Die Schleichwege der Malariaerreger

Erkenntnisse, wie sich die Parasiten durch das Bindegewebe in die Blutbahn des Menschen bewegen, könnten Ansatzpunkte für eine Therapie liefern

28. Oktober 2011

Malaria gehört zu den großen Plagen der Menschheit, gegen die es bis heute keinen Impfstoff gibt. Forscher des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme in Stuttgart und von der Universität Heidelberg haben nun untersucht, wie die einzelligen Parasiten über ein künstliches Nanomaterial wandern. Dieses Material imitiert Eigenschaften des natürlichen Bindegewebes: Das müssen die Erreger nach dem Mückenstich zunächst erfolgreich durchqueren, um in den Blutkreislauf zu gelangen. Die Grundlagenforschung könnte eines Tages auch der Medizin zu wirksameren Malariamedikamenten verhelfen.

Wie Sporozoiten erkennen, ob sie das Bindegewebe durchdrungen haben

Die Abstände zwischen den Goldkontakten variierte Nadine Perschmann im Labor zwischen 40 und 270 Nanometern. Auch die Steifigkeit des gelartigen Trägermaterials spielte sie von sehr weich bis knochenhart durch. Jedes Mal schickte sie ihre kleinen, sozusagen rattengefährlichen Labortierchen über diesen Kurs und beobachtete sie. Dabei stellte sie fest, dass die Sporozoiten in höchster Anzahl und am schnellsten über Goldkontakte mit 55 bis 100 Nanometern Abstand gleiten können; die höchste Geschwindigkeit erreichen sie bei Abständen von 70 Nanometern.

Das hat einen tieferen Sinn: Durch das Bindegewebe von uns Opfern zieht sich eine extrazelluläre Matrix auf Basis von Kollagenfasern. Diese Matrix sorgt nicht nur für Festigkeit, sondern auch für die Kommunikation der Bindegewebszellen. Dafür bietet sie ebenfalls ein Raster an biochemischen Kontaktpunkten im Abstand etwa 60 bis 70 Nanometern. Die Stuttgarter konnten mit ihren künstlichen Goldkontaktrastern zeigen, dass auch die eindringenden Sporozoiten sensibel auf diese Bindegewebsmatrix reagieren. Sie scheinen erkennen zu können, ob sie noch im Bindegewebe stecken und dieses schnellstmöglich durchqueren müssen.

Auch auf die Elastizität des Untergrunds reagieren die Zellen sehr empfindlich. Auf festem künstlichen „Gewebe“ gleiten sie schneller voran als auf sehr weichem Gewebe, beobachtete Nadine Perschmann. „Wenn ich über Wackelpudding oder eine Matratze laufen muss, komme ich ja auch nur langsam voran“, macht sie das anschaulich. In weichen Geweben bleiben die Plasmodien also regelrecht stecken. Auch das ergibt einen biologischen Sinn: Lebergewebe ist ein weiches Ziel.

Der Parasit verschiebt sein Inneres gegenüber der Außenumgebung

Wie die Plasmodien sich genau bewegen, ist noch nicht völlig entschlüsselt. Nadine Perschmann konnte aber schon Hinweise finden. Wie die wesentlich höher entwickelten Gewebe- oder Muskelzellen unseres Körpers zum Beispiel setzen die Plasmodien dazu einen Linearmotor aus zwei Proteinsorten ein. In den Kontaktstellen sammeln sich längliche Fasern aus dem Protein Actin. Diese kann man sich wie molekulare Leitern vorstellen, auf denen das eigentliche Motorprotein Myosin entlang klettern kann. Daran hängt, einfach gesagt, das von einer eigenen Membran umhüllte Innenleben der Plasmodien. Der Parasit robbt also voran, in dem er sein Inneres gegenüber seiner Außenumgebung verschiebt. Er haftet kurzzeitig an den Kontaktstellen am Untergrund.

Die Forscherin konnte zudem zeigen, dass es überraschend wenig Kontaktstellen sind: Nach ihrer Schätzung sind nur wenige hundert Moleküle involviert. Das ist wichtig für das Tempo, denn so kann die Zelle sich auch schnell vom Untergrund lösen, um flugs voran zu kommen. Malariaparasiten scheinen sich also auf wenigen Zehenspitzen in uns einzuschleichen. Noch geben sie viele Rätsel auf. So wird Nadine Perschmann nun auch als Postdoktorandin an ihren Labortierchen noch einige Rätsel knacken können. Vielleicht kann sie damit sogar eines Tages vielen Menschen helfen.

RW/PH

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