Riesenplanet gibt Rätsel auf

Wissenschaftler finden den bisher jüngsten Super-Jupiter, für den sie sowohl Masse als auch Größe messen konnten

25. November 2022

Eine Gruppe von Astronomen unter der Leitung von Olga Zakhozhay vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie hat einen Riesenplaneten um den sonnenähnlichen Stern HD 114082 entdeckt. Mit einem Alter von nur 15 Millionen Jahren ist dieser Super-Jupiter der jüngste Exoplanet seiner Art, für den die Astronomen seinen Radius und seine Masse bestimmen konnten. Während seine Größe dem Durchmesser des Jupiters entspricht, beträgt die Masse von HD 114082 b das Achtfache der des größten Planeten in unserem Sonnensystem. Zusammengenommen sind diese beiden Größen schwer mit den weithin akzeptierten Modellen der Planetenentstehung zu vereinbaren.

Bis heute sind mehr als 5000 Exoplaneten bekannt, von denen etwa 15 Prozent Gasriesen mit einer Masse von mindestens der des Jupiters sind. Nun entdeckte eine Gruppe von Astronomen und Astronominnen unter der Leitung von Olga Zakhozhay (Max-Planck-Institut für Astronomie, Heidelberg, Deutschland, und Astronomisches Haupt­observatorium der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine, Kiew, Ukraine) einen Exoplaneten mit dem Namen HD 114082 b, der eine Reihe von Eigenschaften aufweist, die den Fachleuten Kopfzerbrechen bereiten.

Der Planet ist etwa so groß wie der Jupiter, aber seine Masse erreicht acht Jupitermassen. „Verglichen mit derzeit akzeptierten Modellen ist HD 114082 b etwa zwei- bis dreimal zu dicht für einen jungen Gasriesen mit einem Alter von nur 15 Millionen Jahren“, sagt Olga Zakhozhay, die Hauptautorin der Studie. Die sich daraus ergebende mittlere Dichte dieses Gasplaneten ist doppelt so hoch wie die der Erde – was wirklich bemerkenswert ist. Schließlich ist die Erde ein Gesteinsplanet mit einem Eisen-Nickel-Kern und besteht nicht aus Wasserstoff und Helium, den leichtesten Elementen im Universum, aus denen Jupiter nahezu ausschließlich aufgebaut ist.

„HD 114082 b ist derzeit der jüngste bekannte Gasriesenplanet mit einer ermittelten Masse und einem ermittelten Radius“, so Zakhozhay. Daher verspricht er, den Astronomen etwas über die Entstehung von Gasriesen im Allgemeinen zu lehren. „Wir denken, dass sich Riesenplaneten auf zwei Arten bilden können“, sagt Ralf Launhardt, Mitautor vom Heidelberger Max-Planck-Institut. „Beide Szenarien finden innerhalb einer protoplanetaren Scheibe aus Gas und Staub statt, die sich um einen jungen Zentralstern verteilt.“

Beim ersten Prozess, der als „Kernakkretion“ bezeichnet wird, sammelt sich zunächst ein fester Kern aus Gesteins­material an. Sobald dieser eine kritische Masse erreicht hat, zieht seine Gravitationskraft das umgebende Gas an, was zur raschen Anhäufung von Wasserstoff und Helium führt, wodurch ein Riesenplanet entsteht. Beim zweiten Vorgang, der „Scheibeninstabilität“, kollabieren gravitativ instabile Pakete aus dichtem Gas direkt und bilden einen Riesenplaneten ohne Gesteinskern.

Je nach den für diese beiden Szenarien getroffenen Annahmen sollte das Gas unterschiedlich schnell abkühlen, was die Temperatur junger Gasriesenplaneten bestimmt. Daher können die neuen Planeten einen kalten oder einen heißen Beginn durchlaufen - was zu beobachtbaren Unterschieden zwischen diesen Modellen führen könnte.

Die bevorzugten Modelle passen nicht

Derzeit bevorzugen viele Astronomen und Astronominnen ein Kernakkretions-Szenario mit einem heißen Beginn für Riesenplaneten wie HD 114082 b. Da heißes Gas ein größeres Volumen einnimmt als kaltes Gas, sollte man merkliche Unterschiede in den Größen der beobachteten Planeten feststellen. Dieser Größenunterschied ist bei jungen Planeten stärker ausgeprägt. In den ersten Hunderten von Millionen Jahren der Abkühlung nach der Entstehung verringert sich dieser Effekt jedoch.

Auf den ersten Blick widerspricht HD 114082 b den Erwartungen. Die Kombination aus Masse und Größe passt nicht zum Bild des heißen Beginns. Stattdessen entspricht er eher dem Szenario des kalten Beginns. Interessanterweise zeigen einige etwas ältere Kandidaten, die in anderen Studien genannt wurden, das gleiche Verhalten. „Es ist viel zu früh, um die Vorstellung eines heißen Anfangs aufzugeben“, sagt Ralf Launhardt. „Wir können nur sagen, dass wir die Entstehung von Riesenplaneten noch nicht sehr gut verstehen.“ Es ist klar, dass HD 114082 b im Vergleich zu den aktuellen Modellen zu klein für seine Masse ist. Entweder hat er einen ungewöhnlich großen festen Kern, oder die Modelle sind falsch und unterschätzen die Rate, mit der diese Gasriesen abkühlen können – oder beides.

