Infektionsschutz nach eigenem Interesse
Computermodell wägt die individuellen Kosten und den gesellschaftlichen Nutzen von Interventionen während der Covid-19-Pandemie ab
Während der Pandemie verhängten Regierungen strenge Beschränkungen für alle. Jedoch war die Akzeptanz dieser Maßnahmen nicht bei allen gleich hoch. Forscher schlagen nun ein Modell vor, mit dem die individuelle Situation bewertet werden kann, und zwar abhängig vom Schutz, den die Maßnahme bietet, dem Infektionsrisiko und den Kosten der Maßnahme. Das Modell zeigt, dass unterschiedliche Bewertungen von Risiken und Kosten zu unterschiedlichen Handhabungen der entsprechenden Situation führen kann.
Angesichts der Covid-19-Pandemie hat die Regierungen starke Einschränkungen für Wirtschaft und Gesellschaft verhängt: Schulen wurden geschlossen, viele Unternehmen durften nicht mehr arbeiten, und Reisebeschränkungen sollten die Ausbreitung des Virus eindämmen oder verlangsamen. Nach und nach wurde die Verantwortung für den Infektionsschutz jedoch wieder auf die Einzelnen übertragen. Viele fragen sich auch jetzt noch, ob sie die derzeitig freiwilligen Maßnahmen ergreifen sollen, und etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln eine Maske tragen sollen. Oft liegt es zwar im Interesse der Gesellschaft, die entsprechenden Empfehlungen zu befolgen, ist aber beispielsweise für den Einzelnen kostspielig.
Bislang fehlt ein klarer Rahmen, um solche Interventionen - abhängig von den Kosten und dem Nutzen für den Einzelnen, aber auch dem Stand der Pandemie - zu bewerten. Forscher des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie in Plön und der Universitäten Princeton und Berkeley schlagen einen Ansatz vor, um den Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft in einem solchen Kontext darzustellen.
Die individuellen und gesellschaftlichen Reaktionen auf eine laufende Pandemie können zu sozialen Konflikten führen. In manchen Fällen ist jeder Einzelne versucht, eine Maßnahme nicht zu befolgen, obwohl das Befolgen für die gesamte Gesellschaft am besten wäre. Da jedoch in den meisten Ländern der Umfang der Vorschriften zur Verringerung der SARS-CoV-2-Übertragung mittlerweile sehr gering ist, werden die Interventionen nun von individuellen Entscheidungen bestimmt.
Handeln im eigenen Interesse
Das Modell konzentriert sich auf drei verschiedene Beispiele für Interventionen, die jedoch während der Pandemie zu den größten Diskussionen führten. Dazu gehören neben dem pflegen von sozialen Kontakten, die Bereitschaft zu Impfungen auch das Tragen von Masken.
Geht man von der Annahme aus, dass der Einzelne in seinem eigenen Interesse handelt, so wird ein entsprechender Handlungsrahmen notwendig. Arne Traulsen, Abteilung für Theoretische Biologie am Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie, Simon Levin, Abteilung für Ökologie und Evolutionsbiologie an der Princeton University, und Chadi Saad-Roy, Lewis-Sigler Institut für Integrative Genomik an der Princeton University, schlagen in ihrem Modell vor, wie diese Situation quantifiziert werden kann. Dies erfolgt in Abhängigkeit vom Schutz, den die Intervention einem Nutzer und anderen bietet, dem Risiko, sich anzustecken, und den Kosten der Intervention. „Wir erörtern, wann es zu einem Spannungsverhältnis zwischen individuellem und gesellschaftlichem Nutzen kommt und welche Parametervergleiche wichtig sind, um zwischen verschiedenen Regimen der Interventionsnutzung zu unterscheiden“, sagt Arne Traulsen.
Insbesondere zeigt das Modell auch, dass eine unterschiedliche Bewertung von Risiken und Kosten dazu führen kann, dass es völlig natürlich ist, dass beispielsweise einige Individuen nicht auf Masken verzichten, während andere das in genau dem gleichen Kontext tun. Das Modell hilft damit, gesellschaftliche Konflikte besser zu verstehen.