweltwissenschaften

Das CECA-Projekt umfasst eine Anzahl von multidisziplinären Forschungsprojekten, die in den vergangenen zehn Jahren zum Thema "Klima und Umweltveränderungen in der Arktis" durchgeführt wurden.

Die Forschungsarbeiten beschäftigten sich in erster Linie mit der Untersuchung der natürlichen Schwankungen klimatischer Größen in der Arktis. Insbesondere die auffälligen Wärme- und Kälteperioden im letzten Jahrhundert waren Forschungsgegenstand. Es wurden starke Wechselwirkungen zwischen der atmosphärischen Zirkulation und der Eisbedeckung herausgefunden, die ihren Schlüssel in der Barentssee haben. In den Untersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass die hohen Temperaturen in den 30er-Jahren auf natürliche Schwankungen, die letzte Erwärmung aber auf anthropogene Ursachen (Emission von Treibhausgasen) zurückgeht. In den letzten fünf Jahren laufen die natürlichen und anthropogenen Ursachen in die gleiche Richtung und verstärken den Effekt der Eisschmelze im Spätsommer: Während 1979 noch 75 Mio. Quadratmeter Eisbedeckung zu finden waren, sind es 2005 im September nur noch ca. 50 Mio. Quadratmeter.

Intensiv gearbeitet wurde im Rahmen von CECA an einer systematischen und integrierten Analyse verschiedener Beobachtungs- und Modelldatensätze, da es nur sehr wenige Beobachtungsdaten in der Arktis gibt.

Die wissenschaftlichen Errungenschaften und Neuerungen aus dem CECA Projekt haben das "state-of-the-art"-Wissen und Verständnis des arktischen Klimasystems und seines Einflusses auf Europa entscheidend vorangebracht.

Projektkoordinierung:

Prof. Ola M. Johannessen, Nansen Environmental and
Remote Sensing Centre (Norwegen), zusammen mit Prof. Lennart Bengtsson,
Max-Planck-Institut für Meteorologie (Deutschland) und Dr. Leonid Bobylev,
Scientific Foundation "Nansen International Environmental and Remote Sensing
Centre" (Russische Förderation)

PULSE - Pulsar Science in Europe: The Impact of European Pulsar Science on Modern Physics

Forschungsgebiet: Physik

Pulsare sind schnell (bis zu 600 mal pro Sekunde) rotierende Neutronensterne, also kompakte, gerade einmal 20 Kilometer große Überreste einer Supernova-Explosion, die dennoch die 1,4-fache Masse unserer Sonne und ein äußerst starkes Magnetfeld besitzen. Aus zwei Regionen über den Magnetpolen senden Pulsare durch einen noch immer nicht komplett verstandenen Mechanismus gebündelte Radiostrahlung aus. Trifft diese bei der Rotation des Pulsars auf die Erde, so empfangen wir regelmäßige Radiopulse. Wegen der großen Trägheit dieser Objekte ist ihre Pulsperiode sehr stabil - Pulsare sind dadurch hochpräzise Uhren in den Tiefen des Weltalls. Die Beobachtung erkennbarer Schwankungen bei den Pulsraten ermöglicht es, die Bewegung von Pulsaren im Weltall genauestens zu verfolgen, aber auch die Eigenschaften superdichter Materie, das Verhalten von Plasma in starken Magnetfeldern und viele andere Extrembedingungen im Universum zu erforschen.

Da die Herstellung und der Einsatz der für die wissenschaftliche Untersuchung dieser Sterne erforderlichen technischen Ausrüstung sehr kostenaufwändig ist, haben Forscher aus ganz Europa das europäische Pulsar-Netzwerk (EPN bzw. PULSE) ins Leben gerufen. Dieses begann mit der Entwicklung eines gemeinsamen Datenformats, damit Daten, die von sehr unterschiedlichen Messgeräten erzeugt werden, miteinander verbunden werden können. Ein erster Erfolg war die zeitgleiche Beobachtung der Radiopulse von Pulsaren an drei europäischen Teleskopen bei drei verschiedenen Wellenlängen. In Gemeinschaftsarbeit mit der Australian Telescope National Facility haben Mitglieder des Netzwerks inzwischen auch neue Instrumente und Computerprogramme erarbeitet, Beobachtungsprogramme koordiniert und eine öffentlich zugängliche Datenbank (http://www.mpifr-bonn.mpg.de/div/pulsar/data/) für den gesamten Rückfluss von Beobachtungsinformationen entwickelt.

850 neue Pulsare wurden im Rahmen dieser Kooperation bisher ausfindig gemacht. Das übertrifft die Anzahl der in den vorher gehenden 30 Jahren insgesamt entdeckten Pulsare bei weitem. Größter Erfolg des Forscherteams ist die Entdeckung des ersten Doppelpulsars. Dass ein derartiges System überhaupt existiert, ist außergewöhnlich, da seine beiden Komponenten eine doppelte Supernova-Explosion überstanden haben müssen.

Mit Pulsaren als Uhren ist es möglich, Veränderungen der Raumzeit zu messen, die durch die Anwesenheit schwerer Körper erzeugt werden. So haben die Forscher bei Pulsarbeobachtungen regelmäßig nachgewiesen, dass enge Doppelneutronenstern-Systeme kräftige Gravitationswellen aussenden.

