Die luftige Atmosphäre des Exoplaneten WASP-107b

Daten des James Webb Weltraumteleskops enthalten Signaturen von Wasserdampf, Schwefeldioxid und Sandwolken

29. November 2023

Tausende von Planeten, die um Sterne unserer Milchstraße kreisen, wurden bereits entdeckt. Sie sind jedoch zu weit entfernt, um die Beschaffenheit und das Aussehen ihrer Oberfläche fotografieren zu können. Selbst die besten Teleskope haben ein zu geringes Auflösungsvermögen. Das neue Weltraumteleskop James Webb spart sich diese Umwege. Mit seinen empfindlichen Instrumenten findet es in der Atmosphäre eines fernen Gasriesen Anzeichen eines Wetterzyklus mit Sandregen.

Ein Team europäischer Astronominnen und Astronomen mit Beteiligung des Max-Planck-Instituts für Astronomie hat kürzlich Beobachtungen mit dem James Webb Space Telescope (JWST) verwendet, um die Atmosphäre des nahegelegenen Exoplaneten WASP-107b zu untersuchen. Beim Durchleuchten seiner wolkigen Atmosphäre entdeckten sie Wasserdampf, Schwefeldioxid und sogar Silikatsandwolken. Diese Partikel befinden sich in einer dynamischen Atmosphäre mit einem energischen Materialtransport. Diese Forschung zeigt, dass sich mit den Daten des JWST beschreiben lässt, wie sich komplexe Chemikalien unter den klimatischen Bedingungen auf fernen Welten verhalten.

Der Exoplanet WASP-107b ist ein einzigartiger Gasplanet. Er umkreist einen Stern, der etwas kühler und weniger massereich ist als unsere Sonne. Während die Masse des Planeten der des Neptun ähnelt, besitzt er einen deutlich größeren Durchmesser und nähert sich fast der des Jupiter an. Diese Eigenschaft macht WASP-107b im Vergleich zu den Gasplaneten des Sonnensystems eher „luftig“. Dadurch konnte das Forschungsteametwa 50 Mal tiefer in seine Atmosphäre blicken als bei der Erforschung eines Gasriesen im Sonnensystem wie Jupiter.

James Webb Weltraumteleskop enthüllt chemische Zusammensetzung

Ein Team europäischer Forschenden nutzte während der Beobachtung mit dem Mid-Infrared Instrument (MIRI) an Bord des JWST die bemerkenswerte „Luftigkeit“ dieses Exoplaneten aus. Diese Gelegenheit eröffnete ein Fenster, um tief in seine Atmosphäre zu schauen und seine komplexe chemische Zusammensetzung aufzuschlüsseln. Die Signale oder spektralen Merkmale sind in einer weniger dichten Atmosphäre weitaus deutlicher zu erkennen als in einer kompakteren. Die jetzt in Nature veröffentlichte Studie berichtet über die Entdeckung von Wasserdampf, Schwefeldioxid (SO2) und Silikatwolken, aber bemerkenswerterweise gibt es keine Spur des Treibhausgases Methan (CH4).

Diese Ergebnisse liefern entscheidende Einblicke in die Dynamik und Chemie dieses faszinierenden Exoplaneten. Erstens lässt das Fehlen von Methan auf ein potenziell warmes Inneres schließen und bietet einen bestechenden Einblick in den Transport von Wärmeenergie in der Atmosphäre des Planeten. Zweitens war die Entdeckung von Schwefeldioxid, ein Gas, dessen Geruch anverbrannte Streichhölzer erinnert, eine große Überraschung. Frühere Berechnungen deuteten nicht darauf hin, aber neuartige Klimamodelle der Atmosphäre von WASP-107b zeigen nun, dass seine diffuse Eigenschaft die Bildung von Schwefeldioxid ermöglicht. Obwohl sein recht kühler Wirtsstern nur einen vergleichsweise kleinen Anteil an hochenergetischen Lichtteilchen aussendet, können diese tief in die Atmosphäre des Planeten eindringen. Dieser Umstand ermöglicht die chemischen Reaktionen, die zur Produktion von Schwefeldioxid erforderlich sind.

