Ein neuer Zugang zum Universum

Präzise wie ein Uhrwerk: Pulsare in der Milchstraße als Großobservatorium für Gravitationswellen

Astronomische Observatorien befinden sich für gewöhnlich auf der Erde und erforschen die extremen Vorgänge im Universum, indem sie Licht als Informationsträger einfangen. Doch nicht alle Vorgänge im Weltall erzeugen Licht. Wenn etwa Galaxien verschmelzen und sich darin schwarze Löcher umkreisen, lassen sie Raum und Zeit erzittern. Um solche Gravitationswellen zu messen, haben sich Astronominnen und Astronomen eines Trick bedient. Sie beobachteten das Licht von Pulsaren, einer besonderen Sternenklasse, und schaffen damit ein Observatorium, das fast so groß ist wie unsere Milchstraße.

Ein europäisches Team unter Beteiligung der Max-Planck-Institute für Gravitationsphysik und Radioastronomie hat zusammen mit indischen und japanischen Astronominnen und Astronomen erste Hinweise auf einen Gravitationswellen-Hintergrund entdeckt, der von der Entstehung und Entwicklung des Universums und seiner Galaxien herrührt. Das Team nutzte für seine Beobachtungen das European Pulsar Timing Array und das Indian Pulsar Timing Array, die sechs der empfindlichsten Radioteleskope der Welt umfassen. Mit diesen Instrumenten beobachteten die Forschenden über einen Zeitraum von 25 Jahren einen bisher unerforschten Bereich des Gravitationswellen-Spektrums und zwar bei Wellenlängen, die mit den Abständen zwischen den Sternen in der Milchstraße vergleichbar sind. Ziel der Beobachtungen waren nicht die Gravitationswellen direkt, sondern 25 Pulsar-Sterne, die in der Milchstraße verteilt, den bisher größten Gravitationswellendetektor bilden. Die Daten lassen auf neue Erkenntnisse über die Entstehung und Entwicklung unseres Universums und seiner Galaxien hoffen.

Ein Zittern in Raum und Zeit

Gravitationswellen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit im Raum ausbreiten, verursachen eine periodische Streckung und Stauchung des engen Netzes aus Raum und Zeit. Der wahrscheinlichste Ursprung des Hintergrunds von Gravitationswellen mit Wellenlängen einiger Lichtjahre ist die kosmische Verteilung von Doppelsystemen schwarzer Löcher mit Millionen bis Milliarden Sonnenmassen. Diese entstanden, als gerade in der Frühzeit des Universums, Galaxien häufig miteinander verschmolzen. Dabei kamen sich auch supermassereiche schwarze Löcher aus den Zentren der jeweiligen Galaxien sehr nahe und umkreisten sich auf engen Bahnen.

Gravitationswellendetektoren auf der Erde wurden entwickelt, um die Auswirkungen kürzerer Gravitationswellen zu messen, die entstehen, wenn sich zwei schwarze Löcher von der Masse eines Sterns eng umkreisen und schließlich miteinander verschmelzen. Lange Gravitationswellen aus der aktiven Frühzeit des Universums sind von der Erde aus zwar nicht direkt messbar, verändern aber die Taktfrequenz von Pulsar-Sternen.

Kosmische Leuchttürme

Pulsare sind Sternleichen, die wie kosmische Leuchttürme Radiolicht in zwei entgegengesetzte Richtungen abstrahlen und dabei um eine Achse rotieren. Überstreicht der Radiolichtkegel über die Erde, ist der Pulsar anhand seiner periodischen Radiopulse messbar. „Pulsare sind damit hervorragende natürliche Uhren. Wir nutzen die unglaubliche Regelmäßigkeit ihrer Signale, um nach winzigen Veränderungen in ihrem Ticken zu suchen und so die minimalen Streckungen und Stauchungen der Raum-Zeit durch Gravitationswellen aus dem fernen Universum nachzuweisen“, sagt David Champion vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie. Die Astronominnen und Astronomen haben ihre Beobachtungen auf eine Gruppe von 25 Pulsaren beschränkt, da diese am empfindlichsten auf den Gravitationswellen-Hintergrund reagieren.

Die Ergebnisse beruhen auf jahrzehntelangen koordinierten Beobachtungskampagnen mit den sechs größten Radioteleskopen in Europa und Indien. Dabei handelt es sich um das 100-Meter Radioteleskop in Effelsberg in Deutschland, das Lovell-Teleskop des Jodrell Bank Observatory in Großbritannien, das Nançay-Radioteleskop in Frankreich, das sardische Radioteleskop in Italien, das Westerbork Radio Synthesis Telescope in den Niederlanden und das Giant Metrewave Radio Telescope in Indien.

„Die Analyse der Daten wird dadurch erschwert, dass wir mit den Pulsaren astrophysikalische Objekte als Detektoren für Gravitationswellen verwenden“, sagt Jonathan Gair vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik. Einen Detektor auf der Erde kann man manipulieren und optimieren. Das ist bei den schnell rotierenden Sternen nicht möglich. Um Gravitationswellen als schwache Signatur im Pulsar-Signal nachzuweisen zu können, müssen Forschende das periodische Radiolicht der Pulsare und auch die Ungenauigkeiten in deren Taktfrequenz genau verstehen. Außerdem nutzen sie sich ihr langjähriges Wissen über die Eigenschaften von Gravitationswellen, die sich dreidimensional ausbreiten und dabei Pulsare beeinflussen, die im Raum verteilt sind. So ist zu erwarten, dass Änderungen der Gangunterschiede der beobachteten Pulsare in bestimmter Weise miteinander verkettet sind. Ob diese Korrelation in den Daten sichtbar wird, ist eine Frage der Statistik.

Unsichere Gewissheit

Das gemessene Signal, also das zusammenhängende Muster, nach dem die Takte aller beobachteten Pulsar-Uhren von der Norm abweichen, ist nach dem Goldstandard der Physik nur dann sicher nachgewiesen, wenn es sich mit einer Wahrscheinlichkeit von 99,99997 Prozent nicht um ein Zufallssignal handelt. Ein Signal, wie es zu erwarten ist, dürfte also nur einmal in einer Million Messungen rein zufällig auftreten. Da dies in der Praxis kaum zu testen ist, simulieren die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Computer das gemeinsame Signal aller Pulsare für den Fall, dass keine Gravitationswellen vorhanden sind. Die Messungen des European Pulsar Timing Array – wie auch die der anderen internationalen Kollaborationen –erfüllen den Goldstandard noch nicht. Um endgültige Gewissheit zu erlangen, planen die Teams, ihre Datensätze unter der Federführung des International Pulsar Timing Array zu einem einzigen, umfassenderen Datensatz zusammenzuführen. Dieser würde Beobachtungen von mehr als 100 Pulsaren, mit 13 Radioteleskopen umfassen und könnte ausreichen, um in Zukunft einen unwiderlegbaren Beweis für die Existenz eines Gravitationswellen-Hintergrunds zu liefern – ein Zeuge einer wichtigen Phase der Entwicklung des Universums.

TB

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