Ein Radioteleskop eröffnet Horizonte

Das europäische Observatorium NOEMA erreicht mit zwölf Antennen seine volle Leistungsfähigkeit
 

Das NOEMA-Radioteleskop auf dem Plateau de Bure in den französischen Alpen ist jetzt mit zwölf Antennen ausgestattet und damit das leistungsstärkste Radioteleskop seiner Art auf der nördlichen Hemisphäre. Betrieben wird es vom internationalen Institut IRAM, an dem die Max-Planck-Gesellschaft beteiligt ist. Bei der Feier zur Einweihung des Teleskops am 30. September war auch Max-Planck-Präsident Martin Stratmann unter den Gästen.

Acht Jahre nach der Einweihung der ersten NOEMA-Antenne im Jahr 2014 ist das europäische Großprojekt nun vollendet. Dank seiner zwölf 15-Meter-Antennen, die sich auf einem speziell entwickelten Schienensystem von bis zu 1,7 Kilometern Länge hin und her bewegen lassen, ist NOEMA ein einzigartiges Instrument für die astronomische Forschung.

Das Teleskop ist mit hochempfindlichen Empfangssystemen ausgestattet, die nahe an der Quantengrenze arbeiten. Bei Beobachtungen agieren die zwölf Antennen des Observatoriums wie ein einziges Teleskop – eine Technik, die Interferometrie genannt wird: Nachdem alle Antennen auf ein und dieselbe Region des Weltraums gerichtet wurden, werden die von ihnen empfangenen Signale mithilfe eines Supercomputers kombiniert. Ihre Detailauflösung entspricht dann der eines riesigen Teleskops, dessen Durchmesser dem Abstand zwischen den äußersten Antennen entspricht.

Die jeweilige Anordnung der Antennen kann sich über Entfernungen von einigen hundert Metern bis hin zu nunmehr 1,7 Kilometern erstrecken. Damit funktioniert das Netzwerk wie eine Kamera mit variablem Objektiv. Je weiter die Antennen voneinander entfernt sind, desto stärker der Zoom: Die maximale räumliche Auflösung von NOEMA ist so hoch, dass es in der Lage wäre, ein Mobiltelefon aus einer Distanz von mehr als 500 Kilometern zu erkennen.

NOEMA ist eines der wenigen Radioobservatorien weltweit, das gleichzeitig eine große Anzahl von Signaturen – also „Fingerabdrücken“ von Molekülen und Atomen – aufspüren und messen kann. Dank dieser sogenannten Multi-Linien-Beobachtungen und der hohen Empfindlichkeit lassen sich die Komplexität der kalten Materie im interstellaren Raum sowie der Bausteine des Kosmos untersuchen. Mit NOEMA studieren mehr als 5000 Forscherinnen und Forscher aus der ganzen Welt die Zusammensetzung und Dynamik von Galaxien ebenso wie Geburt und Tod der Sterne, Kometen in unserem Sonnensystem oder die Umgebung schwarzer Löcher. Das Observatorium fängt Licht von kosmischen Objekten ein, das mehr als 13 Milliarden Jahre zur Erde unterwegs war.

Bereits jetzt hat NOEMA eine Reihe wichtiger wissenschaftlicher Entdeckungen und Ergebnisse geliefert. So konnte das Teleskop die bisher entfernteste bekannte Galaxie beobachten, die kurz nach dem Urknall entstand. Zudem wurde mit NOEMA kürzlich die Temperatur der kosmischen Hintergrundstrahlung in einer sehr frühen Phase des Universums gemessen – eine wissenschaftliche Premiere, die es ermöglichen wird, die Auswirkungen der Dunklen Energie nachzuzeichnen, die das All auseinandertreibt.

ZA / HOR

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IRAM wurde im Jahr 1979 von der französischen Forschungsorganisation CNRS und der Max-Planck-Gesellschaft gegründet, 1990 schloss sich das spanische Instituto Geográfico Nacional (IGN) an. Mit NOEMA, dem Northern Extended Millimeter Array, steht nun das leistungsstärkste Millimeter-Radioteleskop auf der nördlichen Hemisphäre zur Verfügung. Das Observatorium ist Teil des Event Horizon Telescope (EHT), das 2019 das erste Bild eines schwarzen Lochs und im Mai 2022 das Bild des schwarzen Lochs im Zentrum unserer Galaxis veröffentlicht hat. Neben dem zweiten Observatorium von IRAM, der 30-Meter-Radioantenne in Spanien, wird NOEMA dem EHT ermöglichen, Bilder und Animationen von schwarzen Löchern mit noch größerer Detailgenauigkeit zu erstellen. Beide Anlagen sind entscheidend für den EHT-Verbund und für die Erforschung sowie das Verständnis der Physik schwarzer Löcher.

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