Elektronik von Starlink-Satelliten stört Radioteleskope
Satellitenbetreiber SpaceX in Gesprächen mit der Radioastronomie
So wie Menschen mit ihren Handys in Kontakt bleiben, kommunizieren auch Satelliten untereinander und mit Empfangsstationen auf der Erde. Der Kommunikationsweg: Radiostrahlung. Im Idealfall stören die Kommunikationsfrequenzen der Satelliten Observatorien der Radioastronomie jedoch nicht. Dafür sorgen aufwändige Absprachen, etwa mit der Bundesnetzagentur. Eine bislang nicht erforschte Ausnahme ist die Störstrahlung, die von der Bordelektronik bestimmter Satelliten ausgeht. Im Fokus steht zunächst die Satellitenkonstellation Starlink des Betreibers SpaceX.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler führender Forschungseinrichtungen, darunter das Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, haben mit dem Radioteleskop LOFAR 68 Starlink-Satelliten von SpaceX beobachtet. Dabei entdeckten sie elektromagnetische Leckstrahlung, die von der Bordelektronik der Satelliten erzeugt wird. Diese könnte die astronomische Forschung behindern und unterscheidet sich von den normalen Kommunikationssignalen aus dem Orbit, die bisher nur beachtet wurden. Die Autoren fordern alle Satellitenbetreiber und Regulierungsbehörden dazu auf, die Auswirkungen auf die Radioastronomie sowohl bei der Entwicklung von Satelliten als auch bei Regulierungsverfahren zu berücksichtigen.
Millionen-Mal schwächer als ein Handy auf dem Mond
Die Radiosignale, die Astronominnen und Astronomen aus dem Weltall empfangen, sind in der Regel sehr schwach. Die von Menschen verursachte Radiostrahlung wird von Messinstrumenten als viel intensiver wahrgenommen als die Strahlung astronomischer Objekte, die sich im Weltraum ausbreitet und auf die Erde trifft. Prominente Quellen kosmischen Radiolichts sind etwa Schockwellen vergangener Sternexplosionen oder Materieauswürfe aus der Umgebung supermassereicher schwarzer Löcher. Auch wenn diese zu den größten Energieschleudern des Universums gehören, sort ihre große Entfernung von der Erde für geringe Signalstärken. Hätte ein Astronaut auf dem Mond ein durchschnittliches Mobiltelefon bei sich, wäre es mit irdischen Radioteleskopen messbar, und zwar mit einer Intensität, die den hellsten astronomischen Radioquellen am Himmel entspricht. Deshalb werden Radioteleskope bevorzugt dort gebaut, wo sie zumindest von terrestrischer Störstrahlung abgeschirmt sind.
Eine neue Herausforderung entsteht durch den Ausbau riesiger Satellitenkonstellationen wie dem Starlink-Satellitennetzwerk von SpaceX. Um auch entlegene Regionen der Erde praktisch ohne Unterbrechungen mit Breitband-Internet zu versorgen, müssen tausende einzelner Satelliten im erdnahen Orbit kreisen. Damit hat aber auch ein Radioteleskop jederzeit viele Satelliten im Blick. Um zu verhindern, dass die Satelliten in Beobachtungen von Radioastronominnen und -astronomen hineinfunken, während sie mit ihren Bodenstationen kommunizieren, werden für die Astronomie besonders wichtige Frequenzbänder geschützt. Die jetzt erstmals beobachtete Strahlung der Starlink Satelliten ist jedoch bisher nicht erfasst worden. Sie ist aller Wahrscheinlichkeit nach auf so genannte Leckstrahlung der Bordelektronik zurückzuführen. Diese Strahlung hat zwar nur eine sehr geringe Leistung im Bereich weniger Mikrowatt und ist etwa eine Million Mal schwächer als die eines Mobiltelefons, ist aber durch den geringen Abstand zur Erde vergleichbar mit der Strahlung, die Radioobservatorien aus dem Weltall messen oder gar stärker.
„Diese Studie ist der jüngste Versuch, die Auswirkungen von Satellitenkonstellationen auf die Radioastronomie besser zu verstehen“, sagt Federico Di Vruno. Di Vruno ist Co-Direktor des Centre for the Protection of the Dark and Quiet Sky from Satellite Constellation Interference der Internationalen Astronomischen Union. Diese Organisation ist bestrebt, die Interessen der Astronomie mit denen der Weltraumbehörden, der Industrie und der Regulierungsbehörden weltweit zu koordinieren.
Wenn Satellitenkonstellationen zum Problem werden
Das Team um Di Vruno konzentrierte sich zunächst auf die SpaceX-Satelliten, da SpaceX zum Zeitpunkt der Beobachtungen mit mehr als 2 000 Stück die größte Anzahl von Satelliten im Orbit hatte. Konkret wurden im Rahmen dieser Studie 68 Satelliten beobachtet, die während eines einstündigen Beobachtungsfensters durch das Blickfeld des Lofar-Radioteleskops zogen. Bei 47 von ihnen erfasste Lofar eine bisher unbekannte Störstrahlung im Frequenzbereich zwischen 110 und 188 Megahertz. SpaceX verstößt damit nicht gegen Vorschriften, da diese Art der elektromagnetischen Strahlung für Satelliten nicht durch internationale Regelungen abgedeckt ist.
Die Autoren stellen zudem klar, dass SpaceX nicht der einzige Betreiber großer Satellitenkonstellationen ist. Auch andere Satellitennetzwerke könnten Quellen solcher unbeabsichtigten Emissionen sein. Während entsprechende Messungen bereits geplant sind, zeigen Simulationen schon heute, dass die Leckstrahlung umso stärker ist, je größer die Satellitenkonstellation ist. Denn das von den Radioteleskopen gemessene Signal ist eine Überlagerung der Beiträge aller Satelliten, die im Einzugsbereich des Observatoriums senden. „Das beunruhigt uns natürlich sehr, vor allem wenn man an die Vielzahl der geplanten Satelliten denkt. Und es fehlt an spezifischen Regeln, die die Radioastronomie vor unbeabsichtigter Strahlung der Satelliten schützen“, sagt Benjamin Winkel vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn.
Lösungsansätze durch Kooperation
Die Autoren stehen deshalb in engem Kontakt mit SpaceX. Das Unternehmen möchte mögliche negative Auswirkungen auf die Astronomie verhindern und hat bereits kommende Satellitengenerationen dahingehend optimiert. Das frühzeitige Erkennen der Problematik verschafft die nötige Zeit, um gemeinsam an technischen Lösungen zu arbeiten und die notwendigen Gespräche mit den Regulierungsbehörden zu führen.
Trotz der noch nicht absehbaren Nebenwirkungen auf die Astronomie, begrüßt Michael Kramer, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie und Präsident der Astronomischen Gesellschaft in Deutschland, den kooperativen Ansatz von SpaceX. „SpaceX geht mit gutem Beispiel voran. Wir hoffen nun auf eine breite Unterstützung durch die gesamte Satellitenindustrie und die Regulierungsbehörden“.
NJ/TB