GEO600 und KAGRA beobachten zusammen
Ergebnisse des gemeinsamen japanisch-deutschen Gravitationswellen-Beobachtungslaufs
Im März 2020 – direkt nach dem Ende des dritten Beobachtungslaufs des internationalen Detektornetzwerks – drehten der japanische Detektor KAGRA und der deutsch-britische GEO600-Detektor eine Extrarunde. Zwei weitere Wochen lang nahmen sie in einem gleichzeitigen Beobachtungslauf Daten auf. KAGRA ist das jüngste Mitglied der wachsenden weltweiten wissenschaftlichen Kollaboration. Es wurde unterirdisch und mit neuartigen Technologien gebaut. Die Ergebnisse des gemeinsamen Laufs wurden in „Progress of Theoretical and Experimental Physics“ (PTEP) veröffentlicht.
„Die KAGRA Kollaboration ist stolz, dass KAGRA in gerade einmal zehn Jahren gebaut, in Betrieb genommen und in das internationale Detektornetzwerk aufgenommen wurde“, sagt Hideyuki Tagoshi von der KAGRA-Kollaboration.
KAGRA ist einzigartig. Das Instrument mit seinen drei Kilometer langen Laserarmen befindet sich an einem sehr ruhigen Ort: tief im Inneren eines Berges, wo Bodenvibrationen das empfindliche Instrument nicht stören. KAGRA verwendet neuartige Technologien, die andere Instrumenten nicht einsetzen, beispielsweise auf sehr niedrige Temperaturen gekühlte Spiegel.
GEO600 ist die Technologieschmiede der internationalen Gravitationswellenforschung. Im GEO-Projekt entwickelte und getestete Technologien werden in allen großen Gravitationswellen-Detektoren der Welt eingesetzt.
KAGRA begann erst gegen Ende des dritten Beobachtungslaufs O3 im Februar 2021 gemeinsam mit LIGO, Virgo und GEO600 nach Gravitationswellen zu suchen. So war es schwierig, dringend benötigte Erfahrungen mit dem neuen Detektor zu sammeln. Auch wenn ein Detektor allein Gravitationswellen messen kann, ist es fast unmöglich, den Ursprung eines Signals sicher zu bestimmen. Dazu müssen die Daten mehrerer Detektoren miteinander verglichen werden. Deshalb hat sich KAGRA mit dem deutsch-britischen Detektor GEO600 für einen Beobachtungslauf zusammengetan, um gemeinsam Daten aufzunehmen und auszuwerten.
Jetzt haben die KAGRA- und GEO600-Forschenden die Ergebnisse ihrer Analyse der während ihres gemeinsamen Messlaufs gewonnenen Daten in der Zeitschrift Progress of Theoretical and Experimental Physics veröffentlicht. Auch wenn die Empfindlichkeit der beiden Detektoren noch nicht mit der von LIGO oder Virgo vergleichbar ist, war die Analyse eine wertvolle Übung für das internationale Forscherteam.
Das Team suchte in den KAGRA- und GEO600-Daten nach zwei Arten von Gravitationswellen-Signalen: den „Chirps“ von Verschmelzungen zweier Neutronensterne und allgemeineren kurzen Ausbrüchen. Zusätzlich suchten sie nach möglichen Gravitationswellen von vier verschiedenen Gammastrahlenblitzen, die während des gemeinsamen Beobachtungslaufs beobachtet wurden.
Tatsächlich war der Nachweis eines Signals innerhalb des zweiwöchigen Testbeobachtungslaufs unwahrscheinlich. Die Detektorempfindlichkeit wird häufig mit der Entfernung gemessen, bis zu der die Instrumente Gravitationswellen von der Verschmelzung eines Neutronensternpaars aufspüren können. Diese „Horizontentfernung“ betrug während O3 für LIGO fast 400 Millionen Lichtjahre und für Virgo fast 200 Millionen Lichtjahre. KAGRA hätte das gleiche Signal in einer Entfernung von bis zu 2,2 Millionen Lichtjahren und GEO600 in einer Entfernung von bis zu 3,5 Millionen Lichtjahren wahrgenommen.
„Es war großartig, als Beobachtungspartner zur Verfügung zu stehen, während die Welt abgeschaltet wurde. Wir konnten dies tun, weil GEO600 aus der Ferne betrieben und von einem kleinen Team vor Ort gewartet werden kann. Jetzt sind wir noch besser auf die Fortsetzung des ‚Astrowatch‘-Programms von GEO600 und den vierten Beobachtungslauf vorbereitet“, sagt James Lough, der Chefwissenschaftler von GEO600.
Die Wissenschaftler:innen erwarten, dass sich die Empfindlichkeit von KAGRA im Laufe dieses Jahrzehnts mit dem weiteren Ausbau des Instrument erheblich verbessert. Der japanische Detektor sollte dann etwa so empfindlich für Gravitationswellen sein wie LIGO und Virgo.
KAGRA verwendet zudem neue Technologie, die in den anderen Detektoren nicht zum Einsatz kommt. Dazu gehört die Kühlung der Detektorspiegel auf 20 Grad über dem absoluten Nullpunkt (-253 °C), um den Einfluss des thermischen Rauschens zu minimieren. Diese Technologie wird eine wichtige Rolle spielen, um künftige Detektoren noch empfindlicher zu machen.
Alle Detektoren werden derzeit für ihren vierten gemeinsamen Beobachtungslauf O4, der Ende 2022 beginnen soll, vorbereitet und aufgerüstet. Dann werden LIGO, Virgo, KAGRA und GEO600 ihre Beobachtungen des Gravitationswellenuniversums mit einer noch nie dagewesenen gemeinsamen Empfindlichkeit fortsetzen.