Das neu entdeckte Doppelpulsar-System hat auch zu einer der glänzendsten Bestätigungen von Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie geführt: In diesem Doppelpulsar-System sind alle Bahnparameter des Orbits direkt astrometrisch bestimmbar - damit liegen die Massen der beiden Pulsare fest. Aber durch die von der Relativitätstheorie vorhergesagten Effekte kann man noch fünf weitere unabhängige Massenbestimmungen vornehmen. Alle ergeben mit großer Präzision das gleiche Resultat. Das aber ist nur möglich, wenn Einsteins Theorie über den Zusammenhang von Raum, Zeit und Materie stimmt.

Projektkoordinierung:

Prof. Andrew Lyne, University of Manchester (Großbritannien), zusammen mit Prof. Nicolo D'amico, INAF Osservatorio Astronomico di Cagliari (Italien), Dr. Axel Jessner, Max-Planck-Institut für Radioastronomie (Deutschland), Dr. Ben Stappers, ASTRON (Niederlande) und Prof. Ioannis Seiradakis, University of Thessaloniki (Griechenland)

Erstmals gibt es in diesem Jahr neben den Preisträgern noch fünf ebenfalls mit einem Preisgeld ausgestattete "Finalisten". Hier sind Max-Planck-Wissenschaftler an einem Projekt beteiligt:

HESS - The HESS Experiment: Revolutionizing the Understanding of the Extreme Universe

Forschungsgebiet: Physik

Die Gamma-Astronomie bei höchsten Energien ist ein ganz junges Forschungsgebiet. Mit den Teleskopen des High Energy Stereoscopic System (H.E.S.S.), dem derzeit weltweit empfindlichsten Nachweisinstrument für hochenergetische Gammastrahlen, wurden zum ersten Mal empfindliche Durchmusterungen des zentralen Teils unserer Milchstraße durchgeführt und dabei viele bis dahin gänzlich unbekannte Gamma-Quellen entdeckt. Diese hochenergetischen Strahlen sind schwer nachzuweisen; selbst von einer starken Quelle trifft nur etwa ein Strahlungsquant pro Monat und Quadratmeter auf unsere Atmosphäre. Die Strahlungsquanten werden in der Erdatmosphäre absorbiert; ihr direkter Nachweis würde daher ein riesiges Satelliteninstrument erfordern.

Deshalb setzen die H.E.S.S.-Teleskope auf einen Trick, um dieses Problem zu umgehen: Sie nutzen die Atmosphäre als Nachweismedium. Werden Gammaquanten absorbiert, senden sie kurze Blitze des so genannten Cherenkov-Lichts aus - ein blaues Leuchten, das nur einige Milliardstel Sekunden andauert. Dieses Leuchten wird mit den großen Spiegeln und empfindlichen Photosensoren der H.E.S.S.-Teleskope aufgefangen. Aus diesen Daten erzeugen die Wissenschaftler dann Bilder astronomischer Objekte im "Licht" hochenergetischer Gammastrahlen.

Die H.E.S.S.-Teleskope wurden über mehrere Jahre hinweg von einem internationalen Team aus über 100 Wissenschaftlern und Ingenieuren aus Deutschland, Frankreich, England, Irland, der Tschechischen Republik, Armenien, Südafrika und Namibia erbaut und in Betrieb genommen. Im September 2004 erfolgte ihre offizielle Einweihung durch den namibischen Premierminister Theo-Ben Gurirab. Schon mit den ersten Daten konnten die Forscher eine Reihe von wichtigen Entdeckungen machen, darunter das erste astronomische Bild einer Supernova-Schockwelle bei allerhöchsten Energien.

Projektkoordinierung:

Prof. Stavros Katsanevas, Centre National de la Recherche Scientifique (Frankreich), zusammen mit Prof. Werner Hofmann, Max-Planck-Institut für Kernphysik (Deutschland), Dr. Michael Punch, Institut National de Physique Nucléaire et de Physique des Particules (Frankreich), Dr. Paula Chadwick, University of Durham (Großbritannien), Prof. Thomas Lohse, Humboldt-Universität zu Berlin (Deutschland), Dr. Philippe Goret, Commissariat à l'Energie Atomique (Frankreich), Prof. Götz Heinzelmann, Universität Hamburg (Deutschland), Prof. Stefan Wagner, Universität Heidelberg (Deutschland), Dr. Hélène Sol, Institut National des Sciences de l'Univers (Frankreich), Prof. Reinhard Schlickeiser, Ruhr-Universität Bochum (Deutschland), Prof. Luke O'Connor Drury, Dublin Institute for Advanced Studies (Irland), Prof. Ladislav Rob, Charles University (Tschechische Republik) und Prof. Ocker Comelis de Jager, North-West University (Südafrika).

Der René Descartes Preise 2005

Der "René-Descartes-Preis für hervorragende wissenschaftliche Forschung" wird von der Europäischen Kommission an Forscherteams vergeben, die im Rahmen europäischer Gemeinschaftsprojekte hervorragende wissenschaftliche oder technologische Ergebnisse und außergewöhnliche Leistungen der Spitzenforschung erzielt haben. Im Unterschied zum Nobelpreis zeichnet diese mit einer Million Euro dotierte europäische Auszeichnung nicht Einzelpersonen, sondern länderübergreifende Forschergruppen aus. Entscheidend ist das Doppelkriterium wissenschaftlicher Exzellenz und Kooperation. Daneben werden seit dem Jahr 2004 auch "vorbildliche Bemühungen im Bereich der Wissenschaftskommunikation" mit dem Descartes-Preis für Wissenschaftskommunikation mit je 50.000 Euro gewürdigt.

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