Gefahr aus dem Brunnen

1. Juni 2021

Shambhavi Priyam vom Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern koordiniert im Nordosten Indiens eine Informationskampagne, um Menschen vor arsenbelastetem Brunnenwasser zu schützen. Sie berichtet von kulinarischen Genüssen, den Mühlen der indischen Bürokratie und Geburtstag feiern in Corona-Zeiten.

Viele, die von Arsen hören, denken zuerst an Giftmord. Kaum jemand in Deutschland weiß, dass in Indien und Bangladesch Millionen Menschen an chronischer Arsenvergiftung leiden und dass jedes Jahr Zehntausende daran sterben. Hochgiftige Arsenverbindungen kommen hier in manchen Gegenden von Natur aus im Grundwasser vor. Etliche Brunnen sind damit belastet. Weil man das Arsen im Wasser nicht sieht, schmeckt oder riecht und auch nicht gleich davon krank wird, wissen viele gar nicht, dass sie ihrer Gesundheit jeden Tag schaden. Sie verwenden das Brunnenwasser zum Trinken, zum Kochen und zum Bewässern der Felder. Dabei ziehen sie sich über die Jahre eine chronische Vergiftung zu. Typisch dafür sind eine schmerzhafte, juckende Hornhaut an den Handflächen und Fußsohlen sowie dunkle Flecken auf der Haut. Manchmal kommt es erst nach Jahrzehnten zu Nervenkrankheiten oder Krebs.

Wir möchten herausfinden, wie man die Menschen am besten auf die unsichtbare Gefahr aufmerksam macht und sie dazu bringt, ihre Gewohnheiten zu ändern. An der Studie nehmen 150 Dörfer aus der Region Bihar im Nordosten Indiens teil. Die Menschen hier betreiben Landwirtschaft oder verdienen ihr Geld als Wanderarbeiter. Viele können nicht lesen oder schreiben und haben nur sehr begrenzt Zugang zu medizinischer Versorgung. Um sie über das Arsenproblem aufzuklären, haben wir in Zusammenarbeit mit der lokalen Regierung einen Film gedreht. Die Filmarbeit war völliges Neuland für mich, hat aber großen Spaß gemacht. Die Aufnahmen informieren über die Gefahr und zeigen, wie man an sicheres Wasser kommt. Dazu kann man Wasser aus Teichen und Flüssen abkochen. Es geht aber noch einfacher: Man lässt Brunnenwasser über Nacht stehen, sodass sich das Arsen am Boden absetzen kann. Den Überstand kann man gefahrlos verwenden. Eine kleine Änderung im Verhalten hat also eine immense Wirkung – das möchte ich möglichst vielen Menschen nahebringen!

Dafür arbeite ich mit lokalen Helfern zusammen. Sie fahren in die Dörfer, messen die Arsengehalte in den Brunnen, befragen die Leute zu ihren Gewohnheiten und ihrem Gesundheitszustand und zeigen den Film. Um die Menschen zu erreichen, ist es wichtig, dass alle Mitwirkenden die Sprache sprechen und die Gegebenheiten vor Ort kennen. Ich selbst bin in Patna geboren, der Hauptstadt von Bihar. Hier habe ich die ersten zehn Jahre meines Lebens verbracht. Eine erste Zwischenbilanz unserer Studie ist positiv: In einer Stichprobe aller teilnehmenden Haushalte haben wir bereits eine Verbesserung der Wasserqualität festgestellt. Auf lange Sicht möchten wir allerdings noch weitere Fragen klären: Erinnern sich die Menschen an die Inhalte des Films und verhalten sie sich nun anders? Geben sie die Informationen weiter? Wie geht es ihnen gesundheitlich? Positiv ist, dass die Leute für das Thema aufgeschlossen sind. Aufgrund von Corona hat sich das Projekt allerdings stark verzögert.

Momentan sitze ich die meiste Zeit in einer kleinen Wohnung in Patna und arbeite am Rechner. Wenn ich frei habe, würde ich mich gerne mit meinen Verwandten treffen, denn viele aus meiner Familie leben hier. Das fällt jetzt leider aus. So habe ich kürzlich auch meinen Geburtstag sehr ruhig und coronakonform verbracht: Meine Cousinen und Cousins haben mich mit einem selbst gebackenen Kuchen überrascht, und später gab es noch eine Party mit Freunden – per Videochat. Es ist großartig, dass ich hier während der Corona-Katastrophe ein enges Netzwerk von Unterstützerinnen und Unterstützern habe, andernfalls wäre es wirklich schwierig, vor Ort zu arbeiten.

Wenn ich in Indien bin, genieße ich vor allem das Essen mit all seinen wunderbaren Gewürzen, das man so nur hier bekommt. Die deutsche Küche könnte für meinen Geschmack deutlich mehr Würze vertragen, da muss ich oft kräftig nachhelfen. Ab und zu esse ich aber auch gern Käsespätzle, ganz ohne asiatische Aromen! An Indien gefällt mir besonders, wie leicht man hier mit Menschen auf der Straße ins Gespräch kommt und dabei ständig Neues lernt. Manchmal aber vermisse ich Deutschland – vor allem dann, wenn ich mit Behörden zu tun habe. Die Mühlen der indischen Bürokratie mahlen einfach unglaublich langsam. An den Deutschen gefällt mir, dass sie geradeheraus sind und sagen, was sie denken. Das ist in Indien anders: Hier hört man selten ein klares Ja oder Nein.

Ich liebe es, unterwegs zu sein, und habe zeitweise auch schon in den USA und in Frankreich gelebt. Zu Hause fühle ich mich dort, wo ich gerade bin. In Zukunft würde ich gerne als Wissenschaftlerin in Deutschland bleiben, denn die Forschungsumgebung ist für mich ideal.

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