Wettervorhersage für WASP-107b sagt Sandwolken voraus

Aber das ist noch nicht der vollständige Befund. Die spektralen Merkmale von Schwefeldioxid und Wasserdampf sind im Vergleich zu einem wolkenlosen Szenario erheblich vermindert. Hoch gelegene Wolken verdecken dagegen teilweise den Wasserdampf und das Schwefeldioxid in der Atmosphäre. Während Astronominnen und Astronomen bei anderen Exoplaneten auf indirektem Wege auf Wolken aus verschiedenen Substanzen schließen konnten, konnten sie hier erstmals direkt die chemische Zusammensetzung bestimmen. Die Wolken bestehen aus kleinen Silikatpartikeln, einer vertrauten Substanz, die auf der Erde fast überall als Hauptbestandteil von Sand vorkommt.  „Die Entdeckung von Sandwolken, Wasser und Schwefeldioxid auf diesem luftigen Exoplaneten mit JWSTs verändert unser Verständnis der Planetenentstehung und -entwicklung und wirft ein neues Licht auf das Sonnensystem“, sagt Leen Decin.

Paul Mollière vom Max-Planck-Institut für Astronomie stimmt zu: „Der Wert des JWST ist nicht zu unterschätzen: Egal wohin wir mit diesem Teleskop schauen, sehen wir immer etwas Neues und Unerwartetes. Auch dieses neueste Ergebnis ist keine Ausnahme.“

Ein exotischer atmosphärischer Zyklus von Silikattropfen

Im Gegensatz zur Atmosphäre der Erde, wo Wasser bei niedrigen Temperaturen gefriert, können in Gasplaneten Silikatpartikel kondensieren und Wolken bilden, wenn die Temperaturen etwa 1000 Grad Celsius erreichen. Bei WASP-107b, wo die äußere Atmosphäre Temperaturen von etwa 500 Grad Celsius erreicht, sagten bisherige Modelle voraus, dass diese Silikatwolken tiefer in der Atmosphäre entstehen sollten, wo die Temperaturen wesentlich höher sind. Darüber hinaus regnen hochgelegene Sandwolken in tiefere Schichten ab. Wie ist es dann möglich, dass diese Sandwolken in großer Höhe dauerhaft existieren können?

„Die Tatsache, dass wir diese Sandwolken hoch in der Atmosphäre sehen, verrät uns, dass die Sandregentropfen in tieferen, sehr heißen Schichten verdampfen. Der resultierende Silikatdampf wird anschließend effizient nach oben transportiert“, erklärt Michiel Min vom SRON (Niederländisches Institut für Weltraumforschung). „Hier kondensieren sie dann wieder zu Silikatwolken. Dies ähnelt dem Wasserdampf- und Wolkenzyklus der Erde, aber mit Sandtropfen.“ Dieser kontinuierliche Zyklus von Sublimation und Kondensation durch einen vertikalen Transport ist verantwortlich für das durchgängige Auftreten von Sandwolken in der Atmosphäre von WASP-107b.

 

Hintergrundinformationen

Das James Webb Space Telescope (JWST) ist das weltweit führende Weltraumobservatorium. Webb löst Rätsel in unserem Sonnensystem, schaut auf ferne Welten um andere Sterne und erforscht die geheimnisvollen Strukturen und Ursprünge unseres Universums sowie unseren Platz darin. Das JWST ist ein internationales Programm, das von der NASA in Zusammenarbeit mit ihren Partnern ESA (European Space Agency) und CSA (Canadian Space Agency) geleitet wird.

Das Mid-Infrared Instrument (MIRI) des JWST, das von einem europäischen Konsortium von Forschungseinrichtungen über einen Zeitraum von 20 Jahren entwickelt wurde, ist ein vielseitiges wissenschaftliches Instrument für Infrarotwellenlängen zwischen 5 und 28 Mikrometern. Es kombiniert eine bildgebende Kamera mit einem Spektrometer. Mit Unterstützung von Industriepartnern hat das Max-Planck-Institut für Astronomie die Mechanismen aller Wellenlängensteuerungselemente bereitgestellt, wie Filter- und Gitterräder, und das elektrische Design von MIRI geleitet.

Das europäische Konsortium umfasst 46 Astronominnen und Astronomen von 29 Forschungseinrichtungen in 12 Ländern. Das Team des Max-Planck-Instituts für Astronomie besteht aus Jeroen Bouwman, Paul Mollière, Thomas Henning, Oliver Krause und Silvia Scheithauer.

MN/BEU

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