Frosch im Ohr

Jozefien Van de Velde vom Kölner Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung ist für zwei Monate nach Australien gereist. Im Outback machte sie sich auf die Suche nach Fröschen. Kein leichtes Unterfangen, denn ihre Studienobjekte sind nachtaktiv, verstecken sich bei Trockenheit unter der Erde und kommen nur nach starkem Regen zum Vorschein.

Wie Tiere sich an ihre Umwelt anpassen, um zu überleben, ist für mich immer wieder faszinierend: In meiner Doktorarbeit erforsche ich Frösche der Gattung Neobatrachus, die in den Trockengebieten Australiens vorkommen. Um Dürrezeiten zu überstehen, graben sie sich bis zu einem Meter tief ein und umgeben sich mit einer Art Kokon, der sie vor Austrocknung schützt. So können sie zur Not mehrere Jahre ausharren. Erst wenn es genügend geregnet hat, kommen sie an die Oberfläche, um sich fortzupflanzen.

Interessanterweise sind drei der neun bekannten Neobatrachus-Arten polyploid: In ihren Zellen liegt jedes Chromosom in vierfacher Ausführung vor. Die meisten Tiere und auch wir Menschen sind dagegen diploid. In diesem Fall ist jedes Chromosom zweifach vorhanden, einmal als mütterliche und einmal als väterliche Kopie. Polyploide Arten haben oft andere Eigenschaften als ihre diploiden Verwandten. Manche Amphibien mit „zusätzlichen“ Chromosomen sind etwa unempfindlicher gegenüber rauem Klima und Trockenheit und konnten sich daher im Gebirge oder in Wüsten ansiedeln.

Generell ist Polyploidie bei Pflanzen häufig, weshalb mein Froschprojekt am Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung angesiedelt ist. Mich interessieren vor allem universelle molekulare Mechanismen: Wie gelingt es, die vielen Chromosomen im Zellkern zu koordinieren? Bei der Zellteilung, bei der das Erbmaterial exakt auf die Tochterzellen aufgeteilt werden muss, ist das entscheidend. Um herauszufinden, welche Gene dabei eine Rolle spielen, vergleiche ich diploide und polyploide Neobatrachus-Arten.  

Unsere Max-Planck-Forschungsgruppe hat eine Kollaboration mit dem Western Australian Museum in Perth und dem Southern Australian Museum in Adelaide. In beiden Museen lagern tiefgefrorene Neobatrachus-Gewebeproben, aus denen ich DNA extrahieren durfte; zusätzlich habe ich im Freiland nach Fröschen gesucht. Um von der Naturschutzbehörde die nötige Fanggenehmigung zu bekommen, muss man in Australien einen Erste-Hilfe-Kurs belegen. Nach dieser Schulung ist man fürs Outback bestens gerüstet: Man lernt etwa, wie man giftige von ungiftigen Spinnen unterscheidet und was im Notfall nach einem Schlangenbiss zu tun ist. In dem Kurs saßen viele Australier, die sich als Minenarbeiter anheuern ließen.

Im Freiland arbeitete ich mit Paul Doughty zusammen, dem Leiter der Abteilung Herpetologie am Museum in Perth. Bei der Planung unserer Exkursionen zogen wir eine Wetter-App zu Rate um zu wissen, wo in absehbarer Zeit mit Regen zu rechnen war, sowie eine Natur-App die meldet, wo welche Froscharten gesichtet wurden. Waren „unsere“ Frösche dabei, setzten wir uns in Pauls alten Subaru und fuhren los. Die Entfernungen in Australien sind gewaltig. Manchmal saßen wir den ganzen Tag im Auto. Gelangweilt haben wir uns nicht: Paul wusste über seine Forschung genauso viel zu erzählen wie über seine Lieblingsbands. Zwischendurch gab es als kleinen Snack Instant-Nudeln von der Tankstelle. Ansonsten habe ich auf unseren Roadtrips gerne ein wenig geschlafen. Weil meine Forschungsobjekte nachtaktiv sind, musste ich abends fit sein!

Bei der nächtlichen Suche nach Wüstenfröschen ist ein gutes Gehör gefragt. Paul ist sehr geübt darin, Amphibien anhand ihres Rufs zu erkennen. Er kann sogar dann einzelne Arten identifizieren, wenn viele gleichzeitig rufen. Hatte er die richtige Stimme im Ohr, sind wir losgezogen und haben mit unseren Stirnlampen jede kleine Pfütze abgesucht. Dabei sind wir tatsächlich fündig geworden, so dass ich nun genügend DNA-Proben für meine Analysen habe. Nach unseren Streifzügen bin ich oft erst im Morgengrauen todmüde ins Bett gefallen. Übernachtet haben wir meistens in Hostels oder auf Farmen, die Betten für Saisonarbeiter bereitstellen. Das Tolle daran ist, dass man dort Leute aus aller Welt trifft und leicht Kontakte knüpft.

Da ich zum ersten Mal in Australien war, habe ich mir neben den Fröschen natürlich auch andere Vertreter der australischen Fauna angeschaut. Die Quokkas etwa – kleine Beuteltiere, die man auf Rottnest Island in der Nähe von Perth beobachten kann. Weil sie dort keine natürlichen Feinde haben, sind sie sehr neugierig und zutraulich. Das Besondere an ihnen ist ihr Gesichtsausdruck: Sie scheinen andauernd zu lächeln, und so macht allein ihr Anblick gute Laune!
 

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