Die Entdeckung von HD 114082 b ist das Ergebnis eines umfangreichen Beobachtungsprogramms namens RVSPY (Radial Velocity Survey for Planets around Young stars). Derzeit umfasst es 775 Beobachtungsstunden mit dem vom Max-Planck-Institut für Astronomie betriebenen 2,2-Meter-Teleskop der ESO/MPG am Standort La Silla der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile, die sich über 4,5 Jahre verteilen. RVSPY ist ein gutes Beispiel für ertragreiche astronomische Forschung, die an Teleskopen mit dauerhaftem Zugang über einen langen Zeitraum durchgeführt wird. Solche Studien wären mit den neuesten Teleskopen kaum möglich, da die Beobachtungszeit pro Projekt aufgrund der hohen Nachfrage stark begrenzt ist.

Ziel von RVSPY ist es, die Anzahl und Verteilung der (heißen, warmen und kalten) Riesenplaneten um junge Sterne aufzudecken. Zu diesem Zweck nehmen die Astronomen und Astronominnen Zeitreihen von Spektren von 111 jungen Sternen auf: Sie zerlegen das Sternenlicht in seine grundlegenden Farbkomponenten, ähnlich wie wir es bei einem Regenbogen sehen. Winzige periodische Verschiebungen in den Sternspektren können auf eine Taumelbewegung des beobachteten Sterns hinweisen, die durch die Anziehungskraft eines ihn umkreisenden Planeten verursacht wird. Grundsätzlich kann die Aktivität der Sterne, wie Pulsationen oder Flares, die Messungen beeinträchtigen - insbesondere bei jungen Sternen wie HD 114082. Die Qualität der RVSPY-Daten ist jedoch gut genug, um das Signal des wankenden Sterns zweifelsfrei zu erkennen. Das Team bezog auch ältere Archivdaten von anderen Teleskopen ein, um die Abdeckung in die Vergangenheit auszudehnen.

Ein Transit-Ereignis vervollständigt die Analyse

Während die Astronomen diese sogenannte Radialgeschwindigkeits­methode anwenden, um auf die Masse und die Umlaufzeit eines Planeten um seinen Zentralstern zu schließen, müssen sie zur Bestimmung seiner Größe auf eine andere Technik zurückgreifen. Nehmen wir an, dass die Planetenbahn so ausgerichtet ist, dass sie zufällig den Zentralstern kreuzt. Man nennt ein solches Ereignis einen „Transit“. Wenn dies geschieht, lässt sich aufgrund der periodisch auftretenden winzigen Abschwächung des empfangenen Lichts während der Transits der Radius des Planeten berechnen und seine Umlaufdauer genauer bestimmen.

„Wir vermuteten bereits eine Konfiguration der Planetenbahn, die fast auf der Seite liegt, da vor einigen Jahren ein Ring aus Staub um HD 114082 entdeckt wurde“, sagt Olga Zakhozhay. „Dennoch hatten wir das Glück, in den TESS-Daten eine Beobachtung mit einer beeindruckenden Transitlichtkurve zu finden, die unsere Analyse verbesserte.“ TESS (Transiting Exoplanet Survey Satellite) ist eine NASA-Raumsonde, die nach Exoplaneten um Sterne in relativer Nähe zur Erde sucht.

Durch die Kombination dieser Messungen fanden Zakhozhay und ihre Kollegen heraus, dass HD 114082 b seinen sonnenähnlichen Mutterstern innerhalb von 110 Tagen in einem Abstand von etwa 0,5 Astronomischen Einheiten umkreist. Eine Astronomische Einheit ist der mittlere Abstand zwischen der Sonne und der Erde und entspricht etwa 150 Millionen Kilometern. Sie ähnelt damit der Umlaufbahn des Merkurs um unsere Sonne.

HD 114082 b ist einer von nur drei jungen Riesenplaneten mit einem Alter von bis zu 30 Millionen Jahren, deren Masse und Größe bekannt sind. Und alle stehen wahrscheinlich im Widerspruch zu den am häufigsten angenommenen Modellen für den heißen Beginn. Obwohl die Astronomen und Astronominnen mit drei Planeten auf eine Statistik mit niedrigen Zahlen zurückgreifen, ist es unwahrscheinlich, dass alle diese Planeten Ausreißer sind. „Zwar werden mehr solcher Planeten benötigt, um diesen Trend zu bestätigen, aber wir glauben, dass Theoretiker ihre Berechnungen erneut überdenken sollten“, so Zakhozhay. „Es ist spannend, wie unsere Beobachtungsergebnisse in die Theorie der Planeten­bildung einfließen. Sie tragen dazu bei, unser Wissen darüber zu verbessern, wie diese Riesenplaneten entstehen, und zeigen uns, wo die Lücken in unserem Verständnis liegen.“

MN

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