Raubzug durch die Vorstadt

Patrick McClanahan vom Freiburger Max-Planck-Institut zur Erforschung von Kriminalität, Sicherheit und Recht ist für sieben Monate nach Pennsylvania gereist. In vier Gefängnissen hat er verurteilte Einbrecher getroffen und sie dazu animiert, im Dienst der Wissenschaft Häuser auszurauben.

Als Kind war ich wohl Serienjunkie. Die Krimiserien der frühen 2000er-Jahre habe ich geliebt! Wir hatten damals einen Familienhund, der Jethro hieß, nach der Hauptfigur von Navy CIS. Unglücklicherweise hat mein Fernsehkonsum in so jungen Jahren dazu geführt, dass ich eine Phobie entwickelte. Ich konnte nicht mehr einschlafen vor lauter Angst, umgebracht zu werden. Mit der Unterstützung eines Therapeuten habe ich meine Ängste in den Griff bekommen. Geblieben ist der Drang, Verbrecher und ihre Motive verstehen zu wollen. Ich habe mich daher entschlossen, Psychologie und Strafrecht zu studieren und Kriminologe zu werden.

Als Postdoc arbeite ich derzeit am Projekt „Virtual Burglary“ mit. Neben dem Freiburger Max-Planck-Institut und der University of Portsmouth sind daran die Leiden University und die Vrije Universiteit Amsterdam beteiligt. In dem groß angelegten Forschungsprogramm geht es darum, die unterschiedlichen Vorgehens weisen von Einbrechern zu erfassen. Ziel ist es, bessere Präventionsmaßnahmen zu entwickeln und Kriminalität zu verhindern. Meine Studienteilnehmer waren inhaftierte Einbrecher in vier verschiedenen Gefängnissen im US-Bundesstaat Pennsylvania.

Für meine Studie habe ich täglich sieben bis neun Stunden im Gefängnis verbracht. Davon entfielen allein zwei Stunden auf Tätigkeiten, die mit Sicherheit oder Administration zu tun hatten. Vor meiner Ankunft musste ich der Gefängnisverwaltung eine Liste schicken mit allem, was ich für meine Arbeit brauchte und mitbringen wollte. Daran musste ich mich penibel halten. Am Eingang zur Strafanstalt passiert man eine Sicherheitskontrolle, ähnlich wie am Flughafen. Ich wurde durchsucht, und alle Gegenstände, die ich bei mir trug, wurden einzeln geprüft. Innerhalb des Gebäudes durfte ich mich nicht frei bewegen, sondern wurde immer von Sicherheitspersonal begleitet.

Die Verwaltung hatte mir vorab die Namen aller Gefängnisinsassen gegeben, die als Probanden infrage kamen. Mit den meisten habe ich einzeln gesprochen und ihnen das Projekt vorgestellt. Bei solch einem Gespräch sind die ersten dreißig Sekunden entscheidend, um Vertrauen aufzubauen und jemanden für die Studie zu gewinnen. Anfangs habe ich mich danach erkundigt, wie der Tag so läuft. Schon so eine einfache Frage entpuppt sich oft als Türöffner, weil sich sonst kaum jemand dafür interessiert. Viele ließen sich dadurch überzeugen, dass sie mit ihrer Teilnahme einen wichtigen Beitrag leisten, um die Welt sicherer zu machen – denn davon profitieren ja ihre Familien. Entscheidend war sicherlich auch, dass ich unabhängiger Wissenschaftler bin und noch nie für die Polizei oder die Justiz tätig war. Ungefähr 40 Prozent der Befragten waren bereit mitzumachen. Insgesamt haben 160 Personen aus Pennsylvania teilgenommen.

Die Studienteilnehmer hatten die Aufgabe, einen Einbruch zu begehen – rein virtuell natürlich. Eine Virtual-Reality-Brille ermöglichte es, ein imaginäres Wohnviertel auszukundschaften und bestimmte Häuser zu bewerten, genauso wie in der Realität. Das Virtual-Reality-System zeichnete alle Handlungen in Echtzeit auf. So konnte ich verfolgen, wie die Einbrecher ihr Ziel auswählten und was dabei für sie wichtig war. Indem ich etwa Straßenbeleuchtung, Alarmsysteme oder auch die Position geparkter Autos veränderte, konnte ich testen, welchen Einfluss das jeweils auf die Entscheidungen und das weitere Vorgehen der Einbrecher hatte. Für mich war es wichtig, dass sowohl Amateure als auch Profi-Einbrecher teilnahmen – denn beide Gruppen arbeiten sehr unterschiedlich.

Nur wenige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die auf dem Gebiet der Kriminologie forschen, gehen in Gefängnisse und arbeiten mit Straffälligen. Für meine Forschung und für mich persönlich ist das jedoch essenziell. Schlechte Erfahrungen habe ich dabei bisher nicht gemacht. Es ist allerdings schwierig für mich, mit den teilweise schockierenden persönlichen Geschichten umzugehen, die mir die Häftlinge erzählen und auf die ich in meiner rolle als Wissenschaftler nicht reagieren darf. Nach meiner Zeit am Max-Planck-Institut möchte ich mich auf eine Professur in den USA bewerben. Auf alle Fälle will ich auch in Zukunft Gefängnis insassen in meine Forschung einbeziehen.

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht