Welche Populationsstrukturen maximieren die evolutionäre Fitness?
Schädliche Mutationen beeinflussen die langfristige Evolutionsdynamik
Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts in Plön haben gezeigt, dass Populationsstrukturen, die den Effekt von Selektion verstärken, nicht unbedingt auch zu einer höheren Fitness führen. Stattdessen ist entscheidend für eine Maximierung der Fitness, dass nachteilige Mutationen davon abgehalten werden, sich durchzusetzen.
In der evolutionären Graphentheorie – einem Teilgebiet der theoretischen Biologie – wird untersucht, wie die Populationsstruktur die Wahrscheinlichkeit beeinflussen kann, dass eine Mutante eine Population übernimmt („fixiert“) und wie lange dies typischerweise dauert. In der Vergangenheit wurde dabei immer der Fall eines einzelnen, mutierten Individuums betrachtet. Bei sich kontinuierlich weiterentwickelnden Systemen treten jedoch ständig neue Mutationen auf. Typischerweise treten diese aber nicht irgendwo auf, sondern vermehrt dort, wo Individuen reproduzieren. Langfristig nehmen solche Modelle dann einen Gleichgewichtszustand ein, in dem die Fitness sich im Mittel nicht mehr ändert.
Intuitiv wurde bisher davon ausgegangen, dass Selektionsverstärker die mittlere Fitness der Population in diesem Gleichgewicht erhöhen und Selektionsunterdrücker die durchschnittliche Fitness der Population in diesem Gleichgewicht verringern. Nikhil Sharma und Arne Traulsen von der Abteilung für Evolutionstheorie des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie in Plön konnten jedoch zeigen, dass eine andere Gruppe von Graphen, die sogenannten Unterdrücker der Fixierung, die höchste mittlere Fitness der Population erreichen können. Hauptgrund dafür ist ihre Fähigkeit, nachteilige Mutanten effizient vom Fixieren abzuhalten. „Dies verdeutlicht die Bedeutung schädlicher Mutanten für die langfristige Evolutionsdynamik, die in der Literatur bisher übersehen wurde“, so Nikhil Sharma.
Der Einfluss räumlicher Struktur
Räumliche Struktur kann die evolutionäre Dynamik erheblich beeinflussen. Aber traditionell wurden dabei regelmäßige Populationsstrukturen betrachtet, die keinen Einfluss auf die Fixierungswahrscheinlichkeiten haben. In den vergangenen Jahren hat man aber in nicht-regelmäßigen Strukturen gefunden, dass diese sehr komplexe Einflüsse auf die Fixierungswahrscheinlichkeiten und –Zeiten haben können. Normalerweise wird diese Dynamik anhand des Fixierungsprozesses einer einzelnen Mutation an einem zufällig gewählten Ort untersucht und ermöglicht es so, Strukturen zu klassifizieren, die die Wirkung der Selektion verstärken.
Das neue Modell zeigt, dass der Fixierungsprozess einzelner Mutationen in die langfristige evolutionäre Dynamik durch ein Gleichgewicht zwischen Mutation, Selektion und Zufallsprozessen gekennzeichnet ist. Ziel solcher abstrakten Modelle ist es, die Rolle der Populationsstruktur auf evolutionäre Prozesse zu verstehen. Theoretisch könnte die Biotechnologie solche Strukturen ausnutzen, um Systeme robust gegen Mutationen zu machen oder um gezielt vorteilhafte Mutationen zu selektieren.